Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann ein Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die er als vorläufiger Insolvenzverwalter selbst vorgenommen oder ihnen zugestimmt hat, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechten kann.
Normenkette
InsO § 129 ff.; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 22.02.2002; Aktenzeichen 6 O 382/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG … vom 22.2.2002 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.293 Euro (26.000 DM) zzgl. 4 % Zinsen für die Zeit vom 18.5.2001 bis zum 15.10.2001 sowie 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2001 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreit zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer: unter 20.000 Euro.
Gründe
A. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der … Transporte GmbH. Er begehrt auf Grund einer insolvenzrechtlichen Anfechtung vom Beklagten die Rückgewähr von aus dem Vermögen der Schuldnerin gezahlten 26.000 DM.
Die Schuldnerin betrieb ein Transportunternehmen für den Güternahverkehr. Einen Teil ihrer Fahrzeuge hatte sie von der … Kraftfahrzeughandel GmbH (im Folgenden: K. GmbH), deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte ist, auf Basis einer Wechselfinanzierung unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Die Kfz-Briefe waren im Besitz der K. GmbH. Der Beklagte hatte der Schuldnerin Flächen zum Abstellen von Lkw vermietet. Durch Beschluss vom 21.3.2001 bestellte das AG … den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss bestimmte u.a., dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.
Mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 20.4.2001 erklärte die K. GmbH, sie kündige die Wechselfinanzierung wegen Zahlungsverzuges, trete von den Kaufverträgen zurück und fordere die Rückgabe der Fahrzeuge. Der Kläger wies mit Schreiben vom 26.4.2001 den Rücktritt zurück und bat im Hinblick auf eine mögliche Ablösung der Finanzierung, ihm die offenen Finanzierungsbeträge mitzuteilen. Darauf erklärte der Rechtsanwalt der K. GmbH unter dem 4.5.2001, die K. GmbH sei grundsätzlich bereit, einer Ablösung der Fahrzeuge zuzustimmen; Voraussetzung sei, dass eine Gesamtablösung der offenen Forderung von 236.633,92 DM erfolge. Ferner teilte der Rechtsanwalt mit, dass er auch den Beklagten anwaltlich vertrete, diesem stehe eine offene Mietforderung gegen die Schuldnerin i.H.v. 51.968 DM zu; es werde davon ausgegangen, dass der Kläger die Mietforderung zur Insolvenztabelle feststelle. Mit Schreiben vom 8.5.2001 nannte der Kläger dem Rechtsanwalt einen Termin zur Übergabe eines Schecks i.H.v. 236.633,92 DM Zug um Zug gegen Herausgabe der Kraftfahrzeugbriefe. Am 9.5.2001 erklärte der Rechtsanwalt ggü. dem Kläger telefonisch, die K. GmbH werde die Kraftfahrzeugbriefe nur aushändigen, wenn gleichzeitig mit den offenen Finanzierungsbeträgen auch die Mietforderung des Beklagten ausgeglichen würde. Der Kläger antwortete am 10.5.2001, er biete weiterhin die Vertragserfüllung an. Nach weiteren Verhandlungen vereinbarten der Kläger und der Rechtsanwalt die Übergabe der Kfz-Briefe Zug um Zug gegen Zahlung von 236.633,92 DM an die K. GmbH und 26.000 DM auf die Mietforderung des Beklagten. In Erfüllung dieser Vereinbarung erhielt der Beklagte am 18.5.2001 einen Scheck i.H.v. 26.000 DM. Der Beklagte löste den Scheck ein.
Der Kläger hat geltend gemacht, dass die Zahlung an den Beklagten gem. §§ 130 Abs. 1 Nr. 2 und 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar sei.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 26.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18.5.2001 nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes seit dem 16.10.2001 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Zahlung sei nicht anfechtbar, weil der Kläger ggü. dem Beklagten einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen habe, dass die vorgenommene Rechtshandlung Bestand habe.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
B. Die Berufung ist begründet.
I. Der Kläger rügt mit Erfolg, das LG habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die von ihm als vorläufigem Insolvenzverwalter veranlasste Zahlung an den Beklagten nicht anfechtbar sei, weil der Kläger einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 InsO liegen vor.
1. Das LG hat seine Annahme, dass die Zahlung nicht anfechtbar sei, weil der Kläger einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, wie folgt begründet: Der Gläubiger müsse sich bei einer Vereinbarung mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter, auch wenn dieser nicht zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners befugt sei, auf die Wirksamkeit der Vereinbarung verlassen können. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter bei de...