aa) Unterjährige Entnahmen/Vorabausschüttungen

 

Tz. 190

Im Aktienrecht sind gem. § 59 AktG Vorabausschüttungen dergestalt möglich, dass sofort nach Geschäftsjahresende mit Blick auf einen voraussichtlichen Bilanzgewinn eine Dividende ausgeschüttet werden darf, sofern ein Jahresüberschuss nach vorläufiger Rechnung zu erwarten ist. Im GmbH-Recht sind neben einer Vorabausschüttung auch unterjährige Entnahmen in noch weiterem Rahmen zulässig.[291] Die ausgeschütteten Mittel sind bei der Aufstellung des Jahresabschlusses nicht mehr vorhanden. Bei der Aufstellung wird für § 268 Abs. 1 HGB vertreten, dass das Wahlrecht von § 268 Abs. 1 Satz 1 HGB deshalb nicht mehr in Betracht kommt (siehe § 268 HGB, vgl. Kapitel 10 Tz. 190). Das ist zutreffend, doch wird dadurch nicht klar, inwieweit der vorab ausgeschüttete Betrag bzw. Gewinn bilanziell noch zu erfassen ist.[292] Ein entsprechender Betrag soll abgesetzt werden.[293] Einerseits kann allein das (Aktiv-)Vermögen am Bilanzstichtag maßgeblich sein.[294] Dann müsste auf der Passivseite der ausgeschüttete Betrag abgesetzt werden, dass der Bilanzleser die Vorabausschüttung und den damit effektiv höheren Jahresgewinn erkennen kann. Andererseits kann der Bilanzgewinn unter Einbeziehung des vorab ausgeschütteten Betrags ausgewiesen und auf der Aktivseite in Entsprechung von § 250 Abs. 1 HGB der vorab bereits ausgeschüttete Gewinn wie eine periodisch vorgezogene Leistung gebucht werden. Letztere Möglichkeit führt zu einer Erhöhung der Bilanzsumme. Nur durch letztere Lösung wird verhindert, dass die Gesellschafter durch Vorabausschüttungen oder unterjährige Entnahmen die Minderung der Bilanzsumme zum Stichtag bewirken.

 

BEISPIEL

Die G-GmbH hat stets einen die Schwelle von § 267 Abs. 1 Nr. 2 HGB überschreitenden Umsatz. Am Ende des Geschäftsjahres 05 hat sie durchschnittlich mehr als 50 Arbeitnehmer; die Bilanzsumme liegt bei 5 Mio. EUR. Im Verlauf des Jahres 02 veräußert sie einen Betriebsteil mit Buchwert von 1 Mio. EUR für 3 Mio. EUR. Am Ende des Geschäftsjahres überschreitet der Umsatz weiterhin die Schwelle von § 267 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl liegt wieder unter 50. Durch die unterjährige Abführung des gesamten Erlöses an die Muttergesellschaft M-GmbH liegt die Bilanzsumme nun bei 4 Mio. EUR. Rechnet man aber die 3 Mio. EUR Erlös hinzu, wären es 7 Mio. EUR und § 267 Abs. 4 Satz 1 HGB wäre erfüllt.

[291] Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 29 GmbHG Rn. 60 f.
[292] Wohl für einen Abzug Knop, in: HdR, § 267 HGB Rn. 8.
[293] ADS, § 268 HGB Rn. 25; dem wohl zustimmend Suchan, in: MüKo-BilR, § 268 HGB Rn. 11.
[294] So sind wohl Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 268 HGB Rn. 8 zu verstehen.

bb) Beteiligungserträge

 

Tz. 191

Erträge aus Beteiligungen sind phasengleich beim Gesellschafter zu aktivieren, wenn bei der Tochtergesellschaft des Jahresabschlusses festgestellt und über die Gewinnausschüttung beschlossen wurde, bevor der Jahresabschluss des Gesellschafters geprüft worden ist.[295] Unabhängig davon, dass der entsprechende Betrag auch für die Bilanzsumme der Tochtergesellschaft einschlägig war, ist der Betrag auch bei der Bilanzsumme des Gesellschafters einzuberechnen. Gesellschafter und Tochtergesellschaft sind aber frei darin, im Rahmen des rechtlich Zulässigen über die jeweiligen Zeitpunkte zu disponieren und bei einer geplanten Ausschüttung die Feststellung des Gewinnverwendungsbeschlusses bei der Tochtergesellschaft auf einen Zeitpunkt nach der Abschlussprüfung bei der Gesellschafterin zu verlegen. Das alles gilt auch, wenn Gewinn gem. § 302 AktG wegen eines Unternehmensvertrags abgeführt wird. Anders verhält es sich beim Verlustausgleich. Weil der (vorab kalkulierte) Verlust des abhängigen Unternehmens bereits zum Stichtag auszugleichen ist,[296] mindert sich um diesen Betrag die Bilanzsumme des herrschenden Unternehmens.

cc) Verdeckte Gewinnausschüttungen

 

Tz. 192

Besondere Vorsicht ist bei verdeckten Vermögensverlagerungen geboten. Im GmbH-Recht können sie nicht nur gegen das Prinzip der Kapitalerhaltung,[297] sondern (insbesondere in der mehrgliedrigen GmbH) auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der Treuepflicht oder der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung verstoßen.[298] Rückzahlungsansprüche können sich daher nicht nur aus § 31 GmbHG, sondern auch bei Beachtung von § 30 GmbHG aus § 812 BGB ergeben.[299] Auf letztere Ansprüche kann die Gesellschaft wiederum verzichten, soweit im Zeitpunkt des Verzichts keine Unterbilanz besteht oder dadurch entsteht. Zu beachten ist jedoch, dass diese Ansprüche (bis zum Verzicht auf diese) erst einmal entstanden sind, daher aktiviert werden müssen und deshalb die Bilanzsumme erhöhen. Im Aktienrecht sind verdeckte Gewinnausschüttungen grundsätzlich unzulässig, weil Aktionäre gem. § 57 Abs. 3 AktG ausschließlich Anspruch auf den Bilanzgewinn haben.[300] Der Erstattungsanspruch aus § 62 AktG ist daher immer zu aktivieren und erhöht die Bilanzsumme. Handelt es sich um eine faktisch abh...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge