Rn. 59

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Steuertaxonomie geht zum einen weit über die Vorschriften der §§ 266 und 275 hinaus. Zum anderen schafft sie faktisch eine "umgekehrte Maßgeblichkeit" (vgl. Herzig, DStR 2010, S. 1900 (1907); Hoffmann, DB 2010, Heft 38, M 1; ebenso Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft (2010), Anlage S. 15f.). Gleichwohl entspricht die "umgekehrte Maßgeblichkeit" i. S. d. § 5b EStG nicht der umgekehrten Maßgeblichkeit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG (a. F.), da diese ausschließlich auf die Ausübung steuerlicher Wahlrechte beschränkt war (vgl. Heinsen/Adrian, DStR 2010, S. 2591 (2594)). Zudem schlägt sich die "umgekehrte Maßgeblichkeit" der Steuertaxonomie für die HB und die handelsrechtliche GuV ausschließlich auf deren Gliederungsschemata und somit auf die Ausweisvorschriften nieder, während steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften hiervon unberührt bleiben. Derartige Änderungen der HGB-Gliederungen lassen sich nach hier vertretener Ansicht weder aus § 5b EStG noch aus der Ermächtigungsvorschrift des § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG ableiten und bedürfen insoweit einer gesetzlichen Verankerung (vgl. ebenso Heinsen/Adrian, DStR 2010, S. 2591 (2594); H/H/R (2017), § 5b EStG, Rn. 8; Kirchhof: EStG (2022), § 5b, Rn. 1).

 

Rn. 60

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Mithilfe des Mindestumfangs erfolgt nicht nur erstmalig die Definition der StB-Gliederung, sondern auch eine Neuordnung der handelsrechtlichen Gliederungsdefinition – zumindest für den Zweck der steuerlichen Deklaration. Die Finanzverwaltung rechtfertigt die Erweiterung der Gliederungsschemata der §§ 266 und 275 um steuerliche Positionen mit der Möglichkeit, steuerrechtliche Regelungen in Anspruch nehmen zu können (vgl. Klein/Wissborn, BBK 2010, Beilage Nr. 2 zu Heft 21, S. 4 (5)). Hätte die Finanzverwaltung tatsächlich nur dieses Ziel verfolgt, wäre nach hier vertretener Ansicht der Mindestumfang wesentlich geringer ausgefallen. So kann bspw. die ausufernde Differenzierung einiger Bilanz- ebenso wie GuV-Posten nicht auf die Möglichkeit der Ausübung steuerlicher Wahlrechte zurückgeführt werden; vielmehr geht es darum, eine Vorab-Verprobung mittels in- und externem Betriebsvergleich durchzuführen, um auf diese Weise eine zielorientierte Prüfungsauswahl zu treffen (vgl. Seer, DStR 2008, S. 1553 (1555); ebenso Herzig/Briesemeister, DB 2010, Heft 36 (Standpunkte), S. 57 (58)). "Im Kern geht es [...] darum, aus dem Gesamtfallbestand diejenigen Fälle nach sachgerechten Kriterien auszufiltern, die kontrollbedürftig sind" (Nagel/Waza, DStZ 2008, S. 321 (322)). Der Mindestumfang gemäß § 5b EStG i. V. m. § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG spiegelt dabei genau die Kriterien wider, die für das Risikomanagement der Finanzverwaltung von Bedeutung sind (vgl. zur Befürchtung eines "gläsernen Steuerbürgers" Kussmaul/Ollinger/Weiler, StuW 2012, S. 131 (146f.); a. A. Meurer, DB 2010, Heft 36 (Standpunkte), S. 63 (64)). Hierdurch können die Daten, ohne dass es einer personellen Vorauswahl bedarf, automatisiert weiterverarbeitet werden. Zu diesem Zweck werden i. R.d. Bund-Länder-Vorhabens "KONSENS" neben der E-Bilanz bundeseinheitliche, IT-gestützte Risikomanagementsysteme entwickelt (vgl. HdR-E, Kap. 9, Rn. 2). Die hierfür erforderliche gesetzliche Grundlage wurde mit dem i. R.d. Steuerbürokratieabbaugesetzes eingefügten § 88 Abs. 3 AO geschaffen. Diese Systeme sollen im hohen Maße zur Steuergerechtigkeit beitragen, denn die Risikoregeln werden zentral erstellt und auf diese Weise von jedem Bundesland einheitlich angewendet. ­Zudem geht es um das Fraud Management, d. h. um die Aufdeckung von Betrugsfällen (vgl. König (2018), S. 7). Somit erfährt das Risikomanagement der Finanzverwaltung einen Paradigmenwechsel. Die frühere strikt schematische Bearbeitung der Steuerfälle (vgl. zur Arbeitsweise in den Veranlagungsstellen Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleichlautende Erlasse vom 19.11.1996, O 2120, BStBl. I 1996, S. 1391f.) wird durch eine dem Kontrollbedürfnis entsprechende Bearbeitung der Steuerfälle abgelöst (vgl. Suck, DStZ 2010, S. 606 (607)). Letztlich stellt § 5b EStG ein gewichtiges Instrument zur Erhöhung der Effizienz im Besteuerungsverfahren, zur Durchführung von zeitnahen Betriebsprüfungen und zur Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dar (vgl. Herzig/Briesemeister, DB 2010, Heft 5, M 18). Doch die Digitalisierung verändert nicht nur die Arbeitsweise der Finanzverwaltung, sondern auch die der steuerberatenden Berufe, deren Ziel es sein muss, den Steuerpflichtigen zur eigenmotivierten Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten zwecks Zuordnung zu einer niedrigen Risikostufe zu bewegen (vgl. Seer, DStR 2008, S. 1553 (1555)).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge