Mehr Flexibilität beim Personalmarketing

Natürlich braucht man für das Personalmarketing eine durchdachte Strategie. Es zahlt sich aber auch aus, flexibel und schnell auf Änderungen im Umfeld und aktuelle Geschehnisse zu reagieren. Welches Potential oft vernachlässigt wird und warum interne Kolleginnen und Kollegen gute Corporate Influencer sein können, erläutert unser Gastautor Dr. Stefan Döring.

Die Arbeitgebermarke ist analysiert, gebrandet und gelayoutet. Die Zielgruppen sind definiert, der Marketingplan steht, die Kanäle werden bespielt. Und dann: Der Social-Media-Kanal dümpelt dahin. Die GenZ hat keinen Bock auf "Sicherheit", obwohl es die Kernaussage des Employer Brands ist. Die Konkurrenz zahlt plötzlich Zulage. Dass sich dank Wahlen Machtverhältnisse verschieben und plötzlich ganz andere Schwerpunkt gesetzt werden, kommt im öffentlichen Dienst auch regelmäßig vor. Aktuell beschäftigen ein Virus und eine Flüchtlingswelle deutsche Behörden.

Strategien sind super. Auch im Personalmarketing. Sie geben Orientierung, setzen Prioritäten und ermöglichen ein Controlling nach dem Motto: „Alles läuft nach Plan!“ Dennoch bedarf es einer Korrektur, wenn sich das Umfeld ändert. Und es lohnt sich in aller Regel, flexibel und vor allem schnell zu reagieren.

Fremdcontent nutzen

So kommen die lustigen Videos des Fachbereichs oder der private Instagramcontent eines Kollegen plötzlich und überraschend wahnsinnig gut an. Klar hat das gar nichts mit der Personalgewinnung zu tun. Und so richtig ins Layout der Arbeitgebermarke passt das alles auch nicht. Dennoch bietet sich hier eine Chance, Reichweite zu erzeugen und das positive Feedback für das Recruiting zu nutzen.

Für mich ist es immer wieder überraschend, wie vehement die Ablehnung solcher Möglichkeiten bei HR ist. Die Antwort auf meine Frage, warum man hier nicht zumindest kooperiert, zeugt von ausgeprägtem Silodenken: Was nicht aus der Personalabteilung kommt, taugt nix, passt nicht!

Diese Zurückhaltung, solche Gelegenheiten zu nutzen, ist nicht nur eine vertane Chance, sondern oft kontraproduktiv. Zeugen sie doch von der fehlenden Eigenschaft, auch mal über sich selber zu lachen. Dabei macht Humor attraktiv - auch als Arbeitgeber. Aber gerade intern ist der Schaden immens, wenn zwar hinter vorgehaltener Hand über die Postings herzlich gelacht, die Arbeitgebermarke davon aber penibel getrennt wird.

Corporate Influencer ist keine Stellenbeschreibung

Was macht einen Influencer aus? Eine große Reichweite durch viele Follower und hohe Interaktionsraten. Das gilt für unter Umständen hoch dotierte Stars und Sternchen wie auch für Kollegen, die im privaten in den sozialen Medien aktiv sind. Und gerade letztere würden höchstwahrscheinlich gerne für ihren Arbeitgeber Werbung machen. Es fragt sie nur niemand – vor allem nicht die Kollegen aus dem Personalmarketing.

Dabei wäre das Potential riesig: Da sind Bürgermeister und die Stadt- und Gemeinderäte, die eh für ihren Wahlkampf vielfach ganz gut laufende Profile aktiv halten. Warum hier nicht mal für eine Vakanz werben? Und es gibt beinahe in allen Organisationen Kollegen mit zum Teil beindruckenden Followerschaften auf Kanälen wie TikTok, Twitch, Instagram und Youtube. Die Behörde kann sich so auch den datenschutzrechtlichen eigenen Account getrost sparen.

