Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundesnachrichtendienst. Bundesverwaltungsgericht. erstinstanzliche Zuständigkeit. strategische Telefonüberwachung. Verwaltungsakt. innerdienstliche Weisung. internationaler Terrorismus: “mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland”. G 10-Kommission. Mitteilung der Telefonüberwachung. Zeitpunkt. Beurteilungsermächtigung
Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung der strategischen Telefonüberwachung gemäß § 5 des Artikel 10-Gesetzes durch das Bundesministerium des Innern ist kein Verwaltungsakt gegenüber den Betroffenen, sondern eine innerdienstliche Weisung an den für diese Maßnahme zuständigen Bundesnachrichtendienst.
Die Erweiterung der strategischen Aufklärungsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes auf die Gefahren des internationalen Terrorismus “mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland” im Jahre 2001 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der G 10-Kommission steht bei der Festlegung des richtigen Zeitpunkts der Mitteilung der Telefonüberwachung an den Betroffenen eine Beurteilungsermächtigung zu.
Normenkette
G 10 §§ 5, 12
Verfahrensgang
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Der Bundesnachrichtendienst beantragte am 14. September 2001 im Wege eines Eilantrages gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 des Artikel 10-Gesetzes (G 10) beim Bundesministerium des Innern die Anordnung einer Beschränkung des Telefongeheimnisses zum Gefahrenbereich “Internationaler Terrorismus”. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 zuverlässige nachrichtendienstliche Hinweise zu Verwicklungen von islamischen Fundamentalisten vorlägen, die sich in Deutschland aufhielten. Es gebe Hinweise darauf, dass sich in Hamburg neben den zwei mutmaßlichen Attentätern noch weitere islamische Fundamentalisten befänden, die Kontakt zu den Taliban in Afghanistan pflegten. Entsprechende Hinweise existierten auch für den Frankfurter Raum, in dem bereits einige Monate zuvor mehrere mutmaßliche Terroristen hätten festgenommen werden können. Es sei aufgrund der aktuellen Lage nicht auszuschließen, dass sog. Schläfer aus dem Umkreis von Usama Bin Laden noch weitere terroristische Anschläge von Deutschland aus planten und durchführten. Aus einem der überwachten Anschlüsse und der durch die sog. Routineaufklärung erfassten Telekommunikation stamme der erste ernstzunehmende Hinweis auf die Verantwortung Usama Bin Ladens für die Terroranschläge in New York und Washington. Einige der Anschlüsse seien der Nordallianz bzw. der afghanischen Opposition zuzuordnen. Auch aus diesem Bereich seien im Rahmen der “Routinekontrolle” wertvolle Hinweise auf die Umgebung Usama Bin Ladens gewonnen worden. Die Beschränkungsmaßnahme wurde vom Bundesministerium des Innern am Tag der Antragstellung für die Dauer von drei Monaten, beginnend am 14. September 2001, endend am 13. Dezember 2001, angeordnet.
Am 25. September 2001 beantragte der Bundesnachrichtendienst wiederum im Eilwege die Ergänzung der Beschränkungsanordnung zum Gefahrenbereich “Internationaler Terrorismus” um weitere Suchbegriffe. Zur Begründung wurde vorgetragen, durch die Überwachung der im Zusammenhang mit den Terroranschlägen in den USA stehenden Telekommunikationsbeziehungen seien seit dem letzten Eilantrag zusätzliche Erkenntnisse gewonnen worden, die auf eine erhöhte Bedrohung der Sicherheitslage in Europa schließen ließen. Es gebe zuverlässige nachrichtendienstliche Hinweise zu Verwicklungen von islamischen Fundamentalisten, die sich in Deutschland aufhielten; des Weiteren gebe es Hinweise, dass die Nutzung von bestimmten Anschlüssen im engen Kontakt zur Usama-Bin-Laden-Gruppe stehe. Auch diesem Antrag gab das Bundesministerium des Innern am Tag der Antragstellung statt. Die G 10-Kommission erklärte die Anordnungen am 18. Oktober 2001 für zulässig und notwendig.
In der Zeit zwischen dem 18. Oktober 2001 und dem 5. November 2001 wurden vom Bundesnachrichtendienst insgesamt vier Telekommunikationsverkehre zwischen dem Kläger und unterschiedlichen afghanischen Anschlussinhabern erfasst, die einen der angeordneten Suchbegriffe enthielten. Die Verkehre wurden an das Bundeskriminalamt übermittelt. Aufgrund der Tatsache, dass der zunächst am 19. Oktober 2001 übermittelte Verkehr am 20. Oktober 2001 mit einer vollständigen Übersetzung erneut übermittelt wurde, ergaben sich insgesamt fünf Vorgänge. Aus diesem Grund wurde später in der Mitteilung an den Kläger vom 23. November 2006 von fünf Telekommunikationen gesprochen.
Mit Schreiben vom 6. November 2001 unterrichtete der Bundesnachrichtendienst die G 10-Kommission über die Gründe, die einer Mitteilung der erfassten Gespräche an den Betroffenen entgegenstünden. Da der Kläger zum damaligen Zeitpunkt dem Bundesnachrichtendienst nur unter dem Alias-Namen “Abu Ali” bekannt war, wurde ausgeführt, eine Mitteilung sei schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Darüber hinaus würde im Falle einer Mitteilung der Zweck der Beschränkungsanordnung gefährdet, weil der Generalbundesanwalt gegen Abu Ali ein Ermittlungsverfahren führe und weil nach der Mitteilung keine wertvollen Erkenntnisse über die Verbindungen terroristischer Kreise nach Deutschland mehr zu erwarten seien. Am 15. November 2001 stimmte die G 10-Kommission dem Schreiben zu.
In einem weiteren Schreiben vom 3. Dezember 2001 hielt der Bundesnachrichtendienst an seinem Vorschlag fest, dem Betroffenen vorerst keine Mitteilung zu machen, und führte aus, Abu Ali sei ihm bereits seit Längerem bekannt; er nutze in Deutschland ständig wechselnd mehrere Mobiltelefone, deren Inhaber noch nicht hätten ermittelt werden können. Eine Mitteilung an Abu Ali würde zurzeit den Zweck der Beschränkungsanordnung gefährden, weil die Ermittlungen gegen ihn andauerten und er nach Erhalt der Mitteilung weitere Mitglieder terroristischer Kreise warnen würde. Auch mit diesem Schreiben erklärte sich die G 10-Kommission am 13. Dezember 2001 und 24. Januar 2002 einverstanden.
