Rn. 22

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Die aus § 323 verpflichteten Personen (vgl. HdR-E, HGB § 323, Rn. 3) müssen nicht nur gegenüber Dritten die Verschwiegenheit wahren. Ihnen ist darüber hinaus die unbefugte Verwertung der während der Prüfung erfahrenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu eigenen wie auch zu fremden Zwecken untersagt. Das Verwertungsverbot betrifft im Unterschied zur Verschwiegenheitspflicht nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Verschwiegenheit kann das UN dagegen für sämtliche Umstände und Tatsachen beanspruchen, die nach dessen kundgegebenem oder mutmaßlichem Willen Dritten nicht mitgeteilt werden sollen (vgl. HdR-E, HGB § 323, Rn. 18f.). Ein Verstoß gegen das Verwertungsverbot setzt nicht die unzulässige Weitergabe von Informationen an Dritte voraus. Ein Bruch der Verschwiegenheitspflicht und ein Verstoß gegen das Verwertungsverbot liegen also nicht zwangsläufig gleichzeitig vor (vgl. ADS (2000), § 323, Rn. 65). Genauso wie die Verschwiegenheitspflicht gilt das Verwertungsverbot grds. ohne zeitliche Beschränkungen.

 

Rn. 23

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Das sog. Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) vom 18.04.2019 (BGBl. I 2019, S. 466ff.) sieht keine begriffliche Differenzierung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen mehr vor, die im alten § 17 UWG (a. F.) grundgelegt war. In § 2 GeschGehG wird das Geschäftsgeheimnis als neuer Überbegriff als eine „Information [definiert, d.Verf.]

  1. die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und
  2. die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
  3. bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht”

(vgl. überdies Köhler/Bornkamm (2023), § 2 GeschGehG, Rn. 21ff.). Unter den neuen Oberbegriff fallen gleichermaßen Geheimnisse der betrieblichen Sphäre, wie exklusives Know-how, technische Verfahrensweisen, Geschmacksmuster etc., sowie Geschäftsgeheimnisse i. e. S., also interne Informationen über das UN selbst, so bspw. dessen finanzielle Aussichten, Kalkulationsgrundlagen, geplante Absatzstrategien und schwebende Geschäfte (vgl. zu weiteren Beispielen ebenso wie zum Vergleich der alten mit der neuen Rechtslage auch Köhler/Bornkamm (2023), § 2 GeschGehG, Rn. 15ff.).

 

Rn. 24

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Berufsrechtlich ist das Verbot der Verwertung von Berufsgeheimnissen in § 11 BS WP/vBP kodifiziert. Hier werden ausdrücklich auch dem AP i. R.d. Prüfung bekannt gewordene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Dritter (z. B. Schuldner, Gläubiger) in den Schutzbereich des Verwertungsverbots einbezogen. § 323 schützt dagegen nur das geprüfte UN selbst sowie mit ihm verbundene UN. Die Verwertung von Geheimnissen Dritter bedeutet somit einen Verstoß gegen Berufsrecht, ist aber i. R.d. handelsrechtlichen Prüfungsvorschriften weder zivil- noch strafrechtlich (vgl. § 333 Abs. 2 Satz 2; HdR-E, HGB § 323, Rn. 49) sanktioniert (vgl. ADS (2000), § 323, Rn. 69).

 

Rn. 25

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Verwertung ist jede Form der wirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Veräußerung(en) an Dritte, Verwendung als Entscheidungsgrundlage bei Finanzanlagen und sonstigen Vermögensdispositionen, bei Investitionen sowie bei der Gestaltung der Preis- und Absatzstrategie. Die Verwertung muss nicht im Interesse des AP erfolgen. Praktisch am bedeutsamsten wird die Nutzung von Insidertatsachen durch Finanzgeschäfte sein, die allerdings – ebenso wie Marktmanipulationen und der Versuch hierzu (vgl. Art. 15 MMVO (EU) Nr. 596/2014 (ABl. EU, L 173/1ff. vom 12.06.2014)) – schon nach Art. 14 MMVO sanktioniert ist. Dieses Verbot zur Vornahme von Insidergeschäften (und Marktmanipulationen) ist vom AP einer börsennotierten Gesellschaft neben § 323 zu beachten. Jenes Verwertungsverbot hat allerdings einen engeren Anwendungsbereich, denn es umfasst nicht sämtliche Geheimnisse, sondern lediglich kursbeeinflussende Tatsachen. Ein Verstoß gegen Art. 14f. MMVO implizierte damit auch stets einen Verstoß gegen § 323.

 

Rn. 26

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Ein drohender Schaden für das geprüfte UN ist keine notwendige Bedingung für eine unbefugte Verwertung (vgl. ADS (2000), § 323, Rn. 73). Von einer unbefugten Verwertung wird regelmäßig auszugehen sein, wenn eine ausdrückliche Genehmigung des geprüften UN zur Verwertung der Information nicht vorliegt. Besteht eine Genehmigung der Verwertung durch das geschützte UN, ist die zivilrechtliche Haftung nach § 323 ausgeschlossen. Im Kontext der Art. 14f. MMVO löst die Vornahme von Insidergeschäften ebenso wie Marktmanipulationen stets, also auch bei Vorliegen einer Einwilligung des betroffenen UN, entsprechende Sanktionierungen aus; schließlich dienen jene Vorgaben zur Insiderüberwachung dem Schutz eines ordnungsgemäßen Funktionierens der in Art. 2 Abs. 1 MMVO genannten Kap.-...

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