BAG: Musikschullehrer bei zeitlichem Spielraum kein Arbeitnehmer

Ein Musikschullehrer ist dann nicht als Arbeitnehmer anzusehen, wenn er seine Unterrichtszeiten in einer großen Zeitspanne selbst festlegen kann. Dies geht aus einem Urteil des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

In dem konkreten Fall arbeitete ein Musiklehrer seit dem Jahr 2004 auf Grundlage von Honorarvereinbarungen für eine Musikschule. Die jeweiligen Vereinbarungen waren auf jeweils ein Schulhalbjahr befristet.

Lehrer konnte Räumlichkeiten an drei Wochentagen nutzen

Der Unterricht sollte in der Musikschule stattfinden. Dafür wurde dem Lehrer an drei mit ihm vereinbarten Wochentagen ein Unterrichtsraum zur Verfügung gestellt, den er in der Zeit von 9 bis 22 Uhr nutzen konnte. Die Verteilung der Unterrichtsstunden sprach der Lehrer mit den Schülern und ihren Eltern ab. Die Musikschule übte keinen Einfluss auf die Unterrichtszeiten aus.    

Allerdings richtete sich der Musiklehrer nach dem Lehrplan des Verbands deutscher Musikschulen e.V. Der Musiklehrer vertrat im Jahr 2016 die Auffassung, dass mit ihm ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Zumindest in zeitlicher Hinsicht sei er dem Weisungsrecht der Musikschule unterworfen, da ihm nur zu bestimmten Zeiten bestimmte Räume in der Musikschule zur Verfügung stehen. Daher könne er seine Arbeitszeit nicht frei wählen. Die Musikschule vertrat die Auffassung, der Musiklehrer sei freiberuflich tätig.

Die Klage des Musiklehrers vor dem Arbeitsgericht Herne blieb ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Hamm bestätigte die Auffassung, dass der Musiklehrer nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren sei.

BAG: Grundsätze zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen.

Dabei wandte das Gericht die Grundsätze zur Abgrenzung abhängiger von selbstständiger Tätigkeit an: Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die neu eingefügte Vorschrift des § 611a BGB spiegelt diese Rechtsgrundsätze wider.

Als Arbeitnehmer sind Musikschullehrer deshalb nur dann anzusehen, wenn die Vertragsparteien dies vereinbart haben oder im Einzelfall festzustellende Umstände vorliegen, die auf den für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderlichen Grad persönlicher Abhängigkeit schließen lassen. Als solche Umstände kommen das Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen, den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen, eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstands der Schülerinnen und Schüler, sondern auch des Unterrichts selbst oder die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte in Betracht

Musikschullehrer ist wegen großer zeitlicher Souveränität im konkreten Fall kein Arbeitnehmer

Im vorliegenden Fall sei der Musiklehrer nicht Arbeitnehmer, sondern als Selbstständiger anzusehen. Er sei insbesondere in der Gestaltung seiner Arbeitszeit weitestgehend frei von Weisungen der Musikschule.

Der Arbeitszeitsouveränität des Musiklehrers stehe nicht entgegen, so das Bundesarbeitsgericht, dass die Musikschule lediglich an drei festen Tagen in der Woche einen Unterrichtsraum zur Verfügung stelle. Zwar könne die Anordnung, eine Tätigkeit nur in bestimmten Räumen zu verrichten, und einer nur zeitlich beschränkten Zurverfügungstellung dieser Räumlichkeiten eine zeitliche Weisungsgebundenheit liegen. Dies sei aber nicht anzunehmen, wenn die Zeitspanne so bemessen sei, dass dem Mitarbeiter ein erheblicher Spielraum verbleibe. Im konkreten Fall stand dem Musiklehrer an den drei Tagen der Raum in der Zeit von 9 bis 22 Uhr zur Verfügung. Damit war ein großer zeitlicher Spielraum gegeben.

Einer dem freien Dienstverhältnis entgegenstehenden zeitlichen Beschränkung unterlag der Musiklehrer auch nicht dadurch, dass eine Vielzahl seiner Schülerinnen und Schüler noch schulpflichtig war und der Unterricht deshalb hauptsächlich in den Nachmittagsstunden stattfinden musste. Derartigen, auf Kundenwünschen beruhenden zeitlichen Beschränkungen unterliegen auch selbstständige Musikschullehrer, denen ihre Schülerinnen und Schüler nicht durch eine Musikschule zugeleitet werden.

(BAG, Urteil v. 21.11.2017, 9AZR 117/17)


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