Tz. 110

§ 321a Abs. 1 HGB erlaubt die Offenlegung des Prüfungsberichts in besonderen Fällen ungeachtet der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht des Abschlussprüfers (§ 323 Abs. 1 Satz 1 HGB). Bei Unternehmensschieflagen kommt es im Nachhinein leicht zu sonst kaum zu entkräftende Vermutungen oder Vorwürfen wegen mangelhafter Prüfung oder Berichterstattung, etwa wie der Abschlussprüfer zum Lagebericht der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft (insbesondere Fortbestand und künftige Entwicklung des Unternehmens, § 321 Abs. 1 Satz 2 HGB) Stellung genommen hat oder ob er seiner Rede- und Warnpflicht (vgl. § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB) nachgekommen ist. § 321a HGB schützt somit das Vertrauen in die Abschlussprüfung durch zusätzliche Publizität gerade in kritischen Fällen und stärkt insbesondere § 321 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB. Der einzelne Abschlussprüfer ist mitgeschützt (arg. e Abs. 2 Satz 2). Die Offenlegung nach Abs. 1 Satz 1 kommt nur für Gesellschaften, die der Pflichtprüfung unterliegen (vgl. § 316 HGB), in Betracht und setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 27, 30 InsO) oder aber die Abweisung der Verfahrenseröffnung mangels Masse (§ 26 InsO, auch § 207 InsO) voraus. Einsichtsberechtigt sind sowohl Gläubiger als auch Gesellschafter, die typischerweise ein Interesse an den Ursachen der Insolvenz haben, das jedoch nicht besonders nachgewiesen werden muss. Diese Personen (nicht hingegen sonstige, die Prüfungsberichte in Händen halten, etwa die Bank, das Finanzamt oder ehemalige Organmitglieder) können selbst oder durch einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (nach § 319 Abs. 1 Satz 2 HGB auch einen vereidigten Buchprüfer bzw. eine Buchprüfungsgesellschaft) ihrer Wahl Einsicht in die Prüfungsberichte (nebst Anlagen) des Abschlussprüfers der letzten drei Jahre nehmen, nicht hingegen in die Hand- und Belegexemplare des Prüfers, in Arbeitspapiere oder in Managementletter. Das gilt aber nur bei der gesetzlichen Prüfung des Jahresabschlusses, nicht hingegen bei der nur freiwilligen Prüfung,[115] und nur für die nach § 321 HGB geforderten Berichtsteile, also nicht für branchen- und rechtsformspezifische Berichtsteile wie etwa nach § 29 Abs. 4 KWG i. V. m. der PrüfungsberichtsVO). Die Einsichtnahme kann nur am Sitz des Anspruchsgegners und auf Kosten des Anspruchsstellers genommen erfolgen.[116] Anspruchsgegner ist, wer die Prüfungsberichte in seinem Besitz hat (Abs. 1 Satz 2). Dies ist im Fall der Insolvenz i. d. R. der Insolvenzverwalter, denn der Prüfungsbericht gehört zu den Geschäftsbüchern des Schuldners, § 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO.

[115] Schmidt/Poullie, in: BeckBilKo, § 321a HGB Rn. 9.
[116] Schüppen, in: Heidel/Schall, HGB, § 321a HGB Rn. 16.

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