Bei der Frage, ob eine bauliche Veränderung oder eine Modernisierungsmaßnahme vorliegt, ist der Begriff der „Modernisierung“ großzügig zu handhaben.

Hintergrund

Die Mitglieder einer WEG streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen zu Baumaßnahmen an Schornsteinen. Die Anlage besteht aus mehreren Reihenhäusern.

1999 hatten die Eigentümer einstimmig beschlossen, die Schornsteine in den Häusern zu verschließen und die zugehörigen Dachleitern abzureißen. Anlass war eine Heizungsumstellung.

Nachdem einige Jahre später mehrere Eigentümer ihre Schornsteine zum Anschluss eines Kamins wieder in Betrieb nehmen wollten, beschloss die Eigentümerversammlung im Juli 2007, den „Schornstein-Beschluss" von 1999 aufzuheben. Ferner beschloss die Versammlung, dass die Eigentümer die Schornsteine wieder zur Nutzung öffnen können, wobei zu jeder Einzelmaßnahme die Zustimmung der Eigentümerversammlung erforderlich sein soll. Die Kosten sollen die jeweiligen Schornstein-Nutzer tragen. Den Beschlüssen stimmten 7 der 8 anwesenden Eigentümer zu.

Ein Eigentümer ficht die Beschlüsse an. Er meint, es handle sich bei der Wiederinbetriebnahme der Schornsteine um eine bauliche Veränderung, der sämtliche Wohnungseigentümer zustimmen müssten.

Entscheidung

Die Anfechtung der Beschlüsse bleibt erfolglos. Die Zustimmung sämtlicher Eigentümer war nicht erforderlich.

Die gestattete Wiederherstellung der Schornsteine ist eine bauliche Veränderung, die die Wohnungseigentümer als Modernisierungsmaßnahme gemäß § 559 Abs. 1 BGB mit der hier erreichten qualifizierten Mehrheit nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG beschließen konnten.

Nach § 559 Abs. 1 BGB, auf den § 22 Abs. 2 WEG verweist, fallen unter den Begriff der Modernisierung Maßnahmen, die den Gebrauchswert nachhaltig erhöhen, die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern oder nachhaltig Einsparungen von Energie oder Wasser bewirken. Vorliegend ist von einer nachhaltigen Gebrauchswerterhöhung auszugehen.

§ 559 Abs. 1 BGB gibt zu einer großzügigeren Handhabung des Modernisierungsbegriffes Anlass. Zum einen kommen den Wohnungseigentümern auch solche Verbesserungen zugute, von denen im Mietrecht nur der Vermieter, nicht aber auch der Mieter profitiert. Zum anderen sollten die Eigentümer mit der Erweiterung der Beschlusskompetenz nach § 22 Abs. 2 WEG die Befugnis erhalten, durch Anpassung der Wohnungsanlage an die „Erfordernisse der Zeit" mit qualifizierter Mehrheit einer Verkehrswertminderung entgegenzuwirken - unabhängig von einem Reparaturbedarf. Deshalb genügt es, dass die Maßnahme aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert nachhaltig zu erhöhen.

Die Möglichkeit, einen Kamin zu befeuern, führt zu einer nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts des Wohnungseigentums. Hierdurch kann eine Möglichkeit geschaffen werden, den Wohnkomfort zu steigern und einen anderen Brennstoff zu nutzen und hierdurch ggf. Kosten zu sparen. Außerdem können die Eigentumswohnungen auf dem Immobilienmarkt attraktiver werden.

Ob die Einrichtung einer zusätzlichen Heizquelle eine Einsparung des Energieverbrauchs bewirkt, ist für die Frage einer nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts unerheblich. Denn diesem Umstand kommt nur Bedeutung für die dritte der - jeweils selbständigen - Modalitäten des § 559 Abs. 1 BGB zu, unter denen die Eigentümer nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG eine bauliche Veränderung mit qualifizierter Mehrheit beschließen können.

Die beschlossene Maßnahme ändert auch nicht die Eigenart der Wohnungsanlage. Ebenso stellt sie keine Luxussanierung dar und die ablehnenden Eigentümer werden nicht unbillig benachteiligt.

(BGH, Urteil v. 18.2.2011, V ZR 82/10)