Am 23. April 2002 wurde der Kläger festgenommen. Nach Anklage durch den Generalbundesanwalt wurde das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf eröffnet. Die Hauptverhandlung begann am 10. Februar 2004.
Aufgrund eines in der Sitzung der G 10-Kommission am 27. November 2003 beschlossenen Verfahrensvorschlags wurde die G 10-Kommission mit Schreiben vom 16. April 2004 erneut über die Gründe unterrichtet, die einer Mitteilung an den Kläger gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 2 G 10 entgegenstünden. Es wurde ausgeführt, es seien fünf Gespräche von unterschiedlichen afghanischen Anschlussinhabern mit dem Kläger “Abu Ali” erfasst worden. Die Anrufer hätten nach Erkenntnissen der Beklagtenseite einen terroristischen Hintergrund und stünden teilweise in Verbindung mit der Organisation al-Qa`ida. Der Kläger sei Mitglied der Gruppe al-Tawhid. Mit dem Führer dieser Gruppe, Al Zarqawi, sei er befreundet. In Deutschland sei er zuständig für Pass- und Kreditkartenfälschungen, den Transport dieser Dokumente, Geldsammelaktionen und den Transfer der Gelder an Al Zarqawi. Im Herbst 2001 habe sich der Kläger als Selbstmordattentäter angeboten, sei aber von Al Zarqawi beauftragt worden, in Deutschland zu verbleiben, um die Unterstützung der Gruppe al-Tawhid zu gewährleisten. Es sei nicht auszuschließen, dass eine Mitteilung an den Kläger zum jetzigen Zeitpunkt den Zweck der Beschränkungsmaßnahme gefährden würde. Trotz der Inhaftierung des Klägers sei ein fortdauernder Kontakt zu anderen Mitgliedern der Gruppe al-Tawhid nicht ausgeschlossen. Durch eine Mitteilung könnten somit Mitgliedern der Gruppe Aufklärungsprofil und technische Möglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes im Bereich der strategischen Fernmeldeaufklärung bekannt werden. Es wäre zu befürchten, dass Mitglieder der Gruppe auf andere Telekommunikationsmedien zurückgreifen würden, die vom Bundesnachrichtendienst aufgrund seiner technischen Möglichkeiten zurzeit nur in sehr eingeschränktem Maße erfasst werden könnten. Die Gruppe stehe jedoch aufgrund ihrer engen Kontakte zur Organisation al-Qa`ida weiterhin im besonderen Aufklärungsinteresse des Bundesnachrichtendienstes, des Bundeskriminalamts sowie des Bundesamts für Verfassungsschutz. Eine Mitteilung an den Kläger würde die Ermittlungen aller drei Behörden möglicherweise hochgradig erschweren. Die G 10-Kommission stimmte am 29. April 2004 nochmals zu, dem Kläger vorerst keine Mitteilung zu machen.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 teilte der Bundesnachrichtendienst der G 10-Kommission mit, dass dem Kläger die Erfassungen nun mitgeteilt werden könnten. Ihm sei aufgrund des Ganges der Gerichtsverhandlung und den in den Akten befindlichen Dokumenten ohnehin bekannt, dass seine mit dem Mobiltelefon geführte Telekommunikation durch deutsche Sicherheitsbehörden überwacht worden sei. Zwar sei nicht auszuschließen, dass der Kläger weiterhin mittelbar in Kontakt zu Personen stehe, die in einen terroristischen Kontext einzuordnen seien. Die Mitteilung an den Kläger enthalte aber über die Tatsache der Überwachung hinaus keine weiteren schutzwürdigen Details, deren Kenntnis durch terroristische Kreise den Zweck der Beschränkungsmaßnahme noch weiter gefährden würde. Die G 10-Kommission nahm am 26. Oktober 2006 von der geplanten Mitteilung Kenntnis.
Der Bundesnachrichtendienst teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. November 2006 gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 2 G 10 mit, er habe in der Zeit vom 18. Oktober bis 5. November 2001 im Rahmen der Durchführung strategischer Beschränkungen auf der Grundlage der Beschränkungsanordnung des Bundesministeriums des Innern vom 14. September 2001 gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 2 G 10 zur rechtzeitigen Erkennung und Begegnung der Gefahr für die Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland insgesamt fünf Telekommunikationen erfasst, die von Telekommunikationsanschlüssen ausgegangen seien, die auf den Kläger angemeldet gewesen seien. Der genehmigte Anordnungszeitraum sei der 14. September bis 14. Dezember 2001 gewesen.
Der Kläger ist aufgrund Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2005 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit bandenmäßiger Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Seine Revision wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 16. Januar 2007 als unbegründet verworfen. Er verbüßt seine Strafe in der Justizvollzugsanstalt Köln.
Am 2. Januar 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Seinen Rechtsstandpunkt hat er im Wesentlichen mit Schriftsatz vom 9. August 2007 begründet. Danach hält er das Vorgehen des Bundesnachrichtendienstes aus zwei Gründen für rechtsfehlerhaft.
Zum einen sei die Überwachung der Telekommunikation dem Grunde nach rechtswidrig gewesen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 G 10 seien Beschränkungen für internationale Telekommunikationsbeziehungen nur zulässig zur Sammlung von Informationen über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig sei, um eine Gefahr im Sinne der Nr. 1 – 6 rechtzeitig zu erkennen und ihr zu begegnen. Der Antrag des Bundesnachrichtendienstes vom 14. September 2001 beziehe sich auf eine Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland im Sinne der Nr. 2 der vorgenannten Vorschrift. Fraglich erscheine es, ob der Verdacht, dass in Deutschland lebende sog. Schläfer weitere terroristische Anschläge im Ausland planten, für einen unmittelbaren Bezug zur Bundesrepublik Deutschland ausreiche. Die neue Fassung von Nr. 2 verlange – im Unterschied zur alten Fassung – zwar nicht mehr, dass die Anschläge “in der Bundesrepublik Deutschland” drohten. Doch sei weder die Existenz Deutschlands noch das Wohlergehen der Bevölkerung gefährdet, wenn eine ausländische terroristische Gruppe von Deutschland aus unterstützt werde.
