Rn. 775

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Konzeption der Steuerabgrenzung des § 274 basiert auf dem international üblichen bilanzorientierten Temporary-Konzept, das auch den Regelungen des IAS 12 (Income Taxes) zugrunde liegt. Der Titel dieses Standards macht deutlich, dass es um die Abbildung von Ertragsteuern im IFRS-Abschluss geht, nicht nur um die Bilanzierung von latenten Steuern. Ergänzt werden die Regelungen des IAS 12 durch zwei Interpretationen, namentlich um

  • IFRIC 23 (Uncertainty over Income Tax Treatments) und
  • SIC-25 (Income Taxes – Changes in the Tax Status of an Enterprise or its Shareholders).
 

Rn. 776

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Trotz konzeptionell identischer Grundlagen von § 274 und IAS 12 weisen die für einen IFRS-Abschluss einschlägigen Einzelregelungen nicht unerhebliche Divergenzen gegenüber den Regelungen des § 274 auf:

(1) Aktive latente Steuern auf temporäre Differenzen sind in einem IFRS-Abschluss vollständig anzusetzen (vgl. IAS 12.24). Die Möglichkeit einer nach HGB zulässigen, optionalen Bilanzierung i. R.d. Gesamtdifferenzbetrachtung besteht nach IFRS nicht (vgl. zu den Ausnahmen vom Gebot des vollständigen Ansatzes latenter Steuern Punkt (3)).
(2) Für steuerliche Verlustvorträge sind zwingend aktive latente Steuern zu bilden, soweit die Nutzung der damit verbundenen Steuervorteile wahrscheinlich ist. Eine Begrenzung auf einen bestimmten UN- und Steuerplanungszeitraum (z. B. fünf Jahre) existiert hingegen nicht.
(3)

Das Gebot, aktive und passive latente Steuern vollständig anzusetzen, wird durch folgende Ausnahmeregelungen durchbrochen:

  • Auf temporäre Differenzen i. V. m. Anteilen an TU, Zweigniederlassungen und assoziierten UN sowie Anteilen an gemeinsamen Vereinbarungen sind aktive latente Steuern nur anzusetzen, wenn es wahrscheinlich ist, dass sich abzugsfähige temporäre Differenzen in absehbarer Zeit umkehren und ein ausreichend zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung stehen wird, gegen das die temporären Differenzen verwendet werden können (vgl. IAS 12.44). Begründen diese Sachverhalte zu versteuernde temporäre Differenzen, sind passive latente Steuern nicht anzusetzen, wenn der Anteilseigner in der Lage ist, den zeitlichen Verlauf der Umkehrung der zu versteuernden temporären Differenz zu steuern und es wahrscheinlich ist, dass sich die temporären Differenzen in absehbarer Zeit nicht umkehren werden (vgl. IAS 12.39).
  • Ergibt sich eine abzugsfähige temporäre Differenz aus dem erstmaligen Ansatz eines Vermögenswerts oder einer Schuld, erfolgt der Erwerb nicht i. R.e. UN-Zusammenschlusses i. S. v. IFRS 3 und wird im Erwerbszeitpunkt weder das IFRS- noch das steuerliche Ergebnis berührt, hat der Ansatz einer aktiven latenten Steuer zu unterbleiben (vgl. IAS 12.24). Eine passive latente Steuer ist gleichermaßen nicht anzusetzen (vgl. IAS 12.15(b)). Diese Ausnahmen finden indes keine Anwendung (Rückausnahme), sofern im Zeitpunkt des Zugangs eines Vermögenswerts (z. B. Recht zur Nutzung eines Leasinggegenstands) und einer korrespondierenden Schuld (z. B. Leasingverbindlichkeit) eine zu versteuernde und eine abzugsfähige temporäre Differenz in gleicher Höhe entsteht (vgl. IAS 12.22A).
  • Resultiert aus einem UN-Erwerb (UN-Zusammenschluss nach IFRS 3) ein GoF im IFRS-Abschluss und ergibt sich eine zu versteuernde temporäre Differenz, ist der Ansatz einer passiven latenten Steuer ausgeschlossen (IAS 12.15(a)).
(4) Aktive und passive latente Steuern sind grds. unsaldiert auszuweisen. Eine Saldierung ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des IAS 12.74f. erfüllt sind. In einem IFRS-KA kommt eine Saldierung damit allenfalls auf Ebene der jeweiligen Konzerngesellschaft und innerhalb von Taxgroups (respektive ertragsteuerlichen Organschaften) in Frage, nicht hingegen auf der Ebene des Gesamtkonzerns.
(5) Im IFRS-Abschluss werden Aufwendungen und Erträge bestimmter Sachverhalte vorübergehend oder dauerhaft erfolgsneutral im EK erfasst. Sofern sich temporäre Differenzen ergeben, sind diese korrespondierend zur erfolgsneutralen Erfassung des Sachverhalts ebenfalls erfolgsneutral einzubuchen (vgl. IAS 12.61A).
(6) Unsichere Steuerpositionen in Form von erwarteten Steuermehrzahlungen sind bilanziell als laufende Ertragsteuerrückstellung(en) zu erfassen, wenn es wahrscheinlich (Wahrscheinlichkeit > 50 %) ist, dass die vom bilanzierenden UN vorgenommene Einschätzung über die Höhe der geschuldeten Steuern in einem noch nicht abgeschlossenen Betriebsprüfungsverfahren (und ggf. anschließenden FG-Verfahren) nicht bestätigt wird. Korrespondierende Anpassungen von Steuer-(bilanz-)werten sowie damit einhergehende Veränderungen von temporären Differenzen sind in Form von gegenläufigen latenten Steuern Rechnung zu tragen. Erwartete Steuererstattungen sind als laufende Ertragsteuerforderung(en) zu erfassen, sofern eine (Rück-)Zahlung wahrscheinlich (Wahrscheinlichkeit > 50 %) ist. Dies ist bspw. gegeben, wenn nach einer abgeschlossenen Betriebsprüfung ein Änderungsbescheid ergangen ist, das UN (ohne Beantragung der Au...

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