Rn. 58

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

In der Bilanz sind die VG, die Schulden, das EK sowie bestimmte Abgrenzungsposten und in der GuV die Erträge und Aufwendungen der abgelaufenen Periode des UN abzubilden. Buchführung und JA sind somit ein Abbildungsmodell des wirtschaftlichen Geschehens im UN. Eine aussagefähige Abbildung des wirtschaftlichen Geschehens muss den grundlegenden Anforderungen jeder Informationsvermittlung genügen. Die Rahmengrundsätze legen solche Anforderungen fest. Sie sind z. T. in den §§ 239 Abs. 2, 243 Abs. 2, 246 und 252 Abs. 1 kodifiziert. Die Rahmengrundsätze dienen der Rechenschaft, der Dokumentation und der Kap.-Erhaltung. Sie umfassen

  • den Grundsatz der Richtigkeit, den Grundsatz der Objektivität und den Grundsatz der Willkürfreiheit,
  • den Grundsatz der Vergleichbarkeit und den Grundsatz der Stetigkeit,
  • den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit,
  • den Grundsatz der Vollständigkeit, das BilSt- und das Periodisierungsprinzip sowie
  • den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit.
 

Rn. 59

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Der wichtigste Rahmengrundsatz, den es einzuhalten gilt, ist die Forderung nach Richtigkeit von Buchführung und JA. Für die Buchführung ergibt sich der Grundsatz der Richtigkeit aus § 239 Abs. 2, wonach die Eintragungen in den Büchern und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet sein müssen. Für den JA ist der Grundsatz der Richtigkeit zwar nicht explizit kodifiziert, er kann aber deduktiv aus den JA-Zwecken hergeleitet werden: Würde der JA die wirtschaftliche Lage "unrichtig" darstellen, würde dies dem Rechenschaftszweck zuwiderlaufen, da es dem Kaufmann selbst oder einem externen Adressaten nicht möglich wäre, ein (sinnvolles) Urteil über das verwaltete Vermögen und die damit generierten Erfolge zu bilden. Zudem könnte auf Basis solcher Informationen auch der Erhalt des Nominalkap. nicht gewährleistet werden (vgl. Solmecke (2009), S. 124).

Richtigkeit ist aber nicht i. S. v. "absoluter Richtigkeit" oder "Wahrheit" zu verstehen. Es können mit dem handelsrechtlichen JA weder absolut richtige (wahre) Einzelwerte noch die absolut richtige (wahre) Bilanz noch der absolut richtige (wahre) Periodenerfolg ermittelt werden. Diese können nur relativ richtig sein, indem sie sowohl den kodifizierten als auch den nicht kodifizierten (aber allg. anerkannten) GoB, also der Gesamtheit der GoB, und den anderen handelsrechtlichen RL-Vorschriften entsprechen, die bei der Abbildung der realen ökonomischen Sachverhalte anzuwenden sind (vgl. Leffson (1987), S. 197). Damit ist die Abbildung für den, der diese Regeln kennt, objektiv, d. h. intersubjektiv nachprüfbar. Diese intersubjektive Nachprüfbarkeit der Abbildung realer Sachverhalte in der RL wird grds. durch Ermessensspielräume und Wahlrechte beeinträchtigt. Daher hat das BilMoG durch die Aufhebung von Wahlrechten (z. B. § 253 Abs. 4 (a. F.) und § 249 Abs. 2 (a. F.)) und die Einschränkung von Ermessensspielräumen (z. B. bei der Rückstellungsbewertung) den Grundsatz der Richtigkeit gestärkt (vgl. Solmecke (2009), S. 126ff.).

 

Rn. 60

Stand: EL 39 – ET: 06/2023

Bspw. dient der in § 252 Abs. 1 Nr. 3 kodifizierte Grundsatz der Einzelbewertung – neben den Anforderungen im Hinblick auf den vierten Dokumentationsgrundsatz (Beleg- und Einzelerfassungsgrundsatz) und auf den gleich lautenden Systemgrundsatz (vgl. HdR-E, Kap. 2, Rn. 81) – dazu, die Verwendung eines betriebswirtschaftlich an sich theoretisch richtigen, aber für objektive Informationen ungeeigneten, weil subjektiv bestimmten Konzepts der UN-Gesamtbewertung für den handelsrechtlichen JA zu untersagen. Ein Konzept der UN-Gesamtbewertung auf investitionstheoretischer Grundlage, das den zukunftsbezogenen "ökonomischen Gewinn" auf der Grundlage prognostizierter Einzahlungen und Auszahlungen zu ermitteln versucht, basiert notwendigerweise auf subjektiven Einschätzungen über die künftigen Umsätze und zugehörigen Aufwendungen, die von den Adressaten eines solchen JA kaum auf deren Eintrittswahrscheinlichkeiten hin beurteilt werden können. Ein derart stark subjektiv geprägtes RL-Instrument würde den Zwecken der Rechenschaft und Kap.-Erhaltung zuwiderlaufen. Hierdurch wird also eine (zu) subjektive Abbildung der wirtschaftlichen Lage des UN verhindert, um die externen JA-Adressaten vor "einseitigen" JA zu schützen.

 

Rn. 61

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Der Grundsatz der Objektivität oder intersubjektiven Nachprüfbarkeit modifiziert und ergänzt also den Grundsatz der Richtigkeit, wenn die Abbildungen der ökonomischen Sachverhalte in Buchführung und JA nicht ein-eindeutig sein können (vgl. Baetge, in: HWR (1981), Sp. 702 (710)). Ein-Eindeutigkeit bedeutet, dass ein bestimmter Geschäftsvorfall eine ganz bestimmte Buchung auslöst und umgekehrt aus dieser Buchung zweifelsfrei auf den zugehörigen Geschäftsvorfall zurückgeschlossen werden kann. Die Rückschlussmöglichkeit geht für den externen Abschlussleser durch die Aggregation von Buchungen und Kontensalden bei der JA-Aufstellung zw...

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