Zum anderen hält der Kläger die Mitteilung der Überwachungsmaßnahmen durch den Bundesnachrichtendienst für verspätet. Gemäß § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G 10 seien Beschränkungsmaßnahmen dem Betroffenen mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden könne. Die Mitteilung sei aber erst mit Schreiben vom 23. November 2006, also fünf Jahre und zwei Monate nach der ersten Beschränkungsanordnung erfolgt.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht zur Überwachung der vom Kläger genutzten Telefonanschlüsse berechtigt war,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger die Überwachung bereits vor dem 23. November 2006 mitzuteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Ansicht der Beklagten waren weder die Anordnung der Überwachung noch der Zeitpunkt der Mitteilung der Maßnahme rechtswidrig. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beschränkungsanordnung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 2 G 10 hätten vorgelegen. Danach seien Beschränkungsanordnungen zulässig zur Sammlung von Informationen über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig sei, um die Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge “mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland” rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. Nach der Gesetzesbegründung werde ein solcher Bezug auch dann angenommen, wenn ein terroristischer Anschlag Aus- und Nachwirkungen in der Bundesrepublik Deutschland habe. Dazu zählten auch Fälle, dass eine Gruppe ausländischer Terroristen enge Kontakte nach Deutschland habe oder dass eine terroristische Gruppe des Auslands von Deutschland aus finanziell oder logistisch unterstützt werde. Beim Gefahrenbereich des internationalen Terrorismus handele es sich nicht nur um internationale Kriminalität. Vielmehr seien diese Aktivitäten dadurch gekennzeichnet, dass sie häufig von ausländischen Staaten oder von ausländischen Organisationen, die mit staatlicher Unterstützung oder Duldung operierten, ausgingen, jedenfalls aber Dimensionen annähmen, die internationale Gegenmaßnahmen erforderten. Insbesondere die Erfahrungen mit durchgeführten oder geplanten Anschlägen von Gruppen unter der ideologischen Meinungsführerschaft von al-Qa`ida hätten gezeigt, dass Beschaffungs-, Planungs-, Organisations-, Schleusungs- und Führungsmaßnahmen sowie der – geplante – Anschlag selbst häufig in verschiedenen Ländern durchgeführt würden. Bereits in den verschiedenen Vorbereitungsstadien ergäben sich nicht zu unterschätzende Gefahren für Rechtsgüter der Bürger der jeweiligen Länder, nicht zuletzt durch spontane Selbstmordattentate bei Entdeckung der Entführer durch die Sicherheitsbehörden oder durch vorzeitige ungewollte Zündung des Sprengstoffes.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es zwar nicht zulässig, dem Bundesnachrichtendienst unmittelbar auf Verhütung oder Verhinderung von Straftaten gerichtete Befugnisse einzuräumen. Die Nachrichtendienste erfüllten eine institutionell verselbstständigte, rein informationelle Hilfsfunktion im Vorfeld konkreter Gefahren für besondere Rechtsgüter. Aufgrund ihrer zweifachen Beschränkung sowohl auf den Schutz besonderer Rechtsgüter als auch auf rein informationelle, nicht aber selbst gefahrenabwehrende oder strafverfolgende Tätigkeit seien sie keine Organe der allgemeinen Verbrechensbekämpfung. Den verfassungsgerichtlichen Vorgaben sei jedoch solange genügt, wie die Beobachtungsfelder des Bundesnachrichtendienstes einen hinreichenden Bezug zur nachrichtendienstlichen Aufgabe hätten und die Nutzbarmachung erlangten Wissens zur Verbrechensbekämpfung die nicht auf Verbrechensbekämpfung bezogene Primärfunktion nicht überlagere.
Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 G 10 eingehalten. Zum Antragszeitpunkt hätten bereits zuverlässige nachrichtendienstliche Hinweise darauf vorgelegen, dass islamische Fundamentalisten mit Aufenthalt in Deutschland in die Terroranschläge am 11. September 2001 verwickelt gewesen seien. Diese Einschätzung habe sich inzwischen in vielfältiger Weise bestätigt. Zudem sei befürchtet worden, dass weitere Personen mit Verbindungen zum Terrornetzwerk um Usama Bin Laden terroristische Anschläge von Deutschland aus planen und durchführen könnten.
Rechtswidrig sei die Beschränkungsanordnung auch nicht aufgrund eines fehlenden konkreten Bezuges zum Kläger. Bei der Anordnung der strategischen Überwachung habe nicht auf die Person des Klägers Bezug genommen werden dürfen. Der Bezug zum Kläger habe sich vielmehr aus den verwendeten Suchbegriffen ergeben.
Schließlich sei auch der Vollzug der Beschränkungsmaßnahme rechtmäßig gewesen. Eine frühere Mitteilung an den Kläger sei nicht in Betracht gekommen, weil auch nach seiner Inhaftierung der Verdacht eines fortgesetzten Kontaktes zwischen dem Kläger und der Gruppe al-Tawhid bestanden habe.
Der Kläger hat zunächst mit einem weiteren Klageantrag begehrt, die Beklagte zu verpflichten, die Mitteilung vom 23. November 2006 um die Angabe der von ihm genutzten Telefonanschlüsse und die Zeitpunkte der Verbindungen zu ergänzen. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beklagten dem Kläger zugesichert, innerhalb der nächsten vier Wochen sämtliche Rufnummern des Klägers, die im Rahmen der ihm mitgeteilten Maßnahmen erfasst wurden, und die Zeitpunkte der Telefonate mitzuteilen. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich dieses Antrages in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
1. Ohne Erfolg begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte nicht zur Überwachung der von ihm genutzten Telefonanschlüsse berechtigt war.
a) Dieser Antrag ist zulässig.
aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erstinstanzlich zuständig. Nach dieser Vorschrift entscheidet es über Klagen, denen Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes zugrunde liegen, im ersten und letzten Rechtszug. Um einen derartigen Vorgang handelt es sich bei der umstrittenen Telefonüberwachung, obwohl diese Maßnahme nicht in die alleinige Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes fiel. Gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10 –) vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1254) dürfen nämlich Beschränkungsmaßnahmen nach diesem Gesetz nur auf Antrag angeordnet werden, der bei strategischen Beschränkungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 2 Nr. 4 G 10 vom Bundesnachrichtendienst zu stellen ist. Die Anordnung der Maßnahme oblag nach § 10 Abs. 1 G 10 dem Bundesministerium des Innern, das nach § 15 Abs. 6 Satz 1 und 2 G 10 die G 10-Kommission zu unterrichten hatte; diese konnte nach § 15 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 3 G 10 die Anordnung des Ministeriums für unzulässig oder nicht notwendig erklären. Diese Entscheidungszuständigkeit übergeordneter Stellen ändert aber nichts daran, dass es sich bei der umstrittenen Maßnahme um eine solche aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes handelte. Mit der Neufassung der Zuständigkeitsnorm des § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO durch die Gesetze vom 9. Juli 2001 (BGBl I S. 1510) und vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3987), die die frühere Beschränkung auf Klagen gegen den Bund betreffend dienstrechtliche Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beseitigte, sollte im Hinblick auf die “Gefahr des Bekanntwerdens sensibler Informationen” erreicht werden, dass sämtliche Verfahren, die Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes betreffen, erstinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht entschieden werden (BTDrucks 14/4659 vom 16. November 2000 S. 55; s. auch BTDrucks 14/7474 vom 14. November 2001 S. 14 f.). Aus dem aktuellen Gesetzestext und den Gesetzesmaterialien ergibt sich daher mit hinreichender Klarheit, dass in allen verwaltungsgerichtlichen Klagen mit Gegenständen aus dem Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes aus Gründen des Geheimnisschutzes ohne Einschränkungen das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein soll (vgl. Urteil vom 27. Juni 2007 – BVerwG 6 A 1.06 – PersR 2007, 443 Rn. 18).
