Tz. 75

Im Rahmen der Chancen- und Risikoberichterstattung fordert § 289 Abs.  1 Satz 4 HGB, die wesentlichen Chancen und Risiken aus der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens zu beurteilen und zu erläutern. Diese Angabe trägt der Unsicherheit Rechnung, die jedem unternehmerischen Handeln innewohnt. Dem Adressaten soll so eine Einschätzung der Faktoren ermöglicht werden, die positiv oder negativ auf die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens einwirken können. Auch diese Art der prospektiven Berichterstattung wird kontrovers beurteilt, da sie zum einen dem Adressaten wichtige Informationen für seine Entscheidungsfindung liefert, aus Erstellersicht aber auch oft i. S. einer Preisgabe sensibler Informationen verstanden wird oder – im Falle der Berichterstattung über bestandsgefährdende Risiken – mit der Furcht vor einer self fulfilling prophecy verbunden ist.[63]

 

Tz. 76

Der Gesetzgeber definiert die Begriffe Risiko oder Chance nicht. Nach h. M. ist ein Risiko als der mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu erwartende künftige Eintritt ungünstiger Entwicklungen zu verstehen und damit eng auszulegen.[64] Art. 1 Abs.  14 der EU-Modernisierungs-RL (2003/51/EG) sowie Art. 19 Abs.  1 der überarbeiteten EU-Bilanz-RL (2013/34/EU) sprechen in diesem Kontext wörtlich von "Risiken und Ungewissheiten". Auch für den deutschen Lagebericht ist daher ein Risikobegriff zu unterstellen, der Unsicherheiten einbezieht. Der Chancenbegriff ist spiegelbildlich zu dem des Risikos zu verstehen. Das DRSC definiert Chancen und Risiken als mögliche künftige Entwicklungen oder Ereignisse, die zu einer für das Unternehmen positiven (Chancen) oder negativen (Risiken) Prognose- bzw. Zielabweichung führen können (DRS 20.11). Mit dieser Definition hebt das DRSC den Zusammenhang zwischen der künftigen Entwicklung des Unternehmens und ihren Chancen und Risiken noch einmal hervor und knüpft die Möglichkeit der Abweichung an einen Bezugspunkt – nämlich die vorliegenden Angaben zu Prognosen oder ggf. Zielen.

 

Tz. 77

Art und Umfang der berichtspflichtigen Chancen und Risiken werden durch § 289 Abs.  1 Satz 4 HGB dahingehend eingeschränkt, dass es sich – vor allem auch i. S. d. Klarheit und Übersichtlichkeit – um wesentliche Chancen und Risiken handeln muss. Als wesentlich sind Chancen und Risiken zu verstehen, die geeignet sind, die Entscheidungen des Adressaten zu beeinflussen (DRS 20.146). Dabei ist es unerheblich, ob die Chancen und Risiken aus der spezifischen Unternehmenstätigkeit (intern) oder dem Unternehmensumfeld (extern) resultieren. Über das allgemeine Unternehmerrisiko ist hingegen nicht zu berichten, dieses ist jedweder unternehmerischen Tätigkeit immanent.[65]

 

Tz. 78

Die Beurteilung, welche Chancen und Risiken der Berichtspflicht unterliegen, obliegt der Unternehmensleitung. Dabei ist ein angemessener Zeitraum zugrunde zu legen, der mindestens dem für die Prognoseberichterstattung verwendeten Prognosehorizont zu entsprechen hat. Die Beurteilung hat grundsätzlich auf den Abschlussstichtag hin zu erfolgen (DRS 20.155 f.).

 

Tz. 79

Eine besondere Bedeutung für die Berichterstattung haben bestandsgefährdende Risiken . Sie sind immer als wesentlich und damit als berichtspflichtig zu qualifizieren. Dabei sind alle Faktoren, die den Fortbestand des Unternehmens bedrohen, darzustellen. Zudem hat die Bestandsgefährdung eindeutig aus den Ausführungen hervorzugehen (DRS 20.148).

 

Tz. 80

Nach § 289 Abs.  1 Satz 4 HGB sind die einzelnen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern. Dies erfordert regelmäßig das Aufzeigen kausaler Zusammenhänge. Zu berichten ist über Risikoursachen sowie ihre Auswirkungen auf die künftige Entwicklung des Unternehmens. Außerdem muss aus der Berichterstattung hervorgehen, welche Bedeutung die jeweiligen Risiken für das Unternehmen haben (DRS 20.149 f.).

 

Tz. 81

Eine Erläuterung und Beurteilung der wesentlichen Chancen und Risiken der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens erfordert i. d. R. lediglich verbale Angaben. Dem Management Approach folgend ist eine Quantifizierung von Risiken nach DRS 20.152 indes dann angezeigt, wenn diese auch im Rahmen der internen Steuerung stattfindet und die Daten für den Adressaten wesentlich sind. Allerdings können diese Daten stärker aggregiert werden, als dies intern zur Steuerung geschieht. Die zur Quantifizierung verwendeten Modelle (inkl. Annahmen) sind darzustellen und zu erläutern. Auf eine Quantifizierung kann verzichtet werden, wenn die Angaben die Position des Unternehmens ernsthaft beeinträchtigen würden (z. B. in einem Rechtsstreit, DRS 20.154).

 

Tz. 82

Über Chancen und Risiken ist ausgewogen zu berichten. Eine Saldierung von Chancen und Risiken ist grundsätzlich unzulässig, auch wenn erhebliche Kompensationseffekte bestehen können.[66] Allerdings erlaubt DRS 20 eine Nettobetrachtung, wonach nur Restrisiken nach Umsetzung geeigneter Maßnahmen zu Risikobegrenzung zu berichten sind. Im Rahmen eines Wahlrechts kann auch die Bruttodarstellung gewählt werden.

 

BEIS...

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