Tz. 116

Die DPR prüft, ob Bilanzierungsfehler vorliegen. Maßstab sind dabei die jeweils anwendbaren Bilanzierungsvorschriften, gleich ob HGB (samt GoB) oder IFRS. Entgegen zahlreich vertretener Meinung[237] gehören Satzungsbestimmungen nicht zum Prüfprogramm der DPR. Das ergibt sich aus dem Zweck der Prüfstelle, im Interesse besserer Vermittlung kapitalmarktrelevanter Informationen die Einhaltung von Rechnungslegungsregeln zu prüfen.[238] Gesellschaftsbinnenrecht ist für den Kapitalmarkt zwar von Interesse, jedoch nicht über den Jahresabschluss zu vermitteln. In systematischer Auslegung spricht gegen die Einbeziehung von Satzungsregelungen, dass § 317 Abs.  1 HGB diese für die Abschlussprüfung ausdrücklich nennt, § 342b Abs.  2 HGB aber nicht für die Prüfung durch die DPR.

Unklar ist, ob dabei der subjektive Fehlerbegriff (vgl. Tz. 21 für HGB, vgl. Tz.  77 für IFRS) zugrunde zu legen ist, es also darauf ankommt, ob der Fehler erkennbar war. Diese Frage wird – soweit ersichtlich – kaum angesprochen. Sofern man mit der ganz h. M. einen Bilanzierungsfehler nur dann als gegeben ansieht, wenn erkennbar war, dass anders hätte bilanziert werden müssen, wäre es nur konsequent, nichts anderes im Falle der Prüfung durch die DPR anzunehmen. Allerdings hat die Prüfung durch die DPR vor allem die Funktion, eine einheitliche Rechnungslegung zu gewährleisten und so das Vertrauen in die Unternehmenspublizität zu stärken. Deshalb spricht viel dafür, dass die DPR prüft, ob objektiv ein Verstoß gegen Bilanzierungsvorschriften vorliegt.[239] Anders ließe sich der Zweck, für eine einheitliche und zutreffende Unternehmensdarstellung am Kapitalmarkt zu sorgen, nicht erreichen. Im Gegenzug ist der Prüfungsumfang allerdings dadurch eingeschränkt, dass nur Anlassbezogen geprüft werden darf.[240] Zugleich schützt der objektive Maßstab sogar die Ressourcen der Prüfstelle, denn sie muss sich nicht mit der Frage der Erkennbarkeit eines Verstoßes für den Kaufmann auseinandersetzen.

 

Tz. 117

Soweit Regeln des HGB oder die IFRS Ermessens- und Beurteilungsspielräume enthalten, ist eine objektive Kontrolle nur hinsichtlich der jeweiligen Grenzen des Ermessens oder der Spielräume möglich. Das gilt zumindest für das Treffen von Annahmen und Schätzungen. Diese sind vor allem im Rahmen der Lageberichterstattung erforderlich, der zahlreiche Prognosen enthält. Aber auch die Bewertungsvorschriften des HGB erfordern Einschätzungen des Kaufmanns, etwa dann, wenn von "vernünftiger kaufmännischer Beurteilung" die Rede ist.[241] Ob allerdings auch ein Spielraum besteht, Rechtsnormen auszulegen, erscheint wiederum unklar. Mit der hier vertretenen Ansicht, dass die DPR einen objektiven Maßstab anzulegen hat, um eine einheitliche Anwendung der Rechnungslegungsregeln zu erreichen, spricht mehr dagegen als dafür. Soll das Vertrauen in den Informationsgehalt der Rechnungslegung gestärkt werden, ist eine divergierende Anwendung desselben Rechtssatzes auf denselben Sachverhalt kontraproduktiv. Der subjektive Fehlerbegriff, den die h. M. auch auf Rechtsfragen anwendet, ist deshalb von der DPR nicht zugrunde zu legen.[242] Das bedeutet zugleich, dass die DPR im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der geprüften Unterlagen zu einem anderen Ergebnis kommen kann als der Abschlussprüfer.

 

Tz. 118

Eine Einschränkung des Prüfungsumfanges kann sich aus dem Wesentlichkeitsgrundsatz ergeben.[243] Auch insoweit lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen, dass der Grundsatz der Wesentlichkeit den Prüfungsmaßstab determinieren soll. Der Zweck der Prüfstelle, für eine einheitliche und korrekte Bilanzberichterstattung an die Kapitalmarktteilnehmer zu sorgen erlaubt es aber, den Grundsatz der Wesentlichkeit in den Prüfungsmaßstab der DPR aufzunehmen. Ob dieser Grundsatz der Wesentlichkeit inhaltlich deckungsgleich ist mit dem Wesentlichkeitsbegriff, wie er schon der Bilanzierung an sich (vgl. Kapitel 5 Tz. 20 ff. und vgl. Kapitel 6 Tz. 51) und dem Prüfungsmaßstab der Abschlussprüfung zugrunde liegt, ist nicht geklärt.[244] Damit sind letztlich keine Nachteile verbunden, weil eine greifbare Definition der Wesentlichkeit auch für Bilanzierung und Abschlussprüfung noch nicht gelungen ist (vgl. Tz. 46). Gerichtlich geklärt ist insoweit für den Prüfungsmaßstab der DPR, dass es darauf ankommt, "ob Verstöße aus der Sicht der Anleger und der sonstigen am Kapitalmarkt tätigen Institutionen relevant sind, insbesondere also ob sie die Darstellung der Geschäftsentwicklung sowie die daraus ableitbaren Einschätzungen der künftigen Entwicklung des Konzerns oder Unternehmens beeinflussen können".[245] Unterschieden wird nach qualitativen und quantitativen Aspekten. Ein wesentlicher Fehler kann demnach entweder daraus resultieren, dass die Art der Information für den Kapitalmarkt wesentlich ist, oder aus den betragsmäßigen Auswirkungen von Unregelmäßigkeiten bezogen auf den jeweiligen Bilanzposten. Wesentlichkeit kann sich dabei auch aus der Summe kleinerer Fehler in ihrem Zusammenspiel ergeb...

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