I. Grundlagen

 

Tz. 238

Die Offenlegung von Jahres- und Konzernabschlüssen stellt eine ganz wesentliche Flankierung und Erweiterung der Rechnungslegungspflicht dar. Allerdings ist hier in dreifacher Hinsicht zu differenzieren: Erstens trifft die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses keinesfalls alle Kaufleute. Vielmehr unterscheidet der Gesetzgeber jene Kaufleute, die aufgrund ihrer Unternehmensstruktur bzw. -größe zur Offenlegung verpflichtet sind, und solche, die mangels Struktur bzw. Größe eine solche Pflicht eben nicht trifft. Zweitens wird innerhalb des Kreises der publizitätspflichtigen Unternehmen nach Art, Inhalt und Umfang der Offenlegung abgestuft. Und drittens ist die Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses eingefügt in ein vielgestaltiges Geflecht von Offenlegungs- und Berichtspflichten. Unter diesen Berichtspflichten gehört die Rechnungslegungspublizität zu den historisch ältesten Offenlegungspflichten.

 

Tz. 239

Von ökonomischer wie juristischer Seite wurde lange Zeit die Rechtfertigung der Publizitätspflichten darin gesehen, dass sie einen Ausgleich zu der von der Rechtsordnung vorgesehenen Möglichkeit darstellen, die Haftung des Kaufmanns im Geschäfts- und Rechtsverkehr durch die Wahl entsprechender Unternehmensträgerformen zu beschränken (Publizität als Korrelat der Haftungsbeschränkung).[318] Indessen hat die Entwicklung der Publizitätspflichten in den vergangenen Jahrzehnten und insbesondere die weitere Ausformung und Differenzierung der unterschiedlichen Offenlegungspflichten gezeigt, dass dieser Begründungsansatz zu kurz greift.[319] Als Beispiel genannt sei die Pflicht zur Offenlegung nach dem Publizitätsgesetz, die ausschließlich auf die Unternehmensgröße abstellt und haftungsbeschränkte ebenso wie nicht haftungsbeschränkte Unternehmensträger trifft. Nimmt man sämtliche Erscheinungsformen der Unternehmenspublizität innerhalb und außerhalb des Bereichs der Rechnungslegung zusammen, so wird erkennbar, dass Unternehmens­publizität überzeugend nur als Korrelat der Marktteilnahme verstanden werden kann.[320] Wer am Markt als Kaufmann bzw. als Unternehmen partizipieren will, muss gewisse unternehmensbezogene Daten offenlegen. Das beginnt beim Handelsregister und der Firma, führt über die Rechnungslegung des unverbundenen und des konzernierten Unternehmens, weiter über die spezifischen Anforderungen für bestimmte Branchen sowie für börsen- bzw. kapitalmarktnotierte Unternehmen und deren unterjährige Offenlegung bis hin zur Ad hoc-Publizität.

[318] Buschmeyer, Publizität als Korrelat der Haftungsbeschränkung, Köln 1993; Watrin, Internationale Rechnungslegung und Regulierungstheorie, Wiesbaden 2001, 94 ff. jeweils m.w.N.
[319] Ebenso Zetzsche, in: KK-RechnR, Vor § 325 HGB Rn. 3.
[320] Merkt, Unternehmenspublizität, 269 ff. und passim; ihm folgend die Regierungskommission Corporate Governance, siehe Baums, Bericht der Regierunskommission Corporate Governance, Köln 2001, 264; ebenso Zetzsche, in: KK-RechnR, § 325 HGB Rn. 1 ff.

II. System der Unternehmenspublizität

1. Register- und Firmenpublizität

 

Tz. 240

Systematisch wie historisch stehen am Anfang des Gesamtsystems der Unternehmenspublizität die Publizität des Handelsregisters (§ 15 HGB) sowie die Firmenpublizität (§§ 17 ff. HGB). Beide Publizitätspflichte gelten grundsätzlich für alle Kaufleute ungeachtet der Rechtsform des Unternehmensträgers.

 

Tz. 241

Das Handelsregister wird seit der Reform durch das EHUG im Jahre 2007[321] vollständig elektronisch geführt. Sowohl die Übermittlung und Einreichung der Anmeldungen zur Eintragung als auch die Erteilung von Auskünften über den Inhalt der Eintragungen und der hinterlegten Dokumente ist ausschließlich in elektronischer Form vorgesehen. Die rechtlichen und technischen Grundlagen sind geregelt in §§ 812 HGB und in der Handelsregisterverordnung (HRV). Es enthält unter anderem Angaben zur Firma des Kaufmanns, zum Sitz, zum Gegenstand des Unternehmens, zu den vertretungsberechtigten Personen (Vorstand, Geschäftsführer, Prokuristen, Inhaber, persönlich haftende Gesellschafter), zur Rechtsform des Unternehmens, zu Grund- oder Stammkapital, ggf. zu Kommanditisten bzw. Gesellschaftern sowie zu sonstigen Rechtsverhältnissen (z. B. Umwandlungen, Insolvenzverfahren, Auflösung).

 

Tz. 242

Ebenfalls mit der Reform des EHUG im Jahre 2007 wurde in Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben das elektronische Unternehmensregister geschaffen, das als amtlich bestelltes System für die zentrale Speicherung vorgeschriebener Informationen unter anderem den Inhalt des Handelsregisters enthält. Neben dem Handelsregister umfasst das Unternehmensregister Eintragungen im Genossenschafts- und im Partnerschaftsregister, Unterlagen der Rechnungslegung nach §§ 325 ff. HGB, soweit sie bekannt gemacht wurden, gesellschaftsrechtliche Bekanntmachungen im Bundesanzeiger sowie eine ganze Reihe weiterer gesetzlich vorgeschriebener Veröffentlichungen von Unternehmen nach dem WpHG, dem WpÜG, weiteren kapitalmarktrechtlichen Gesetzen sowie der InsO (§ 8b HGB).

[321] Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsreg...

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