bb) Das Klagebegehren ist als (allgemeine) Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO zulässig. Durch die Überwachung der Telefongespräche des Klägers sind zwischen ihm und der Beklagten Rechtsbeziehungen entstanden, die zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden können. Feststellungsfähig sind auch vergangene Rechtsverhältnisse, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Ein solches Interesse des Klägers liegt hier vor, denn er macht geltend, durch die Telefonüberwachung in seinem Grundrecht aus Art. 10 GG verletzt worden zu sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der der erkennende Senat folgt, kann auch die Art des mit der Klage gerügten Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, die Anerkennung eines Feststellungsinteresses erfordern, wenn sich die unmittelbare Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der die Entscheidung des Gerichts kaum zu erlangen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99 u.a. – BVerfGE 104, 220 ≪233≫; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 – BVerwG 6 C 23.06 – Buchholz 402.44 VersG Nr. 13 m.w.N.). So verhält es sich hier. Denn der Kläger hatte bis zum Erhalt des Informationsschreibens vom 23. November 2006 keine Gelegenheit, die heimliche Überwachung seiner Telefongespräche durch das Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Diese Möglichkeit sollte ihm mit dem Schreiben gerade eröffnet werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 1 BvR 2226/94 u.a. – BVerfGE 100, 313 ≪361, 364, 397 f.≫; s. auch § 6 Abs. 1 Satz 4 G 10).
Der Kläger ist nicht darauf verwiesen, gegen die der Telefonüberwachung zugrunde liegenden Anordnungen des Bundesministeriums des Innern mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vorzugehen. Diese Rechtsschutzmöglichkeit scheidet aus, weil die ergangenen Anordnungen keine Verwaltungsakte, sondern innerdienstliche Weisungen sind. Allerdings hat der insoweit früher zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Anordnung des Bundesministers des Innern über Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses in Einzelfällen gemäß § 3 Abs. 1 G 10 als Verwaltungsakt angesehen, da sie auch ohne Unterrichtung des Betroffenen eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfalte (Urteil vom 17. Oktober 1990 – BVerwG 1 C 12.88 – BVerwGE 87, 23 ≪25≫). Hiergegen ist eingewandt worden, dass sich die (heimliche) Gewinnung von Informationen nach dem Artikel 10-Gesetz auf ein rein tatsächliches Geschehen ohne gezielte Rechtswirkungen nach außen beschränke, auch wenn dabei in geschützte Rechtspositionen eingegriffen werde, und dass die nachträgliche Unterrichtung über ein solches Geschehen nicht mit der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts gleichgesetzt werden dürfe (Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 17c, § 41 Rn. 1a; vgl. auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl. 2007, Rn. 178 Fn. 455). Ob dieser Kritik mit Blick auf alle im Artikel 10 Gesetz vorgesehenen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses zu folgen ist, kann offenbleiben. Sie trifft jedenfalls für die im Streitfall ergangene Anordnung der strategischen Telefonüberwachung gemäß § 5 G 10 zu. Denn diese Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses richtet sich im Gegensatz zu einer Überwachungsmaßnahme im Sinne von § 3 G 10, wie sie dem zitierten Urteil des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 1990 zugrunde lag, nicht gegen einzelne Personen und deren Telefonanschlüsse, sondern betrifft eine große Zahl internationaler, gebündelt übertragener Telekommunikationsbeziehungen, die unter Verwendung bestimmter, zur Aufklärung von Gefahren geeigneter Suchbegriffe selektiert und ausgewertet werden (§ 5 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G 10). Wird eine solche nicht primär personen-, sondern sachbezogene Überwachungsmaßnahme auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes vom Bundesministerium des Innern angeordnet, so kann es sich bei der Anordnung nicht um einen Verwaltungsakt gegenüber demjenigen handeln, dessen Betroffenheit sich erst beim Vollzug der Maßnahme herausstellt. Sie erschöpft sich vielmehr in einer Ermächtigung mit verpflichtendem Charakter an den Bundesnachrichtendienst, die vorgesehenen Beschränkungen für den internationalen Telefonverkehr durchzuführen. Der Kläger greift daher mit seinem Feststellungsantrag zu 1 mit Recht nicht die Anordnungen des Bundesministeriums des Innern vom 14. und 25. September 2001, sondern die ihn betreffende Überwachungsmaßnahme des Bundesnachrichtendienstes an.
b) Der Antrag ist aber unbegründet. Die umstrittene Überwachungsmaßnahme des Bundesnachrichtendienstes, die von diesem beantragt, vom Bundesministerium des Innern angeordnet und von der G 10-Kommission gebilligt worden ist (§§ 9, 10, 15 Abs. 6 G 10) und gegen deren formelle Rechtmäßigkeit im Übrigen Bedenken nicht erhoben worden sind, ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 Nr. 2 G 10. Danach ist die strategische Telefonüberwachung u.a. zulässig zur Sammlung von Informationen über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt.
