Rn. 11

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Die Verbindung von HB und StB wird insbesondere durch eine kontinuierlich wachsende Anzahl steuerlicher Regelungen durchbrochen, die Abweichungen von der handelsrechtlichen RL erzwingen respektive ermöglichen. Fiskalisch motivierte Durchbrechungen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes tangierten ursprünglich tendenziell vornehmlich Randbereiche des Bilanzrechts, etwa die Rückstellungen für Schutzrechtsverletzungen oder Jubiläumsverpflichtungen (vgl. § 5 Abs. 3f. EStG). Das steuerrechtliche Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen gemäß § 5 Abs. 4a EStG i. d. F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.1997 ((BGBl. I 1997, S. 2590ff.); vgl. auch BT-Drs. 13/8325) hat die Maßgeblichkeit dagegen in ihrem Kern getroffen; das Imparitätsprinzip als zentrale Säule des Bilanzrechtssystems blieb fortan weitgehend auf die Aktivseite der Bilanz beschränkt (vgl. Herzig/Rieck, BB 1998, S. 311ff.; Groh, in: FS Börner (1998), S. 177 (190)). Das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 ((BGBl. I 1999, S. 402ff.); vgl. zudem BT-Drs. 14/442) hat durch Einfügung weiterer steuerlicher Ansatzvorbehalte in § 5 Abs. 2a und 4b EStG und Bewertungsvorgaben weitere Verknüpfungen zwischen HB und StB gekappt (vgl. Rogler, BFuP 2001, S. 413 (414)).

 

Rn. 12

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG) 2008 vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 3018ff.) wurde die substanzsteuerliche Bedeutung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes, der seit dem Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1992 vom 25.02.1992 (BGBl. I 1992, S. 297ff.) mit Übernahme der Steuerbilanzwerte in die erbschaft-/schenkungsteuerliche Vermögensaufstellung als Verbindung zwischen Bilanz- und Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht fungierte (sog. verlängerte Maßgeblichkeit), weitestgehend eliminiert (vgl. Kussmaul et al., BB 2008, S. 472ff.; Schulte/Birnbaum/Hinkers, BB 2009, S. 300ff.; zur verlängerten Maßgeblichkeit Herzig, DB 1992, S. 1053f.; Herzig/Kessler, DStR 1994, Beilage Nr. 3 zu Heft 1, S. 3ff.; Heinhold, DBW 1993, S. 331ff.). Die bis dahin mit der verlängerten Maßgeblichkeit bestandene Bindung der Vermögensaufstellung an Steuerbilanzansätze und Steuerbilanzwerte (Bestands- und Bewertungsidentität) wurde auf eine bloße Bestandsidentität i. R.d. Substanzwert-Mindestwertregelung für die Bewertung von BV reduziert. BV ist mindestens mit dem Substanzwert als Saldo der gemeinen Werte zum BV gehörender WG/sonstiger Aktiva und zum BV gehörender Schulden zu bewerten (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Bestandsidentisches BV bildet – bewertet zum gemeinen Wert – den Substanzwert als erbschaft-/schenkungsteuerliche Wertuntergrenze (vgl. Stamm/Blum, StuB 2009, S. 763 (765)). Die Bestimmung des BV-Bestands folgt bis dato dem Ertragsteuerrecht und ist damit maßgeblichkeitsgeprägt (vgl. R B 11.5 Abs. 2f. ErbStR (2019); Rüttenauer, ErbStB 2014, S. 49 (50)).

 

Rn. 13

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

In der Folgezeit hat die Rspr. mit grundlegenden Aussagen zur Reichweite des Maßgeblichkeitsgrundsatzes im Hinblick auf Leistungsfähigkeitsaspekte und Praktikabilitätsüberlegungen im steuerlichen Massenverfahren die Bedeutung für die steuerliche Gewinnermittlung relativiert. Die handelsrechtlichen GoB gelangen letztlich nur durch den Filter zutreffender Leistungsfähigkeitserfassung in die steuerliche Gewinnermittlung. So ist z. B. der Tatbestand der "voraussichtlich dauernden Wertminderung" i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bei börsennotierten Aktien des AV – ungeachtet tatbestandlicher Parallelen zum Handelsrecht – losgelöst vom Handelsrecht in der Weise auszulegen, dass Zuwachs oder Verlust wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit periodengerecht erfasst werden und zugleich durch einfache und leicht nachprüfbare Kriterien berücksichtigt wird, dass das Steuerverfahren als Massenverfahren konzipiert ist (vgl. BFH, Urteil vom 26.09.2007, I R 58/06, BStBl. II 2009, S. 294ff.; zur steuerlichen Auslegung im Einzelnen BMF, Schreiben vom 02.09.2016, IV C 6 – S 2171-b/09/10002 :002, BStBl. I 2016, S. 995ff.; auf die HB sind diese Grundsätze nicht übertragbar; vgl. wiederum nur IDW, FN-IDW 2012, S. 321). Insoweit funktionale Differenzen zur HB (vgl. HdR-E, Kap. 3, Rn. 3) neben Gründen der Verwaltungsökonomie eine abweichende steuerliche Auslegung erfordern, tritt der Maßgeblichkeitsgrundsatz in den Hintergrund. Folge der strengeren typisierenden steuerlichen Interpretation (z. B. der voraussichtlich dauernden Wertminderung) können höhere steuerliche Wertansätze sein, als handelsrechtlich vertretbar.

 

Rn. 14

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Durch die Rspr. zu den Folgen einer handelsrechtlichen Zuschreibung aus dem Volumen früherer steuerrechtlicher Sonder-AfA wurde die Bedeutung der formellen Maßgeblichkeit in der Ausprägung umgekehrter Maßgeblichkeit, die eine Ausübung steuerlicher Wahlrechte in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz anordnete (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG i. d. F. 1990) und damit grds. einen steuerlich de...

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