Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 23.08.2005; Aktenzeichen 3 O 1867/02) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin hin wird das Urteil des LG Erfurt vom 23.8.2005 abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 354.038,84 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB seit dem 20.3.2002 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 75 %, die Beklagte 25 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Bezüglich des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf den Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Mit Urteil vom 23.8.2005 hat das Erstgericht der Klage i.H.v. 36.503,33 EUR stattgegeben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Zur Begründung führte das Erstgericht aus, dass der Klägerin bezüglich der Pos. 23 ... des Leistungsverzeichnisses ein Restwerklohnanspruch i.H.v. 29.796,06 EUR zustehe. Vorliegend stehe nämlich zu seiner Überzeugung nach der durchgeführten Beweisaufnahme aufgrund der Aussage des Zeugen H. fest, dass es tatsächlich zu einem Stillstand der Arbeiten der Bohrkolonne von 15 Tagen gekommen sei. Weshalb die Beklagte die diesbezüglich entstandenen Kosten für einen Stillstand von 5 Tagen einerseits nicht beanstandet habe, die Kosten für den darüber hinausgehenden Zeitraum aber nicht anerkenne, sei nicht nachvollziehbar.
Des Weiteren stehe der Klägerin ein Betrag von 6.707,27 EUR zu hinsichtlich der Rechnungskürzung Los 22 wegen der Kabelumverlegungskosten. Diese Rechnungskürzung sei nämlich nicht gerechtfertigt. Soweit hier die Beklagte eine Verrechnung mit einer anderen Position, welche sie bezahlt habe, vorgenommen habe, sei hierfür kein Rechtsgrund ersichtlich.
Die Klägerin müsse aber die Kürzungen in den Positionen 23.5 ... hinnehmen, da sie keinen Anspruch auf Vergütung der dortigen Mengenmehrungen habe.
Zwar sei die diesbezügliche Vereinbarung nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Bezüglich des § 138 Abs. 2 BGB fehle es nämlich bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen. Es sei nämlich nicht ersichtlich, dass seitens der Beklagten der Zuschlag unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Unerfahrenheit der Klägerin oder deren Mangel an Urteilsvermögen erfolgt sei.
Auch läge keine Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB in der Fallgruppe der wucherähnlichen Geschäfte bei schwerwiegenden Äquivalenzstörungen vor. Anerkanntermaßen könne insofern ein Rechtsgeschäft nichtig sein, wenn ein krasses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt und andererseits das Leistungsbegehren von einer verwerflichen Gesinnung getragen ist. Vorliegend habe nun zwar die Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ergeben, dass die von Klägerin in diesen Positionen abgesetzten Einheitspreise nahezu um das Tausendfache überhöht seien. Es dürfe aber in solchen Fällen lediglich bei Nichtkaufleuten davon ausgegangen werden, dass diese Überhöhung von einer verwerflichen Gesinnung getragen worden sei. Dies gelte nicht für Kaufleute wie die Klägerin. Hier müsse die Beklagte nach wie vor die verwerfliche Gesinnung darlegen und nachweisen.
Dennoch stünde der Klägerin aber der diesbezügliche Vergütungsanspruch nicht zu. Dabei könne letztendlich dahingestellt bleiben, ob die Ursache als Änderung des Bauentwurfs (§ 2 Nr. 5 VOB) zu qualifizieren sei oder ob es sich um eine bloße gem. § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abzurechnende Mengenmehrung einer Teilleistung handele. In beiden sich gegenseitig ausschließenden Fällen sei jedenfalls für den die Grenze von 110 % der Ausgangsmenge überschreitenden Mehrteil der Menge eine Vereinbarung der Parteien herbeizuführen, oder, falls eine solche nicht vorliegen würde, das gleiche Ergebnis durch eine nachträgliche Preisschätzung des Gerichtes entsprechend § 287 ZPO nachzuempfinden.
Bei der nachträglichen Preisbildung durch das Gericht sei es erforderlich, dass die ursprüngliche Kalkulation als Grundlage einer gerichtlichen Schätzung offengelegt werde. Dies sei vorliegend aber nicht in hinreichendem Maße geschehen. Bei der vorgelegten Kalkulation handele es sich nicht um eine Urkalkulation, sondern lediglich um eine nachträgliche Aufschlüsselung des einmal vereinbarten Einheitspreises mit der Folge, dass diese nicht zur Überprüfung und Neubestimmung eines angemessenen Einheitspreises für die Mehrmenge ei...