Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
aa) Allgemein
Tz. 326
Die Regelungen zur Bewertung finanzieller Vermögenswerte finden sich in IAS 39 Financial Instruments: Recognition and Measurement. Für die Bewertung originärer finanzieller Vermögenswerte stellt IAS 39 auf das sog. mixed model ab, das eine Bewertung in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Kategorie vorsieht. Zu unterscheiden ist zwischen einer Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten (at amortised cost) und einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value). Die fair-value-Bewertung erfolgt in Abhängigkeit der Kategorisierung entweder GuV-wirksam oder GuV-neutral über das other comprehensive income. Ist in Ausnahmefällen keine verlässliche Bestimmung (in einer engen Bandbreite) des beizulegenden Zeitwerts möglich, kann – ausschließlich für Eigenkapitalinstrumente – hilfsweise auf eine Bewertung zu Anschaffungskosten (at cost) abgestellt werden.
Tz. 327
Finanzielle Verbindlichkeiten sind regelmäßig zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten, eine freiwillige fair-value-Bewertung ist ebenfalls zulässig. Neben den generellen Bewertungsvorschriften enthält IAS 39 noch besondere Vorgaben für die Bewertung von Derivaten und die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (hedge accounting).
Der IASB hat die Regelungen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten im Rahmen eines umfassenden Projekts zur Ersetzung von IAS 39 überarbeitet. Im Juli 2014 wurde die finale Version von IFRS 9 Financial Instruments veröffentlicht. Eine verpflichtende Anwendung der neuen Regelungen ergibt sich für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2018 beginnen. Für IFRS-Anwender innerhalb der Europäischen Union (EU) ist jedoch eine Übernahme in EU-Recht notwendig (EU-endorsement). Die vorliegende Kommentierung bezieht sich auf IAS 39 in der derzeit innerhalb der EU gültigen Fassung. Eine Übersicht der Vorgaben von IFRS 9 finden sich in Abschnitt ff) (vgl. Tz. 367 ff.).
bb) Zugangsbewertung
Tz. 328
Bewertungsmaßstab für den Zugang finanzieller Vermögenswerte ist gem. IAS 39.43 der fair value, der regelmäßig den Anschaffungskosten entspricht. Besonderheiten ergeben sich innerhalb der IFRS insbesondere für die Behandlung von
- Anschaffungsnebenkosten (Transaktionskosten) (vgl. Tz. 315) und
- Divergenz von Anschaffungskosten und fair value (vgl. Tz. 316).
Tz. 329
Neben den Anschaffungskosten sind ggf. auch Transaktionskosten im Rahmen der Erstbewertung zu berücksichtigen, sofern diese der Transaktion einzeln zurechenbar sind (incremental cost directly attributable to the acquisition). Beispiele für solche Kosten sind u. a.:
- Verkehrs- oder Stempelgebühren
- Gebühren
- Provisionen
- Beraterhonorare
Grundsätzlich sind Transaktionskosten Bestandteil der Anschaffungskosten und aktivierungsfähig. Bei GuV-wirksamer Folgebewertung finanzieller Vermögenswerte sind Transaktionskosten allerdings nicht zu aktivieren, sondern sofort ergebniswirksam innerhalb der GuV zu erfassen.
Tz. 330
Die Verwendung des fair value als Maßstab für die Zugangsbewertung kann an Komplexität gewinnen, wenn die Anschaffungskosten und der fair value auseinanderfallen. Während übliche Erwerbsvorgänge ergebnisneutral abgebildet werden, kann es in einem solchen Fall bei der Einbuchung von Finanzinstrumenten zum Erfolgsausweis in der GuV kommen (day one profit/loss). Die Erfassung einer Ergebnisauswirkung im Zusammenhang mit der Zugangsbewertung eines Finanzinstruments setzt allerdings die Objektivierbarkeit des vom Transaktionspreis abweichenden Zugangswerts durch einen beobachtbaren Marktpreis voraus.
Tz. 331
Der IASB war sich der Komplexität der Wertbestimmung in einzelnen Fällen wohl bewusst und hat daher in IAS 39.AG64 Erleichterungen für die Bestimmung des fair value als Zugangswert aufgenommen. Demnach bestimmt sich der fair value im Zugangszeitpunkt üblicherweise als Transaktionspreis in der Form der hingegebenen Gegenleistung. Diese "Abkürzung" dürfen IFRS-Bilanzierer jedoch dann nicht einschlagen, wenn sich der fair value
- aus beobachtbaren Marktdaten eines gleichen Instruments ableiten lässt oder
- auf einer Bewertungstechnik beruht, die ausschließlich beobachtbare Marktdaten verwendet.
cc) Folgebewertung
Tz. 332
Für die Folgebewertung von Finanzinstrumenten gilt innerhalb von IAS 39 das sogenannte "mixed model", das eine Bewertung in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Kategorie finanzieller Vermögenswerte vorsieht.
Die Kategorisierung finanzieller Vermögenswerte spielt daher eine zentrale Rolle für die Folgebewertung und ist der eigentlichen Bewertung vorangestellt. Die folgenden Kategorien finanzieller Vermögenswerte existieren:
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Kredite und Forderungen |
Fälligkeitswerte |
zur Veräußerung verfügbar |
Handelswerte/freiwillige fair-value-Bewertung |
Originalbezeichnung |
Loans and receivables |
Held to maturity |
Available for sale |
... |