Tz. 90

Eine gewichtige Ansicht geht beim unentgeltlichen Erwerb von einem Wahlrecht aus, ob überhaupt aktiviert werden muss.[214] Das gründet sich auf dem alten § 248 Abs. 2 HGB. Unentgeltlicher Erwerb durfte nach dieser Wertung bilanziell unbeachtlich bleiben. Nunmehr stellt das Wahlrecht gem. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB die Ausnahme zur Regel dar, dass alle Vermögensgegenstände zu aktivieren sind (Vollständigkeitsgebot, vgl. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). Auch spielt die Unterscheidung zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Erwerb im Gesetz keine tragende Rolle mehr.[215] Abzulehnen ist die Ansicht, nach der zu fiktiven Anschaffungskosten zu bewerten ist.[216] Denn maßgeblich für den Zugangswert ist stets die Gegenleistung, die nicht vorliegt. Stattdessen ist der erhaltene Vermögensgegenstand mit 1 EUR als Erinnerungsposten anzusetzen. Nur so lassen sich Vollständigkeits- und Äquivalenzprinzip in Einklang bringen, ohne dass eines von beiden vollständig verdrängt wird. Etwas anderes gilt, wenn die unentgeltliche Leistung als Leistung ins Kapital erfolgt ist und dort entsprechend passiviert wird.[217] Maßgeblich ist insoweit die subjektive Zweckbestimmung des Zuwendenden (sogleich unten, vgl. Tz. 92).

[214] ADS, § 255 HGB Rn. 84; Knop/Küting, in: HdR, § 255 HGB Rn. 110; Schubert/Gadek, in: BeckBilKo, § 255 HGB Rn. 100.
[215] Ballwieser, in: MüKo-HGB, § 255 HGB Rn. 46; Ekkenga, in: KK-RechnR, § 255 HGB Rn. 35; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 255 HGB Rn. 5; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 255 HGB Rn. 44.
[216] Dafür aber die wohl h. M., vgl. Ballwieser, in: MüKo-HGB, § 255 HGB Rn. 46; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 255 HGB Rn. 45.
[217] Ekkenga, in: KK-RechnR, § 255 HGB Rn. 35.

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