aa) Die strategische Telefonüberwachung dient nach ihrem gesetzlich umschriebenen Zweck der Gewinnung von Erkenntnissen über bestimmte von außen auf die Bundesrepublik Deutschland zukommende Gefahren, zu denen auch die Gefahren des internationalen Terrorismus gehören. Sie ist ein Hilfsmittel des Bundesnachrichtendienstes, um diese Gefahren aufzuklären und die gewonnenen Erkenntnisse in Lageberichte, Analysen und Berichte über Einzelvorkommnisse umzusetzen, deren Adressat die Bundesregierung ist; diese soll in den Stand versetzt werden, die Gefahrenlagen rechtzeitig zu erkennen und ihnen (politisch) zu begegnen (s. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst ≪BND-Gesetz≫ vom 20. Dezember 1990 ≪BGBl I S. 2954, 2979≫ i.V.m. § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 G 10 sowie BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 371, 383). Da es um die frühzeitige Erkennung von Gefahren geht, bedarf es zur Anordnung der strategischen Telefonüberwachung keiner Gefahr, die sich bereits konkret abzeichnet, und nicht einmal eines bestimmten Verdachts; es reicht vielmehr aus, dass bei Durchführung der Überwachungsmaßnahme Erkenntnisse über bestehende Gefahrenlagen – hier die Gefahr terroristischer Anschläge – zu erwarten sind (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 383, 389 sowie Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 – BVerfGE 115, 320 ≪359≫). Die hier umstrittene Maßnahme ist im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 angeordnet worden; dabei wiesen bestimmte, vom Bundesnachrichtendienst in der Antragsbegründung aufgezählte Umstände, insbesondere Informationen über die Existenz von sog. Schläfern aus dem Umkreis Usama Bin Ladens in der Bundesrepublik Deutschland, auf die Gefahr weiterer Anschläge hin. Dass das Bundesministerium des Innern die strategische Überwachung des Telefonverkehrs nach Afghanistan auf der Grundlage von hinreichend aussagekräftigen Indizien angeordnet hat und dass kein anderes, ebenso erfolgversprechendes, aber die Grundrechtsträger weniger belastendes Erkenntnismittel zur Verfügung stand, wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt.
bb) Bei den vom Bundesnachrichtendienst und vom Ministerium befürchteten künftigen terroristischen Anschlägen handelte es sich insbesondere auch um solche “mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland” im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 G 10. Nach den Ausführungen in der Antragsbegründung ging der Bundesnachrichtendienst nicht davon aus, dass Anschläge in Deutschland drohten; vielmehr befürchtete er, dass Anhänger Usama Bin Ladens von Deutschland aus weitere Anschläge planen und durchführen würden. Diese Befürchtung reicht, wenn sie – wie hier – durch einen ausreichenden nachrichtendienstlichen Erkenntnishintergrund gestützt ist, zur Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 G 10 aus.
(1) Was mit der Formulierung “Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland” in § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 G 10 gemeint ist, ergibt sich aus einem Vergleich der aktuellen mit der früheren Rechtslage. Die geltende Fassung der Vorschrift geht auf den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26. März 2001 (BTDrucks 14/5655) zurück. Nach der früheren Rechtslage (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 G 10 in der Fassung des Gesetzes vom 28. Oktober 1994, BGBl I S. 3186) konnte die strategische Fernmeldekontrolle im Gefahrenbereich Terrorismus nur eingesetzt werden, um die Gefahr der Begehung von Anschlägen in der Bundesrepublik Deutschland zu erkennen. Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren als zu eng angesehen, weil die strategische Kontrolle beispielsweise nicht eingesetzt werden konnte, um terroristische Anschläge gegen im Ausland befindliche deutsche Einrichtungen, Streitkräfte oder Staatsbürger zu erkennen. Die Neufassung des Gesetzes, bei der man sich nunmehr mit einem unmittelbaren Bezug zur Bundesrepublik Deutschland begnügte, sollte dem abhelfen. Ein solcher Bezug wurde auch dann als gegeben angesehen, wenn ein terroristischer Anschlag Aus- und Nachwirkungen in der Bundesrepublik Deutschland haben würde. Als Beispiel wurde in der Entwurfsbegründung in Betracht gezogen, dass eine Gruppe ausländischer Terroristen enge Kontakte nach Deutschland hat oder eine terroristische Gruppe des Auslands von Deutschland aus finanziell oder logistisch unterstützt wird (BTDrucks 14/5655 S. 18 ff.). Der Gesetzgeber hat daher mit der Rechtsänderung im Jahre 2001 den Anwendungsbereich der strategischen Telefonüberwachung bewusst und gewollt auf Fälle der vorliegenden Art erweitert.
(2) Diese Erweiterung steht mit Verfassungsrecht in Einklang. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers verlangt das Grundgesetz nicht, die strategische Aufklärung von Gefahren durch den Bundesnachrichtendienst gemäß § 5 G 10 auf terroristische Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland zu beschränken. Der Gesetzgeber hat mit der in Rede stehenden Rechtsänderung weder seine Kompetenzen überschritten noch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
(a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes und insbesondere für dessen Befugnisse zur strategischen Telefonüberwachung ergibt sich aus Art. 73 Nr. 1 GG, der dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die auswärtigen Angelegenheiten sowie über die Verteidigung einräumt (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 368 ff.). Unter auswärtigen Angelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift sind diejenigen Fragen zu verstehen, die für das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere für die Gestaltung der Außenpolitik Bedeutung haben. Zu dieser Regelungsmaterie gehört auch der gesetzliche Auftrag an den Bundesnachrichtendienst zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland mit außen- und sicherheitspolitischer Relevanz (§ 1 Abs. 2 BND-Gesetz), in dessen Rahmen er sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 G 10 u.a. der strategischen Telefonüberwachung bedienen darf. Dagegen berechtigt Art. 73 Nr. 1 GG den Bundesgesetzgeber nicht dazu, dem Bundesnachrichtendienst Befugnisse einzuräumen, die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind. Die in § 5 Abs. 1 Satz 3 G 10 aufgezählten und vom Bundesnachrichtendienst im Wege der strategischen Telefonüberwachung aufzuklärenden Gefahrenlagen stehen in dem gemäß Art. 73 Nr. 1 GG nötigen Zusammenhang zu den außen- und sicherheitspolitischen Belangen, die die Bundesrepublik Deutschland als Teil der Staatengemeinschaft und in ihrem Verhältnis zu zwischenstaatlichen Einrichtungen zu wahren hat. Das gilt insbesondere auch für die Gefahren des internationalen Terrorismus, bei dem es sich nicht nur um internationale Kriminalität handelt. Vielmehr sind diese Aktivitäten dadurch gekennzeichnet, dass sie häufig von ausländischen Staaten oder von ausländischen Organisationen, die mit staatlicher Unterstützung oder Duldung operieren, ausgehen, jedenfalls aber Dimensionen aufweisen, die internationale Gegenmaßnahmen erfordern. Die Bundesrepublik Deutschland muss daher ihre Außen- und Sicherheitspolitik und ihre internationale Zusammenarbeit darauf einstellen können und bedarf hierzu auch im Interesse ihrer Handlungs- und Bündnisfähigkeit entsprechender Kenntnisse (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 371).
