Auf welche Änderungen sich Unternehmen einstellen müssen
Am 17.6.2016 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zugestimmt. Damit ist der Weg nunmehr frei für die vielleicht umfangreichste Änderung des steuerlichen Verwaltungsverfahrens seit 1977. Nicht alle der gesetzlichen Neuregelungen sind für Unternehmen von einem unmittelbaren Interesse. Die Maßnahmen, die jedoch Unternehmen unmittelbar als Steuerpflichtige betreffen, werden nachfolgend in zusammengefasster Form dargestellt.
Modernisierung des Besteuerungsverfahrens: Überblick über wesentliche Neuerungen
Durch die verschiedenen gesetzlichen Maßnahmen soll das Besteuerungsverfahren effektiver ausgestaltet werden. Dabei sind nicht alle der beschlossenen Maßnahmen für Unternehmen von unmittelbarer Bedeutung. Zu nennen sind allerdings:
- Die Datenübermittlungspflichten von Dritten werden einheitlich normiert. Dies betrifft etwa die Übermittlungspflichten von Arbeitgebern, Krankenkassen oder Rentenversicherungsträgern. Hierbei hat der betroffene Dritte den betroffenen Steuerpflichtigen binnen einer angemessenen Frist darüber zu informieren, welche Daten er an die Finanzverwaltung übermittelt hat.
- In risikoarmen Steuerfällen wird erstmalig eine vollständige automatische Bearbeitung der Steuererklärung ermöglicht. Dies dürfte primär den Bereich der Einkommensteuer betreffen, erscheint aber etwa auch bei einen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen, z.B. bei reinen Komplementärgesellschaften ohne weitere aktive Tätigkeit, denkbar.
- Die Regelungen zur elektronischen Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung werden weiter ausgebaut. So ist zukünftig eine Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten auch durch Download zulässig, wenn der Steuerpflichtige zustimmt.
- Bei Schreib- oder Rechenfehlern des Steuerpflichtigen wird eine verschuldensunabhängige Korrektur ermöglicht. Dies ist bislang nach § 129 AO nur dann der Fall, wenn die Finanzverwaltung sich einen Fehler des Steuerpflichtigen zu Eigen gemacht hat. Hierdurch wird eine bislang im Verwaltungswege bestehende Regelung kodifiziert.
- Die Verlängerung von Abgabefristen für die Steuererklärung wird gesetzlich normiert. In Fällen der Einschaltung eines steuerlichen Beraters ist grundsätzlich eine Verlängerung bis 28.2. des Zweitfolgejahres zulässig, ohne Steuerberater ist die neue Frist der 31.7. des Folgejahres und nicht mehr wie bisher der 31.5. Achtung, diese Regelung gilt erst ab 2018, während die meisten Neuregelungen bereits 2017 in Kraft treten.
- Die Bestimmungen zum Verspätungszuschlag bei der verspäteten Abgabe von Steuererklärungen werden verschärft. Auch diese Regelung gilt erst ab 2018.
- Eine vorläufige Steuerfestsetzung wird zukünftig auch in den Fällen Entscheidung des EuGH, der eine Gesetzesänderung erfordert, möglich.
- Über Anträge auf eine verbindliche Auskunft wird innerhalb einer Frist von sechs Monaten entschieden.
Ausblick: Weitere Gesetzesänderungen in Planung
Mit dem beschlossenen Gesetzgebungsverfahren sind die zu erwartenden Änderungen der AO allerdings nicht abgeschlossen. Weitere Änderungen im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens werden sicherlich kommen, wenn auch derzeit noch nicht absehbar ist, wie und wann. Bereits in den Startlöchern stehen indes zwei Gesetzgebungsvorhaben, die ebenfalls die AO betreffen.
So liegt seit Mai 2016 ein Referentenentwurf vor, der der Fälschung von digitalen Kassendaten entgegenwirken soll und auch die Möglichkeit einer sog. Kassen-Nachschau durch die Finanzverwaltung vorsieht. Zudem gibt es einen weiteren Gesetzesentwurf, der der Umsetzung von gesetzgeberischen Maßnahmen im Rahmen des BEPS-Projekts (Base-Erosion and Profit Shifting) zum Inhalt hat. Hierbei sind Verschärfungen der Aufzeichnungspflichten im Zusammenhang mit den Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen über die Grenze sowie die Einführung bestimmter weiterer Meldepflichten bei Konzernen ab Umsätzen von 750 Mio. EUR vorgesehen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
Hintergrund: Was die Abgabenordnung regelt
Das zentrale Gesetz für das Steuerverfahrensrecht ist die Abgabenordnung (AO). Dies oftmals unterschätzte Gesetz betrifft die Abwicklung
- des Steuerfestsetzungsverfahrens und
- des Steuererhebungsverfahrens.
Enthalten sind jedoch auch Regelungen
- zur Zwangsvollstreckung durch die Finanzverwaltung,
- das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren sowie
- die wesentlichen Bestimmungen des Steuerstrafrechts
Die derzeit gültige AO wurde zum 1. Januar 1977 in Kraft gesetzt, viele der immer noch gültigen Regelungen fanden sich aber bereits im Vorgängergesetz, der Reichsabgabenordnung (RAO) aus dem Jahr 1919. Angesichts des ständigen Wandels in allen Bereichen des materiellen Steuerrechts sowie des gesellschaftlichen Umfeldes verwundert es nicht, dass auch die AO seit ihrem In-Kraft-Treten diverse Male geändert worden ist. Gerade in den letzten Jahren wurden verschiedene Änderungen vorgenommen, die dem verstärkten Einsatz neuer Kommunikationsmedien im Verhältnis Steuerpflichtiger bzw. steuerlichen Berater und Finanzverwaltung Rechnung tragen.
Nachdem im August 2015 das Bundesfinanzministerium der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vorgelegt hat, ist das Gesetzgebungsverfahren jetzt durch die Zustimmung des Bundesrats abgeschlossen worden. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt steht kurzfristig an. Aufgrund der Vielzahl der beabsichtigten Änderungen ist dies die bedeutendste Änderung des steuerlichen Verfahrensrechts seit vielen Jahren. Die für Unternehmen hierbei wichtigen Neuerungen werden nachfolgend dargestellt.
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