Besoldungsstreit mit Ex-Bürgermeisterin soll beigelegt werden

Die ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Müllheim war anders als ihre männlichen Vorgänger und Nachfolger in eine niedrigere Besoldungsgruppe eingestuft worden und forderte deshalb Schadensersatz. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte einen Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz festgestellt und der Klage stattgegeben. Es zeichnet sich ab, dass die Stadt auf die Einlegung der Berufung verzichten wird.

Im Rechtsstreit um ihre Bezahlung hatte sich die Müllheimer Ex-Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich (parteilos) vor dem Verwaltungsgericht Freiburg durchgesetzt (VG Freiburg, Urteil vom 3.3.2023, 5 K 664/21). Die frühere Rathauschefin der Gemeinde im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald hatte nach früheren Angaben Schadensersatz auf Basis des Antidiskriminierungsgesetzes geltend gemacht.

Schadensersatz wegen Verstoß gegen das AGG

Das Verwaltungsgericht Freiburg hat der Klage stattgegeben und die Stadt Müllheim verurteilt, ihrer früheren Bürgermeisterin für ihre achtjährige Amtszeit in den Jahren zwischen 2011 und 2019 die Differenz zwischen den Besoldungsgruppen B3 und B4 in Höhe von ca. 50.000 Euro zu erstatten. Außerdem hat es festgestellt, dass die Stadt auch für das zukünftige Altersgeld die Differenz zwischen den Besoldungsgruppen B3 und B4 zu zahlen hat.

Vorgänger und Nachfolger waren in höhere Besoldungsgruppe eingestuft

Die frühere Rathauschefin, die von 2011 bis 2019 im Amt war, hatte einen Fall von Geschlechterdiskriminierung gesehen. Denn sowohl ihr Vorgänger als auch ihr Nachfolger seien in einer höheren Besoldungsgruppe eingestuft gewesen.

Die Stadt Müllheim hatte angekündigt, nach Eingang des schriftlichen Urteils zu prüfen, ob die Entscheidung angefochten werde.

Eine Einigung mit der früheren Rathauschefin mit Verzicht auf weitergehende Ansprüche zeichne sich unter bestimmten Bedingungen ab, berichtete die Stadtverwaltung nun in einer Vorlage für eine Gemeinderatssitzung.

Es habe Gespräche zwischen ihrem Anwalt und dem Rechtsbeistand der Stadt gegeben, bestätigte die einstige Kommunalpolitikerin auf Anfrage. Es gehe nicht darum, Vorgaben aus dem Urteil einzuschränken. Sie habe aber schon im Gerichtsverfahren angeboten, auf ein zusätzliches Schmerzensgeld zu verzichten. «Mein Fall ist für das Beamtenrecht und den öffentlichen Dienst richtungweisend», sagte die frühere Bürgermeisterin. Insbesondere in der Politik sei «Equal Pay» noch keine Selbstverständlichkeit.

Gemeinderat hatte Bürgermeisterin zu niedrig eingestuft

Das Besoldungsrecht des öffentlichen Dienstes sieht vor, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Gemeinden mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern in zwei Besoldungsgruppen eingestuft werden können: entweder in die niedrigere Gruppe B3 oder in die höhere B4. Darüber entscheidet der Gemeinderat. Und dieser hatte beschlossen, dass Siemes-Knoblich in B3 eingestuft werde - und damit anders als ihr Vorgänger und auch ihr Nachfolger.

Wie die Stadt Müllheim nun mitteilte, habe der Gemeinderat damals entgegen der Empfehlung der Verwaltung die Bürgermeisterstelle in der niedrigeren Besoldungsgruppe eingestuft. Das Gremium habe damit die besondere Schwierigkeit des Amtes in der Kommune südlich von Freiburg unberücksichtigt gelassen - die Stelle sei also zu niedrig eingestuft worden.

Stadt konnte Vermutung der geschlechtsbezogenen Diskriminierung nicht wiederlegen

Wie das Freiburger Verwaltungesgericht  in einer ausführlichen Begründung mitteilte, schaffte es die Stadt nicht, die Vermutung einer «geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung» zu widerlegen. Innerhalb eines Monats sei es möglich, gegen das Urteil Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einzulegen.

Das Verwaltungsgericht Freiburg führt zur Begründung der Klagestattgabe im Wesentlichen aus, die Stadt Müllheim sei aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zum Schadensersatz verpflichtet. Für die Feststellung einer unzulässigen Benachteiligung wegen des Geschlechts müsse die Ungleichbehandlung nicht allein an das Geschlecht anknüpfen. Vielmehr genüge es, wenn das Geschlecht die Entscheidung als Bestandteil eines Motivbündels beeinflusst habe. Außerdem müsse der Ursachenzusammenhang zwischen Geschlecht und Benachteiligung nach den im AGG vorgesehenen Beweiserleichterungen nicht positiv festgestellt werden: Wenn Indizien bewiesen seien, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten ließen, trüge die Gegenseite die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliege.

Verwaltungsgericht sieht Indizien für Benachteiligung

Indizien für eine geschlechtsbezogenen Benachteiligung sind nach Auffassung des Gerichts gegeben. Es sei dafür schon ausreichend, dass die frühere Bürgermeisterin auf Grundlage des Gemeinderatsbeschlusses vom 16.11.2011 während ihrer Amtszeit niedriger besoldet worden sei als ihr männlicher Vorgänger in seinem letzten Amtsjahr und ihr männlicher Nachfolger von Beginn seiner Amtszeit an, obwohl es in der Zwischenzeit weder Veränderungen bezüglich des Aufgabenumfangs des Amtes noch ausschlaggebende Änderungen in der Einwohnerzahl gegeben habe. Solche Gründe allein hätten entscheidend sein müssen, da die Besoldung nach dem Landeskommunalbesoldungsgesetz allein nach objektiven, amtsbezogenen Kriterien (Umfang und Schwierigkeitsgrad des Amtes) unabhängig von der Person, die das Amt führt, zu erfolgen habe.

Nach der auch vom Bundesarbeitsgericht aufgenommenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum europarechtlichen, alle Mitgliedstaaten verpflichtenden Gebot der Entgeltgleichheit (Art. 157 AEUV) begründe der Umstand, dass einer Person eines Geschlechts für die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit ein niedrigeres Entgelt gezahlt werde als einer Person des anderen Geschlechts, die widerlegbare Vermutung, dass die Entgeltbenachteiligung «wegen des Geschlechts» erfolge. Dies gelte auch für Kommunalbeamtinnen und -beamte.

Stadt konnte nicht nachweisen, dass Geschlecht keine Rolle spielte

Die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung sei nicht widerlegt. Denn die Stadt Müllheim habe nicht nachgewiesen, dass das Geschlecht der früheren Bürgermeisterin bei der Gemeinderatsentscheidung über ihre Besoldungsgruppe keine Rolle gespielt habe. Die Stadt hätte Tatsachen dafür vortragen und ggf. beweisen müssen, dass ausschließlich andere Gründe zu der Benachteiligung geführt hätten. Dies sei ihr nicht gelungen.

Der Gemeinderatsbeschluss und die zugehörige Beschlussvorlage ließen nicht erkennen, welche anderen Gründe zu der Benachteiligung geführt haben sollten. Erwägungen für die Einstufung in die niedrigere Besoldungsgruppe seien nirgends niedergelegt. Dass diese mangelhafte Dokumentation keine wirksame Kontrolle der Gemeinderatsentscheidung auf Diskriminierungsfreiheit ermögliche, gehe zu Lasten der Stadt.

dpa, PM VerwG Freiburg