Hiernach entspricht der Art der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus die Notwendigkeit des Zusammenwirkens der bedrohten Staaten; bei diesem Zusammenwirken liegt es schon aus Gründen einer sinnvollen Arbeitsteilung nahe, dass sich jeder Staat auf die Gefahrenlagen mit Bezug auf sein Staatsgebiet konzentriert. Infolgedessen besteht der verfassungsrechtlich notwendige Zusammenhang mit der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland auch und gerade dann, wenn es um drohende terroristische Anschläge geht, die vom Inland aus vorbereitet oder unterstützt werden. Die Einräumung von Befugnissen zur Aufklärung solcher Sachverhalte wird daher durch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 1 GG gedeckt.
(b) In materieller Hinsicht hat das Bundesverfassungsgericht in seinem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 14. Juli 1999 (a.a.O. S. 375 ff.) die mit der strategischen Telefonüberwachung verbundenen Eingriffe in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis aus den folgenden Gründen als im engeren Sinne verhältnismäßig und damit verfassungsgemäß beurteilt: Zwar wögen die Grundrechtseingriffe namentlich mit Blick auf ihre Verdachtslosigkeit, die Breite der erfassten Fernmeldekontakte und die Identifizierbarkeit der Beteiligten schwer. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass die Grundrechtsbeschränkungen dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter dienten. Die Gefahren, die im Wege der Telefonüberwachung erkannt werden sollten, darunter die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, seien von hohem Gewicht. Ebenso habe das hinter der Aufgabe der Auslandsaufklärung stehende Ziel, der Bundesregierung Informationen zu liefern, die von außen- und sicherheitspolitischem Interesse für die Bundesrepublik Deutschland seien, erhebliche Bedeutung für deren außenpolitische Handlungsfähigkeit und außenpolitisches Ansehen. Der Gesetzgeber habe auf Eingriffsvoraussetzungen und Begrenzungen nicht verzichtet, sondern bestimmte Kriterien und verfahrensrechtliche Sicherungen normiert. Zu den materiellen Voraussetzungen gehöre insbesondere, dass nur Nachrichten über Sachverhalte gesammelt werden dürften, deren Kenntnis zur rechtzeitigen Erkennung der Gefahrenlagen notwendig sei. Verfahrensrechtlich setzten Bestimmung und Anordnung u.a. die schlüssige Darlegung im Antrag des Bundesnachrichtendienstes voraus, warum die betroffenen Fernmeldeverkehrsbeziehungen rechtzeitig Aufschluss über eine der relevanten Gefahren geben könnten. Besonders wichtig sei das gesetzliche Verbot der gezielten Überwachung bestimmter individueller Telefonanschlüsse. Der der strategischen Telefonüberwachung zugrunde liegende besondere Zweck der Auslandsaufklärung, die nicht auf Maßnahmen gegenüber bestimmten Personen abziele, sondern internationale Gefahrenlagen betreffe, über die die Bundesregierung unterrichtet werden solle, rechtfertige es, die Eingriffsvoraussetzungen niedriger anzusetzen als im Polizei- und Strafprozessrecht. Allerdings schließe Art. 10 GG nicht aus, dass der Bundesnachrichtendienst einzelne Erkenntnisse, die er im Verlauf der strategischen Telefonüberwachung zum Zweck der Auslandsaufklärung gewonnen habe und die für die Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten relevant seien, an die hierfür zuständigen Behörden weitergebe. Die Verwertung solcher “Zufallsfunde” (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 a.a.O. S. 359) sei jedoch nur im Rahmen einer nachträglichen Zweckänderung und unter strengen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zulässig.
Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich zwar auf eine frühere Fassung des Artikel 10-Gesetzes, treffen aber ebenso auf die strategische Telefonüberwachung gemäß § 5 des derzeit geltenden Gesetzes zu. Sie werden auch nicht durch die mit dem Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1254) vorgenommene Erweiterung der Auslandsaufklärung auf drohende terroristische Anschläge im Ausland, die vom Inland aus vorbereitet oder unterstützt werden oder einen sonstigen unmittelbaren Bezug zur Bundesrepublik Deutschland haben, in Frage gestellt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die strategische Telefonüberwachung mit dem Ziel der Aufklärung schwerwiegender Gefahrenlagen gerechtfertigt, die vom Ausland her die Bundesrepublik Deutschland bedrohen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Bundesnachrichtendienst verfassungsrechtlich auf die Aufklärung bevorstehender terroristischer Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland beschränkt wäre. Wie bereits erwähnt, haben die Gefahren des internationalen Terrorismus Dimensionen angenommen, denen allein auf der Ebene der Nationalstaaten nicht mehr ausreichend begegnet werden kann. Da der internationale Terrorismus weltweit in der Weise aktiv ist, dass eine sehr große Zahl von Staaten jederzeit mit Anschlägen rechnen muss, sind über die unmittelbare nationalstaatliche Gefahrenabwehr hinaus gemeinschaftliche Abwehranstrengungen vieler oder aller Staaten unerlässlich, bei der die Staaten wechselseitig füreinander einstehen. Zur Mitwirkung hieran ist die Bundesrepublik Deutschland auf die Aufklärungstätigkeit des Bundesnachrichtendienstes angewiesen. Die erforderliche internationale Zusammenarbeit findet auf der Ebene der Vereinten Nationen, im Rahmen der Europäischen Union und im Wege des unmittelbaren Informationsaustauschs zwischen den Staaten statt (vgl. für die Zeit vor den Anschlägen am 11. September 2001 die Resolution des Sicherheitsrates 1333 (2000) vom 19. Dezember 2000, den Gemeinsamen Standpunkt 2001/54/GASP des Rates der Europäischen Union vom 26. Februar 2001 und die Verordnung ≪EG≫ Nr. 467/2001 des Rates vom 6. März 2001). Soweit sie erfolgreich ist, kommt sie der Staatengemeinschaft insgesamt zugute. Angesichts der Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Staaten gegen die Gefahren des internationalen Terrorismus und des sich darin widerspiegelnden Ausmaßes der Bedrohung wird jeder Staat durch diese Gefahren unabhängig davon schwerwiegend in seinem äußeren und inneren Frieden berührt, ob aktuell gerade ein Anschlag in seinem Gebiet zu befürchten ist. Dem hat der Gesetzgeber mit der Erweiterung der Aufklärungsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes auf drohende Anschläge im Ausland mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Rechnung getragen.