Vielfach habe ich nach den Gründen für diese vertane Chance gefragt. Zum einen wissen die Personalmarketingverantwortlichen oft gar nichts von ihren potentiellen internen Influencern. Ein Fehler im Jobverständnis, ist doch die Kenntnis über die Außenwahrnehmung der eigenen Organisation Basis für den Erfolg. Zum anderen trennt man in den meisten Organisationen des Public Sectors strikt dienstliche von privaten Social Media-Aktivitäten.

Da scheint das mit dem „authentisch sein“ und „realistische Einblicke geben“ in den teuren Studiengängen, Fortbildungen aber auch Fachzeitschriften und Blogs komplett überhört und überlesen worden zu sein. Im Gegenteil bekommen in den Personalabteilungen heute gerade jüngere Kollegen den Auftrag des „Corporate Influencers“. Ohne jede vorhandene Reichweite! Manchmal wird erst mit der neuen Jobbeschreibung überhaupt erstmals ein Account eröffnet. Ein Irrsinn.

Auf Wertschätzung aufbauen

Erinnern Sie sich an das Applaudieren für die Pflegeberufe? Klar hat das den Kollegen am Ende das Tages kein Stück die Arbeitsbedingungen verbessert. Und das daran anschließende Thema Zulage ist auch eher ein Trauerspiel. Dennoch tat es in diesem Moment gut. Und es war ein schönes Zeichen für Anerkennung und Respekt.

Aber haben die Arbeitgeber des Gesundheitswesens ihr Personalmarketing darauf angepasst? Wurde der Moment genutzt, um Ehemalige zurück in den Pflegeberuf zu locken, den internen Zusammenhalt zu steigern oder für die Ausbildung zu rekrutieren? Nein, es ging im Recruiting in der Regel weiter nach Schema F.

Kontaktverfolgung. Wahrlich kein Wort, das Sympathie weckt. Aber den meisten Menschen leuchtet die Sinnhaftigkeit ein. Dennoch weit und breit kaum Kampagnen, die den öffentlichen Gesundheitsdienst als Speerspitze gegen die Pandemie beworben und an den Zusammenhalt sowie die Solidarität appelliert haben, um diese wichtigen Stellen zu besetzen. In beinahe allen Bundesländern gab es stattdessen die üblichen, langweiligen Stellenausschreibungen. Chance verpasst.

Kampagnen an aktuelle Geschehnisse anpassen

Die Hilfsbereitschaft der Menschen für die ukrainischen Flüchtlinge ist auf einem nie dagewesenen Niveau. Beindruckend! Gleichzeitig ächzen die eh schon unter hoher Fluktuation und unbesetzten Stellen leidenden Ausländer- und Sozialbehörden unter der massiven Zunahme an Fallzahlen.

Das Personalmarketing hat auch in diesem Beispiel – wenn überhaupt – nur unzureichend reagiert: Ihr wollt helfen? Dann helft der Verwaltung effizienter, effektiver und digitaler zu werden! Du kannst ukrainisch? Dann bewirb dich als Sachbearbeiter/Lehrer/Erzieher/Dolmetscher! Ihr empfindet die Registrierung der Flüchtlinge zu langsam? Dann kommt in die Kommunalverwaltung und helft mit!

Der ein oder andere Satz dieser Art in Stellenanzeigen reicht hier nicht. Es braucht Kampagnen von der Anzeige in den sozialen Medien über eine eigene Landingpage bis hin zu Anpassungen im Recruitingprozess. Wie gerne hätte ich geholfen, dies als meinen Beitrag mitzugestalten. Natürlich kostenfrei. Und ich habe ein solches Angebot für Behörden punktuell formuliert. Die Rückmeldungen ließen mich schnell ernüchtern: „Das passt aktuell nicht in unsere Personalmarketingstrategie.“

Schlagworte zum Thema:  Personalmarketing, Öffentlicher Dienst