Notfallbehandlungsraum eines Arztes als häusliches Arbeitszimmer?

In der Praxis führt die Frage, ob und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben/Werbungskosten abgezogen werden können, immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Finanzämtern. Höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt ist derzeit auch die Frage, ob bzw. wann ein Notfallbehandlungsraum im privaten Wohnhaus eines Arztes als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Fraglich ist, ob der Behandlungsraum für Notfälle im privaten Wohnhaus eines Arztes ein häusliches Arbeitszimmer i. S. der genannten Vorschrift ist.

Beispiel: Augenarzt mit Notfallbehandlungsraum im eigenen Wohnhaus

A ist als Augenarzt freiberuflich tätig. Er betreibt eine Einzelpraxis in U. In seinem privaten Wohnhaus in N befindet sich im Keller ein für die Behandlung von Patienten in Notfällen eingerichteter Raum. In dem Raum befinden sich eine Klappliege, eine Spaltlampe, eine Sehtafel an der Wand, ein Medizinschrank, Instrumente und Hilfsmittel, z.B. zum Entfernen von Fremdkörpern, ein kleiner Tisch zum Ausstellen von Rezepten und mehrere Stühle. Das Haus verfügt über „einen“ Hauseingang im Erdgeschoss, durch den man in einen Flur gelangt. Von dem Flur führt eine Treppe in den Keller, wo sich neben dem Notbehandlungsraum ein Heizungsraum, Hauswirtschaftsraum, Waschraum und ein weiterer Raum befinden.

In seiner Einkommensteuererklärung 2016 hat A Arbeitszimmerkosten von 3.600 EUR (Instandhaltungskosten, anteilige Kosten für AfA, Strom, Wasser, Reinigung) als Betriebsausgaben geltend gemacht. Das Finanzamt vertritt die Auffassung, dass die geltend gemachten Aufwendungen dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterliegen mit der Folge, dass diese nicht abziehbar sind. Denn dem A stünden ärztliche Behandlungsräume in den Räumlichkeiten seiner Praxis in U zur Verfügung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG).

Notfallpraxis kein häusliches Arbeitszimmer bei klarer Trennung vom privaten Wohnbereich

Häusliches Arbeitszimmer ist nach der Rechtsprechung des BFH ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer/-organisatorischer Arbeiten dient (BFH, Urteil v. 19.9.2002, VI R 70/01). Im Wohnhaus des Steuerpflichtigen befindliche Räume, die betrieblich oder beruflich genutzt werden, sind danach kein häusliches Arbeitszimmer, wenn sie nach Ausstattung und Funktion andersartigen Tätigkeiten dienen oder wenn sie nicht in die "häusliche Sphäre" integriert sind. Dementsprechend hat der BFH hat entschieden, dass die Notfallpraxis eines selbständigen Arztes kein häusliches Arbeitszimmer ist (BFH, Urteil v. 5.12.2002, IV R 7/01).

Er weist aber darauf hin, dass für die Anerkennung einer Notfallpraxis eines Arztes diese erkennbar für die Behandlung von Patienten besonderes eingerichtet und für diese leicht zugänglich sein muss. Die gesamte Ausstattung und auch die separate Lage zum privaten Wohnbereich muss eindeutig erkennen lassen, dass es sich um eine Notfallpraxis handelt. Selbst im Falle einer Notfallpraxis hat es der BFH daher für schädlich gehalten, wenn ein Besucher erst einen dem Privatbereich zuzuordnenden Flur oder eine Diele durchqueren muss (BFH, Urteil v. 20.11.2003, IV R 3/02 und Beschluss v. 9.5.2017, X B 23/17).

Praxistipp: Revision anhängig

Das FG Münster hat kürzlich entschieden, dass ein Notbehandlungsraum im Wohnhaus des Steuerpflichtigen nur dann nicht unter die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG fällt, wenn die Räumlichkeiten über einen von den privaten Räumen separaten Eingang verfügen (FG Münster, Urteil v. 14.7.2017, 6 K 2606/15 F). Muss der Notfallpatient erst einen Flur oder eine Diele durchqueren, die dem Privatbereich unterfallen, fehlt es an der nach außen erkennbaren Widmung der Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr und damit an der für die Patienten leichten Zugänglichkeit. Folgt man der Auffassung des FG Münster, sind im Beispielsfall die Arbeitszimmerkosten nicht abziehbar.

Das FG hat erfreulicherweise wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision gegen sein Urteil zugelassen, die vom Steuerpflichtigen auch eingelegt worden ist (Az. des BFH: VIII R 11/17). Vergleichbare Fälle sollten offengehalten werden, bis der BFH entschieden hat. Entsprechende Rechtsbehelfsverfahren ruhen kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).