Tz. 105

Diskutiert wird aber, ob auch einzelne Komponenten eines Vermögensgegenstandes abgeschrieben werden können. Das betrifft in erster Linie zusammengesetzte Güter wie Gebäude und Anlagen, die einen einheitlichen Vermögensgegenstand bilden, dessen einzelne Teile aber unterschiedlich lang nutzbar sind. Das IDW hält eine komponentenweise Abschreibung für möglich (Wahlrecht), wenn physisch trennbare Teile eines Vermögensgegenstandes ausgetauscht werden, die im Verhältnis zum ganzen Vermögensgegenstand wesentlich sind. Dieser Vorgang sei erfolgsneutral, weil die Ersatzkomponenten als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten einzubuchen seien.[251] Grund für die Anwendung des Komponentenansatzes ist, dass im Zuge des BilMoG das Wahlrecht zur Bildung von Aufwandsrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB a. F. aufgehoben wurde. Eine Periodisierung dieser Innenverpflichtungen ist seither nicht mehr möglich.

 

Tz. 106

Entgegen vielfach vertretener Auffassung[252] ist dieser Komponentenansatz in der vom IDW vorgeschlagenen Form abzulehnen. Anders als oft behauptet,[253] wollte der Gesetzgeber mit der Aufhebung des § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB a. F. nicht nur eine Annäherung an die IFRS erreichen, sondern Wahlrechte insgesamt verringern, dem Eigenkapitalcharakter von Aufwandsrückstellungen Rechnung tragen und die erforderlichen Aufwendungen periodengerecht erfassen.[254] Die Problematik wurde noch während des Gesetzgebungsverfahrens in der Literatur diskutiert, vom Gesetzgeber aber letztlich nicht nachvollzogen.[255] Zutreffend erscheint es daher, nur im Abschreibungsplan für den Vermögensgegenstand die unterschiedliche Nutzungsdauer der Komponenten angemessen zu berücksichtigen. Das kaufmännische Ermessen beim Abschreibungsplan lässt dies teilweise zu.[256] Darauf läuft, soweit es um Abschreibungen geht, auch der Vorschlag des IDW hinaus. Es geht jedoch nicht an, im Gegenzug Anschaffungs- oder Herstellungskosten unabhängig davon zu aktivieren, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.[257] Regelmäßig werden diese nicht erfüllt sein.[258] Denn die Abschreibung führt nicht zum vollständigen Verzehr des Vermögensgegenstandes (dazu § 255 HGB, vgl. Tz. 678 ff.), sondern eben nur der einzelnen Komponenten. Allein das Interesse an aufwandsglättender Periodisierung rechtfertigt die Gegenansicht nicht.

 

BEISPIEL

Eine Fertigungseinheit mit Anschaffungskosten von 100 besteht aus fünf Komponenten mit dem Wert von jeweils 20. Komponent 1 muss, anders als die übrigen, bereits nach 5 anstelle von 10 Jahren ausgetauscht werden. Dabei wird das Unternehmen 25 aufwenden müssen. Zur Vereinfachung ist davon auszugehen, dass der Anschaffungsvorgang am 01.01. stattgefunden hat; es handelt sich um Werte per 31.12.

Komponentenansatz (nach IDW-Vorgabe):

 
Jahr Wert K 1 Abschreibung K1 Wert K 2–4 Abschreibung K 2–4 Buchwert VG Abschreibung VG gesamt
1 16 4 72 8 88 12
2 12 4 64 8 76 12
3 8 4 56 8 64 12
4 4 4 48 8 52 12
5 0 4 40 8 40 12
6 20 5 32 8 52 13
7 15 5 24 8 39 13
8 10 5 16 8 26 13
9 5 5 8 8 13 13
10 0 5 0 8 0 13

Ohne Komponentenansatz

 
Jahr Wert VG Abschreibung Erhaltungsaufwand
1 90 10 0
2 80 10 0
3 70 10 0
4 60 10 0
5 50 10 0
6 40 10 25
7 30 10 0
8 20 10 0
9 10 10 0
10 0 10 0

Berücksichtigt der Abschreibungsplan die unterschiedliche Nutzungsdauer im Sinne des Komponentenansatzes und lässt er einen erfolgsneutralen Austausch von Komponent 1 zu, ergibt sich eine jährliche Abschreibung von 12 bzw. von 13 (ab Jahr 6). Würde allein auf den Vermögensgegenstand als Ganzes mit einem Abschreibungszeitraum von 10 Jahren abgestellt, ergäbe sich eine jährliche Abschreibung von 10 und zugleich die besondere Belastung durch den Austausch im Jahr 6 von 25. Der Restbuchwert entspricht bei Verwendung des Komponentenansatzes im Jahr 6 demjenigen des Jahres 4. Ohne Komponentenansatz nimmt der Restbuchwert linear ab.

[251] IDW RH HFA 1.016 Tz. 5, WPg Supplement 3/2009; näher Kleindiek, in: GroßKo-HGB, § 253 HGB Rn. 86; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 253 HGB Rn. 98 ff.
[252] Bertram/Heusinger-Lange, in: Bertram u. a., HGB, § 253 HGB Rn. 184 ff.; Husemann, WPg 2010, 507 (512 ff.); Schubert/Andrejewski/Roscher, in: BeckBilKo, § 253 HGB Rn. 278.
[253] IDW RH HFA 1.016 Tz. 2, WPg Supplement 3/2009.
[254] BT-Drucks. 16/10067, 50.
[255] So zu Recht Herzig u. a., WPg 2010, 561 (567).
[256] Insoweit zutreffend Husemann, WPg 2010, 507 (513); Kleindiek, in: GroßKo-HGB, § 253 HGB Rn. 99.
[257] Kleindiek, in: GroßKo-HGB, § 253 HGB Rn. 100.
[258] Herzig u. a., WPg 2010, 561 (567); Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 255 HGB Rn. 166; a. A. Husemann, WPg 2010, 507 (508).

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