Tz. 45

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Zur Feststellung des Deckungsumfangs findet eine Deckungsprüfung statt, bei der geklärt werden muss, ob ein Versicherungsfall vorliegt und in welche Versicherungsperiode dieser fällt, in welcher Höhe Versicherungsschutz besteht und ob Ausschlussgründe vorliegen (vgl. Sieg (2017a), Rn. 33). Der Versicherer ist an die tatsächlichen Feststellungen zur Pflichtverletzung gebunden, wie sie in einem Haftpflichturteil zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft enthalten sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.07.2018, I-4 U 93/16, NZG 2018, S. 1310 (1311); Brinkmann, ZIP 2017, S. 301 (302)). Nach dem Anspruchserhebungsprinzip kommt es für den Versicherungsfall nicht auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung, sondern auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme der versicherten Person während der Dauer des Versicherungsvertrags an. Die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche umfasst die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen die geltend gemachten Ansprüche entstehen. Die Höhe der Versicherungssumme ist in der Police zum einen hinsichtlich des Einzelfalls und zum anderen bezüglich der Dauer der Versicherungsperiode geregelt, weiter ist der Versicherungsschutz von vornherein auf reine Vermögensschäden begrenzt. Versichert sind ferner regelmäßig nur solche Schäden, die in Ausübung einer Tätigkeit als Organmitglied begangen werden. Hier ist es wichtig, bereits im Versicherungsvertrag ausreichend Klarheit bei teils schwierigen Abgrenzungsfragen zu schaffen, da die Organmitglieder, sofern die Geschäftsführung eng in das operative Geschäft eingebunden ist – wie mitunter bei Dienstleistern oder mittelständischen UN, auch Aufgaben übernehmen, die keine spezifischen Organtätigkeiten sind. Fraglich ist ferner, ob die D&O-Versicherung auch Ansprüche aus § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG ((a. F.); vgl. HdR-E, AktG § 93, Rn. 62) umfasst, wenn Versicherungsschutz nur besteht, soweit die versicherte Person wegen einer Pflichtverletzung für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Die h. M. in der aktienrechtlichen Literatur bejaht zwar die Deckung, letztlich ist aber die konkrete vertragliche Ausgestaltung entscheidend, die jedenfalls mittlerweile zumeist auch solche Fälle umfasst (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 124f.).

 

Tz. 46

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Üblicherweise besteht keine Deckung von Schäden, die durch wissentliche Pflichtverletzung herbeigeführt werden. Eine solche liegt vor, wenn von einer gesetzlichen oder anderweitig normierten Pflicht bewusst abgewichen wird, wobei positive Kenntnis von der Pflicht sowie Vorsatz bezüglich des Abweichens von dieser Pflicht vorliegen müssen (vgl. Sieg (2017b), Rn. 17; Seibt/Saame, AG 2006, S. 901 (908)). Bei der Frage, ob ein Organmitglied gewusst hat, wie es sich zu verhalten hätte, wird von der Rspr. unterstellt, dass dieses alle geltenden Vorschriften kennt, die seinen Beruf betreffen (vgl. LG Wiesbaden, Urteil vom 14.12.2004, 1 O 180/03, VersR 2005, S. 545; OLG Köln, Urteil vom 27.04.1989, 5 U 216/88, VersR 1990, S. 193 (194)). Grobe Fahrlässigkeit dagegen ist kein Ausschlusstatbestand in der D&O-Versicherung (vgl. Ihlas (2009), S. 458). Ist die versicherte Person an der Versicherungsnehmerin beteiligt, so besteht i. d. R. quotal zur Kap.-Beteiligung kein Versicherungsschutz (vgl. Sieg (2017b), Rn. 136).

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