2. Auch der Klageantrag zu 2 mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, er habe zu einem früheren Zeitpunkt über die Überwachung seines Telefonverkehrs unterrichtet werden müssen, ist zulässig, aber unbegründet.
a) Die Zulässigkeit dieses Antrags, der ebenso wie der Klageantrag zu 1 in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO fällt, ergibt sich wiederum aus § 43 VwGO. Die allgemeine Feststellungsklage ist auch unter der Voraussetzung die geeignete und zulässige Klageart, dass sich die nachträgliche Information eines Betroffenen über die strategische Telefonüberwachung durch Erlass eines Verwaltungsakts vollzieht (vgl. dazu Urteil vom 28. November 2007 – BVerwG 6 A 2.07 – juris). Eine Verpflichtungsklage des Klägers (§ 42 VwGO) kommt nicht in Betracht, weil ihm die Überwachung seines Telefonverkehrs mit Schreiben vom 23. November 2006 bereits mitgeteilt worden ist. Er könnte sein Rechtsschutzziel auch nicht durch eine (nachgezogene) Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erreichen. Denn der hier gestellte Feststellungsantrag hat zwar die Verweigerung der Mitteilung zum Gegenstand, betrifft aber den Zeitraum vor dem Schreiben vom 23. November 2006 und damit einen anderen Streitgegenstand als denjenigen, über den im Falle einer Verpflichtungsklage zu entscheiden gewesen wäre. Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage darf kein im Vergleich zur Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage neuer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt werden (vgl. Urteil vom 16. Mai 2007 – BVerwG 3 C 8.06 – BVerwGE 129, 27 = Buchholz 418.72 WeinG Nr. 30).
Das berechtigte Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung ergibt sich daraus, dass die Beklagte nicht nur einfachrechtlich (§ 12 G 10), sondern auch grundrechtlich (Art. 10, Art. 19 Abs. 4 GG) verpflichtet ist, die von einer strategischen Telefonüberwachung betroffenen Personen so bald wie möglich zu unterrichten (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 361, 397). Wird die Mitteilung – wie dies nach Ansicht des Klägers hier der Fall war – verzögert, so liegt darin ein weiterer Grundrechtseingriff, der zwar für den Betroffenen weniger bedeutsam ist als der durch die Telefonüberwachung selbst bewirkte Grundrechtseingriff, der aber gleichwohl ähnlich wie dieser im Interesse eines möglichst wirkungsvollen, insbesondere umfassenden Rechtsschutzes gegen unberechtigte Überwachungsmaßnahmen zum Gegenstand einer nachträglichen gerichtlichen Feststellung gemacht werden kann.
b) Der Klageantrag zu 2 ist aber ebenfalls unbegründet, denn der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, dass ihm die Überwachung seines Telefonverkehrs bereits vor dem 23. November 2006 mitgeteilt wurde. Die Beklagte hat die Möglichkeit einer Mitteilung vor diesem Zeitpunkt wiederholt geprüft, hiervon aber jeweils ohne Rechtsverstoß abgesehen.
aa) Ob und zu welchem Zeitpunkt einem Betroffenen die strategische Telefonüberwachung mitgeteilt wird, ist in § 12 G 10 geregelt. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 G 10 sind Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G 10, sofern die personenbezogenen Daten nicht unverzüglich gelöscht wurden, dem Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 G 10 vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 G 10 kann die Mitteilung unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund einstimmiger Feststellung der G 10-Kommission unterbleiben. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts unterliegt die Entscheidung über die Mitteilung der Beschlussfassung durch die G 10-Kommission. Denn nach § 15 Abs. 7 Satz 1 G 10 unterrichtet das zuständige Bundesministerium die G 10-Kommission monatlich über Mitteilungen gemäß § 12 Abs. 1 und 2 G 10 oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen. Nach § 15 Abs. 7 Satz 2 G 10 ist die Mitteilung unverzüglich vorzunehmen, wenn die Kommission sie für geboten hält. Demnach liegt die Entscheidung über die Mitteilung letztlich stets in der Hand der Kommission. Maßstab für die Festlegung des Mitteilungszeitpunkts ist die Frage, ob “eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen werden kann”. Die Kommission muss sich also bei der Prüfung des richtigen Zeitpunkts davon überzeugen, dass die Möglichkeit einer Zweckgefährdung nicht besteht. Hat sie insoweit Zweifel, ist die Mitteilung – noch – zu unterlassen.
bb) Das Urteil der G 10-Kommission über den richtigen Zeitpunkt der Mitteilung der Telefonüberwachung an den Betroffenen kann vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden. Der Kommission steht insoweit eine Beurteilungsermächtigung zu, die die Rechtskontrolle begrenzt.
Bei welchen Entscheidungen die Behörde über einen von der Rechtsordnung anerkannten Entscheidungsspielraum verfügt und daher Entscheidungen treffen kann, die nur dann rechtswidrig sind, wenn die rechtlichen Grenzen ihrer Beurteilungsermächtigung überschritten sind, bestimmt der Gesetzgeber (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1993 – BVerwG 11 C 12.92 – BVerwGE 92, 340 ≪348≫). Deswegen sind Beurteilungsermächtigungen an die Verwaltung, soweit sie das Gesetz nicht ausdrücklich einräumt, im Wege der Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen zu ermitteln. Das Bundesverwaltungsgericht entnimmt in ständiger Rechtsprechung Gesetzen u.a. dann eine Beurteilungsermächtigung, wenn der zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende Elemente anhaften und das Gesetz für sie deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das weisungsfrei, mit besonderer fachlicher Legitimation und in einem besonderen Verfahren entscheidet; dies zumal dann, wenn es sich um ein Kollegialorgan handelt, das mögliche Auffassungsunterschiede bereits in sich zum Ausgleich bringt und die zu treffende Entscheidung damit zugleich versachlicht (vgl. Urteile vom 28. November 2007 – BVerwG 6 C 42.06 – juris und vom 16. Mai 2007 a.a.O. m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind bei der Entscheidung über den Zeitpunkt der Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 und 2 G 10 erfüllt. Diese Entscheidung erfordert eine mit erheblichen Unsicherheiten verbundene Prognose über die Folgen der Mitteilung, bei der insbesondere bedacht werden muss, dass die Mitteilung Anhaltspunkte für die Arbeitsweise der Fachbehörde und ihr konkretes Beobachtungsfeld liefern kann, die im Interesse einer ungestörten und erfolgreichen Ermittlung verborgen bleiben müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 397 f.). Ob und inwieweit solche Schlüsse möglich sind und welche Auswirkungen diese ggf. für die künftige Arbeit der Behörde und die damit letztlich bezweckte Abwehr bedeutender Schäden für das Gemeinwesen haben werden, lässt sich oft nur schwer abschätzen. Die aus vier Mitgliedern und vier Stellvertretern bestehende Kommission (§ 15 Abs. 1 Satz 1 G 10) entscheidet unabhängig und weisungsfrei (§ 5 Abs. 1 Satz 3 G 10) sowie in einem besonderen, in § 15 G 10 detailliert geregelten Verfahren. Die benötigte Sachkunde wird ihr durch die Stellungnahmen des zuständigen Bundesministeriums und der Fachbehörde vermittelt und wächst ihr überdies und vor allem dadurch zu, dass sie die Überwachungstätigkeit der Fachbehörde fortlaufend – mit monatlicher Unterrichtungspflicht (§ 15 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 G 10) und eigenen Ermittlungsbefugnissen (§ 15 Abs. 5 Satz 3 G 10) – begleitet und kontrolliert. Die dabei gesammelten Erfahrungen und die jeweils erhaltenen aktuellen Informationen befähigen sie dazu, sich selbst sachkundig über die möglichen Folgen einer Mitteilung klar zu werden. Im Wortlaut des Gesetzes klingt die Eigenart der zu treffenden Entscheidung insofern an, als § 12 Abs. 1 G 10 mit der Wendung “… ausgeschlossen werden kann” ausdrücklich den Entscheidungsvorgang anspricht und auf diese Weise etwaige Zweifel des Gremiums zu Lasten der Mitteilung ausschlagen lässt.
