Keine Kürzung des Leistungsentgelts wegen Arbeitsunfähigkeit
Der Kläger war als TVöD-Beschäftigter bei den Stadtwerken der Beklagten tätig.
Für die Beschäftigten der Stadtwerke besteht eine "Dienstvereinbarung zur Durchführung der leistungsorientierten Bezahlung … nach § 18 TVöD" (DV Leistungsprämie), die eine Verteilung des Leistungsentgelts in Prämienform auf Grundlage der Feststellung eines individuellen Zielerreichungsgrads vorsieht.
In § 12 Abs. 1 der Dienstvereinbarung ist geregelt, dass Beschäftigte, die wegen längerer Krankheit (über 6 Wochen gem. § 22 TVöD) an der allgemeinen Leistungsbewertung nicht teilnehmen, aber die zuletzt bewertete Punktzahl behalten, wenn der Bewertungszeitraum weniger als 6 Monate beträgt. Weitere Folgen, die sich bei Krankheit für das Leistungsgeld ergeben, sind in der DV nicht enthalten.
Der Kläger war in der Zielvereinbarungsperiode 2017/2018 in der Zeit vom 22.6. bis 13.7.2017 und vom 30.1. bis 6.4.2018 arbeitsunfähig erkrankt. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand für diesen Zeitraum nicht. Für den Kläger war ein Teamziel "Umsetzung der Archivorganisation" vereinbart worden, welches nach vorgenommenen Bewertung ein Leistungsergebnis von 5 Punkten mit 100 %iger Gewichtung auswies. Die Beklagte rechnete im Abrechnungsmonat August 2018 ein Leistungsentgelt i. H. v. 836,02 EUR brutto ab. Sie berücksichtigte dabei die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch nicht.
Der Kläger vertrat nun die Auffassung, dass ihm aufgrund der Zielverwirklichung ein ungekürztes Leistungsentgelt zustehe. Dagegen brachte die Beklagte vor, das leistungsorientierte Entgelt hänge von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Klägers und seinem Beitrag zur Zielverwirklichung ab. Der teilweise Wegfall des Anspruchs beruhe auf dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Vergütungs- und Leistungspflicht. Somit führe die Fehlzeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch zu einer Kürzung der berücksichtigungsfähigen Tage.
BAG: Keine Kürzung des Leistungsentgelts wegen Arbeitsunfähigkeit
Vor dem BAG hatte die Klage überwiegend Erfolg. Das BAG entschied, dass das Ergebnis der Zielerreichung des Teams nach §§ 11 Abs. 5, 18 Abs. 6 DV Leistungsprämie auf den Kläger zu übertragen sei und eine Kürzung der Punktzahl aufgrund der krankheitsbedingten, außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums liegenden Fehlzeiten des Klägers nach der für die Ausgestaltung des Leistungsentgelts im Beschäftigungsbereich des Klägers allein maßgeblichen Dienstvereinbarung nicht in Betracht komme.
Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen für das Leistungsentgelt durch Dienstvereinbarung
Das BAG führte hierzu aus, dass weder§ 18 TVöD noch § 22 i. V. m. § 21 TVöD eine ausdrückliche Regelung dazu treffen, wie sich Arbeitsunfähigkeitszeiten, die über den Entgeltfortzahlungszeitraum nach § 22 Abs. 1 TVöD hinausgehen, auf das Leistungsentgelt auswirkten. Diese Frage werde durch die Tarifnorm der betrieblichen Ausgestaltung nach § 18 Abs. 6 TVöD überlassen, wonach die Parteien einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung die Anspruchsvoraussetzungen innerhalb des tariflichen Rahmens und damit auch etwaige Ausschluss- oder Kürzungskriterien selbst festlegen können. Und nur für den Fall, dass es an einer solchen Ausgestaltung fehle, komme ein Rückgriff auf den allgemeinen Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn" in Betracht.
Abschließende Regelungen in der Dienstvereinbarung zum Leistungsentgelt
Im vorliegenden Fall enthielt die maßgebliche Dienstvereinbarung keine ausdrückliche Kürzungsregelung für den Fall eines krankheitsbedingten Arbeitsausfalls über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus. Aus den Bestimmungen lasse sich nicht entnehmen, dass die Dienstvereinbarungsparteien eine zeitanteilige Kürzung der Leistungsprämie – sei es in Form der von der Beklagten vorgenommenen Kürzung des Punktwerts bzw. der Punktzahl oder zeitanteilig bei Zugrundelegung des Gruppenergebnisses – konkludent vorgesehen hätten. Vielmehr haben sie abschließend bestimmt, welche Auswirkungen Leistungsstörungen auf den Anspruch auf eine Leistungsprämie haben.
Zwar sei in § 12 DV Leistungsprämie Bestimmungen für besondere Gruppen von Beschäftigten getroffen, wie u. a. kranke oder leistungsgeminderte Beschäftigte, Mitglieder des Personalrats oder Beschäftigte in Altersteilzeit. Wie sich jedoch bereits aus dem Wortlaut der Regelung für kranke Beschäftigte ergebe, gelte diese nur für Beschäftige, die wegen längerer Krankheit an der allgemeinen Leistungsbewertung nicht, also auch nicht teilweise oder eingeschränkt, teilnehmen. Diesbezüglich war zudem in der Vorschrift geregelt, dass diese Beschäftigten die zuletzt bewertete Punktzahl behalten, wenn der Bewertungszeitraum weniger als 6 Monate beträgt, was auf den Kläger, für welchen eine Leistungsbewertung möglich und ausweislich der vorgelegten Leistungskarte auch erfolgt war, nicht zutraf. Zudem sieht die Regelung auch in diesem Fall keine Kürzung der Punktzahl vor, sondern es werde auf die in der vorangegangenen Zielvereinbarungsperiode bewertete Punktzahl abgestellt.
Die Dienstvereinbarungsparteien haben über diesen Fall hinaus zudem detailliert geregelt, aus welchen weiteren Gründen der Anspruch zu kürzen sei. Von den Kürzungsregelungen werde jedoch der Fall der lang andauernden Erkrankung nicht erfasst, obwohl den Unterzeichnern der Dienstvereinbarung diese Problematik – wie sich aus § 12 DV Leistungsprämie ergab – bekannt war. Es erscheint deshalb nach Ansicht des BAG fernliegend, dass die Dienstvereinbarungsparteien eine solche, in der betrieblichen Praxis nicht seltene Fallkonstellation nicht aufnahmen, wenn sie zur Anspruchskürzung im Rahmen von § 18 DV Leistungsprämie führen sollte. Aus dem Schweigen der Dienstvereinbarungsparteien könne daher nicht auf eine Kürzungsmöglichkeit geschlossen werden.
Die Auslegung der Dienstvereinbarung ergab somit, dass der Beklagten kein Recht auf anteilige Kürzung des leistungsbezogenen Entgelts zustand.
(BAG, Urteil v. 12.10.2022, 10 AZR 496/21)
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