Rn. 90

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Rückstellungen sind gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 "in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen". Der "Erfüllungsbetrag" ist der Betrag, den der Schuldner aufbringen muss, um seine Verpflichtungen zu begleichen bzw. einen Verpflichtungsüberschuss aus einem schwebenden Geschäft abzudecken (vgl. HdR-E, HGB § 249, Rn. 258). Durch die Verwendung des Begriffs "Erfüllungsbetrag" gibt der Gesetzgeber dem Bilanzierenden somit auch vor, bei der Rückstellungsbewertung künftige, zum voraussichtlichen Erfüllungszeitpunkt relevante Preis- und Kostenänderungen (einschließlich Lohnänderungen) – unter Beachtung des Stichtagsprinzips (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3) – zu berücksichtigen (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 150). M.a.W. sind in die Bewertung die Preis- und Kostenverhältnisse einzubeziehen, die zum Abschlussstichtag unter Berücksichtigung wertaufhellender Ereignisse für den Zeitpunkt der tatsächlichen Erfüllung der Verpflichtung erwartet werden (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 14).

 

Rn. 91

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Durch die Verwendung zukunftsgerichteter Daten entstehen zwangsläufig Unsicherheiten bei der Bewertung, die dem Bilanzierenden teils erhebliche Ermessensspielräume eröffnen können. Solche Ermessensspielräume, die dem Ziel einer zutreffenden Vermögens- und Periodenerfolgsermittlung geschuldet sind, laufen generell der Objektivierungsfunktion des Stichtagsprinzips zuwider. Diesem Konflikt soll der bei der Bewertung zu berücksichtigende Maßstab der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung entgegentreten. Nach diesem Maßstab müssen ausreichende, objektive Hinweise für die bewertungsrelevanten Parameter einschließlich des Eintritts künftiger Preis- und Kostenänderungen vorliegen, um diese Informationen bei der Rückstellungsbewertung verarbeiten zu dürfen (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 52). Allerdings wird es in der praktischen Arbeit schwierig sein, vage Hinweise stets von objektiven Informationen zu trennen. Als Anhaltspunkte etwa für die Berücksichtigung zukünftiger Preis- und Kostenänderungen kommen interne Quellen (z. B. vergangenheitsgerichtete Erfahrungswerte) oder externe Quellen (z. B. Veröffentlichungen von Branchenverbänden oder sonstiger Institutionen) infrage (vgl. BilR-Komm. (2018), § 253 HGB, Rn. 35). Dabei sind unternehmens- und branchenspezifische Daten bevorzugt in die Bewertung einzubeziehen. Der Eintritt zukünftiger Preis- und Kostensenkungen – z. B. aufgrund technologischen Fortschritts – muss vor dem Hintergrund des Vorsichtsprinzips mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Zur Schätzung künftiger Preisentwicklungen kann sich im Zweifel am Inflationsziel der EZB orientiert werden (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 27f.). Offenbare Abweichungen unterschiedlicher Datenquellen müssen begründbar sein.

Durch die mit der Bewertung i. d. R. einhergehenden Schätzungen ergeben sich Beurteilungsspielräume mit Ober- und Untergrenzen. Der Wertansatz einer Rückstellung in der Bilanz hat sich innerhalb dieser Grenzen zu bewegen. Das Risiko, dass sich die gewählten Wertansätze im Nachhinein als zu hoch oder zu niedrig herausstellen – z. B. wegen eines Abweichens von getroffenen Annahmen und eingetretener Realität – ist dieser Vorgehensweise immanent und nicht zu beanstanden. Unzulässig ist dagegen eine bewusste Über- oder Unterdotierung der Rückstellungen (vgl. ADS (1995), § 253, Rn. 177; Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 151).

 

Rn. 92

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Durch die Vorgabe, bei der Rückstellungsbewertung den nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen, soll – unter Berücksichtigung von Zinseffekten (vgl. zur Abzinsung von Rückstellungen HdR-E, HGB § 253, Rn. 110) – zum BilSt der Betrag passiviert werden, der voraussichtlich zur Erfüllung der Verpflichtung im Zeitpunkt des Anfalls der Aufwendungen notwendig sein wird. Insoweit bedingt die "Notwendigkeit" bei Sach- und Dienstleistungsverpflichtungen, denen selbst erstellte oder noch zu erstellende Sachleistungen bzw. noch zu erbringende Dienstleistungen zugrunde liegen, einen Vollkostenansatz (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 159). Neben den EK sind die notwendigen GK der zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlichen Gegenstände und/oder Leistungen in die Rückstellungsbewertung einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob diese i. R.d. HK von VG gemäß § 255 Abs. 2 aktivierungspflichtig oder -fähig sind (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 21). Sofern sich der zu liefernde VG noch nicht im Bestand befindet, sind neben Vollkosten ggf. notwendige Transaktionskosten zu berücksichtigen (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 23). Die Verpflichtung zum Vollkostenansatz gilt grds. auch für die Bewertung von Drohverlustrückstellungen (vgl. nur IDW HFA 4 (2012), Rn. 28ff. sowie weiterführend HdR-E, HGB § 249, Rn. 61ff., 182ff.).

Alternativ wird im Schrifttum bei schwebenden Absatzgeschäften auch ein Teilkostenansatz für zulässig erachtet (v...

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