Mit der besonderen Aufgabenstellung, Unabhängigkeit und Sachkunde der G 10-Kommission verbinden sich Elemente kompensatorischer demokratischer Repräsentation und Kontrolle. Da die Tätigkeit der Kommission dem Grundrechtsschutz für die Bürger dient, die ihre Rechte wegen der Unbemerkbarkeit der Eingriffe nicht selbst wahrnehmen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 361), werden ihre Mitglieder von dem Parlamentarischen Kontrollgremium, also von Abgeordneten des Deutschen Bundestags, gewählt (§ 15 Abs. 1 Satz 4 G 10). Auch diese demokratische Legitimation der G 10-Kommission spricht für die Annahme einer Beurteilungsermächtigung und lässt die mit dieser Annahme verbundene Verkürzung des gerichtlichen Rechtsschutzes als hinnehmbar erscheinen. Letzteres trifft umso mehr deswegen zu, weil die in Rede stehende Entscheidung nur den Zeitpunkt der Unterrichtung über die Telefonüberwachung betrifft. Dieser Zeitpunkt ist zwar, wie erwähnt, im Gesamtzusammenhang des Geschehens für den betroffenen Bürger nicht bedeutungslos, ihm kommt aber im Vergleich zu dem Eingriff in das Fernmeldegeheimnis selbst eine untergeordnete Bedeutung zu.
cc) Die G 10-Kommission hat die ihr hiernach zustehende Beurteilungsermächtigung im Fall des Klägers bis zu dessen Unterrichtung im November 2006 rechtmäßig ausgeübt, denn sie hat sich aus nachvollziehbaren oder zumindest vertretbaren Gründen gegen eine frühere Unterrichtung entschieden.
Die Kommission hat sich in diesem Zeitraum auf der Grundlage der Stellungnahmen des Bundesnachrichtendienstes vom 6. November 2001, vom 3. Dezember 2001 und vom 16. April 2004 am 15. November 2001, am 13. Dezember 2001 und 24. Januar 2002 sowie am 29. April 2004 mit der Frage nach der Notwendigkeit einer Mitteilung an den Kläger befasst. Im November 2001 schied die vom Kläger vermisste Mitteilung schon deswegen aus, weil seine Identität zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bekannt war. Im Januar 2002 ist die Mitteilung im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts sowie aus dem Grunde unterblieben, der Kläger könnte nach Erhalt der Mitteilung weitere Mitglieder terroristischer Kreise warnen. Eine ähnliche Begründung liegt dem Beschluss der G 10-Kommission im April 2004 zugrunde. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Besorgnis, der Kläger könnte trotz seiner Inhaftierung weiterhin mit Mitgliedern der Gruppe al-Tawhid Kontakt halten, diesen Mitgliedern könnten das Aufklärungsprofil und die technischen Möglichkeiten des Bundesnachrichtendienstes bekannt werden und sie könnten auf andere, schwerer zu erfassende Telekommunikationsmedien ausweichen. Alle diese Gründe fallen thematisch in den Bereich der Gefahren des internationalen Terrorismus, zu deren Aufklärung und Bekämpfung die Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses angeordnet worden war, und daher unter den von § 12 Abs. 1 und 2 G 10 vorgegebenen Gesichtspunkt der Gefährdung des Ermittlungszwecks. Da sie sich ohne Weiteres nachvollziehen lassen, sind sie rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Frage, ob die Möglichkeit einer Warnung anderer Gruppenmitglieder auch nach der Inhaftierung des Klägers im Jahre 2002 weiterhin anzunehmen war, kommt es wegen der der G 10-Kommission zustehenden Beurteilungsermächtigung nicht an, denn eine derartige Annahme war jedenfalls vertretbar. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob die Mitteilung an den Kläger schließlich im Jahre 2006 verantwortet werden konnte, obwohl der Bundesnachrichtendienst auch zu diesem Zeitpunkt weiterhin mit Kontakten des Klägers zu Mitgliedern der Gruppe al-Tawhid rechnete und dem Kläger die Tatsache der Überwachung seiner Telefongespräche durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im Jahre 2004 mit der von ihm auszugsweise vorgelegten Anklageschrift des Generalbundesanwalts bekannt geworden war. Denn Streitgegenstand der Klage ist lediglich der Anspruch des Klägers auf eine frühere Mitteilung; hierfür ist indes wegen des vom Gericht zu respektierenden Entscheidungsvorrechts der G 10-Kommission nichts ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 VwGO. Mit den rechtshängig gebliebenen Anträgen zu 1 und 2 ist der Kläger unterlegen und hat insoweit die Kosten zu tragen. Hinsichtlich des vom Kläger zunächst zusätzlich verfolgten Begehrens einer Ergänzung der ihm gegebenen Mitteilung um Angabe der von ihm genutzten Telefonanschlüsse und die Zeitpunkte der Verbindungen hat ihn die Beklagte in der mündlichen Verhandlung durch Abgabe einer entsprechenden Zusicherung klaglos gestellt. Die Beklagte hat sich insoweit in die Position der Unterlegenen begeben und die Erledigung in der Hauptsache selbst herbeigeführt. Dies war bei der Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Büge, Dr. Graulich, Dr. Bier
Fundstellen
Haufe-Index 1999061 |
BVerwGE 2008, 180 |
BWV 2009, 33 |
DÖV 2008, 1060 |
DSB 2008, 20 |
DVP 2010, 143 |
DVBl. 2008, 850 |
RÜ 2008, 453 |
Polizei 2008, 89 |