aa) Grundsatz der Bilanzidentität
Tz. 58
Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz müssen mit den Wertansätzen der Schlussbilanz für das vorangegangene Geschäftsjahr übereinstimmen.[157] Das folgt, anders als nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB,[158] aber nicht aus der Erfolgskonzeption der IFRS, sondern aus dem Gebot der Vergleichbarkeit (vgl. CF.QC20).[159]
Die IFRS enthalten mehrere Durchbrechungen des Grundsatzes der Bilanzidentität. Nach IAS 8.19 und .42 ist die Berichtigung von Fehlern und die Änderung der Bewertungsmethoden grundsätzlich retrospektiv vorzunehmen (vgl. Kapitel 19). Dazu werden die Eröffnungsbilanzwerte erfolgsunwirksam geändert (vgl. IAS 8.22 und 8.42 lit. b)). Und dadurch fallen die Eröffnungsbilanzwerte im Geschäftsjahr, in dem die Änderung oder Fehlerkorrektur vorgenommen wurde, und die Schlussbilanzwerten des vorangegangenen Geschäftsjahrs auseinander. Andere erfolgsunwirksam vorzunehmende Wertanpassungen, die nicht in den Eröffnungs-, sondern in den Schlussbilanzwerten vorgenommen werden, bewirken keine Durchbrechung der Bilanzidentität,[160] weil dann wiederum die Eröffnungsbilanzwerte des folgenden Geschäftsjahrs mit den geänderten Schlussbilanzwerten übereinstimmen müssen. Für die Bilanzierung von Umwandlungsvorgängen enthalten die IFRS keine besondere Regelung über die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz. Aus dem Gebot der Vergleichbarkeit lässt sich aber ein der handelsrechtlichen Bilanzierungspraxis entsprechendes Gebot der Bilanzidentität zwischen der Schlussbilanz des übertragenden und der Eröffnungsbilanz des aufnehmenden Rechtsträgers ableiten.[161]
bb) Unternehmensfortführung und Bilanzierung bei Abkehr vom going concern
Tz. 59
Wie die handelsrechtlichen GoB, setzen die IFRS nach CF.4.1 und IAS 1.25 in den einzelnen Bewertungsvorschriften die Annahme (underlying assumption) der Unternehmensfortführung (going concern) voraus (vgl. Kapitel 4). Deshalb hat das Management bei der Aufstellung des Abschlusses nach IAS 1.25 Satz 1 zuerst eine Fortführungsprognose vorzunehmen. Den Sorgfaltsmaßstab für diese Prognose konkretisiert IAS 1.26. Bei rentablen Unternehmen, deren Liquidität gesichert erscheint, darf nach IAS 1.26 Satz 3 ohne Einzelprüfung von der Fortführung des Unternehmens ausgegangen werden. In allen anderen Fällen ist nach IAS 1.26 Satz 4 eine sorgfältige Prognose unter Berücksichtigung der derzeitigen und künftigen Rentabilität, Schuldentilgungsplänen und potenziellen Refinanzierungsquellen vorzunehmen. Die Prognose ist auf einen Zeitraum von 12 Monaten nach dem Abschlussstichtag zu erstrecken, aber nicht darauf beschränkt (vgl. IAS 1.26 Satz 1).
IAS 10.14 enthält eine Durchbrechung des Stichtagsprinzips für die Fortführungsprognose. Ereignisse nach dem Bilanzstichtag, die eine negative Fortführungsprognose begründen, müssen bis zur Genehmigung der Veröffentlichung des Abschlusses noch berücksichtigt werden. Dazu gehören die Absicht des Managements, das Unternehmen in den ersten zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag aufzugeben, oder Umstände, die eine Unternehmensbeendigung in diesen Zeitraum erzwingen. IAS 10.15 erweitert zeitlich entsprechend die Pflicht zur Durchführung einer Fortführungsprognose. Analog IAS 10.14 sind auch Ereignisse, die eine ursprünglich negative Fortführungsprognose widerlegen können, noch bis zur Genehmigung der Veröffentlichung des Abschlusses zu berücksichtigen.[162]
Eine negative Fortführungsprognose muss bei der Bewertung durchgehend berücksichtigt werden. Die IFRS enthalten für diesen Fall, abgesehen von IFRS 5, keinen eigenen Standard. Das ist auch nicht erforderlich. Die voraussichtliche Beendigung des Unternehmens ist als Sachverhaltselement bei der Wahl der Rechnungslegungsmethoden und der Durchführung der Bewertung zugrunde zu legen. Folgen können sich insbesondere für die Bildung und Bewertung von Rückstellungen und notwendige Wertberichtigungen ergeben.[163]
Tz. 60
Mit der Voraussetzung der positiven Fortführungsprognose öffnet IAS 1.25 bei Abkehr vom going concern sämtliche Standards für Abweichungen.[164] Er schreibt vor, bei negativer Fortführungsprognose von den einzelnen Standards abzuweichen und die stattdessen angewendeten anderen Rechnungslegungsmethoden im Anhang offenzulegen. IAS 1.25 regelt nicht, welche Methoden stattdessen anzuwenden sind. Die Abkehr vom going concern bildet damit einen der seltenen Anwendungsfälle (extremely rare circumstances) der IAS 8.10 und IAS 1.19, die einen Rückgriff auf die im Rahmenkonzept formulierten Rechnungslegungsprinzipien erlaub...
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