Tz. 82

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Gemäß § 93 Abs. 6 AktG verjähren Ansprüche aus § 93 AktG bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren. Die Verschärfung der Verjährungsfrist für börsennotierte Gesellschaften beruht auf Art. 6 Nr. 1 des Restrukturierungsgesetzes (vgl. HdR-E, AktG § 93, Rn. 1); der Begriff der Börsennotierung als Anknüpfungspunkt für die Dauer der Verjährungsfrist ist i. S. v. § 3 Abs. 2 AktG zu verstehen. Von der Regelung umfasst werden damit alle Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen sind. Gesellschaften, die im Zeitpunkt der Pflichtverletzung lediglich im Freiverkehr notiert sind, werden demgegenüber nicht erfasst. Die eindeutige Aussage des Gesetzgebers, zu welchem Zeitpunkt die Gesellschaft börsennotiert gewesen sein muss – nämlich zu dem der Pflichtverletzung – wirft Fragen auf in Fällen von Dauerpflichtverletzungen, die stattfinden während die Gesellschaft börsennotiert ist, aber auch noch nach ihrem Rückzug vom regulierten Markt andauern, bzw. schon vor Zulassung zu diesem begonnen haben. Dies kann z. B. bei pflichtwidrigem Unterlassen des Vorstandsmitglieds der Fall sein. Ist die Gesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt während des pflichtwidrigen Vorstandhandelns börsennotiert, spricht der Wortlaut des § 93 Abs. 6 AktG, der lediglich ein Zusammentreffen von Börsennotierung und Pflichtverletzung fordert, für die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist. Handelt es sich demgegenüber nicht um eine Dauerpflichtverletzung, sondern um wiederholte einzelne Pflichtverletzungen, unterliegt jede von diesen einer eigenständigen Verjährung, so dass für jede einzelne die Verjährungsfrist gesondert zu bestimmen ist, je nachdem, ob sie zu einem Zeitpunkt begangen wurde, als die AG börsennotiert war, oder nicht (vgl. Harbarth/Jaspers, NZG 2011, S. 368 (372)). Mit § 93 AktG konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung (vgl. §§ 823ff. BGB; OLG München, Urteil vom 30.03.2017, 23 U 3159/16, S. 631 (634)) sowie Bereicherungsansprüche (vgl. §§ 812ff. BGB), Ansprüche aus den §§ 667 und 675 BGB bzw. den §§ 687 Abs. 2 und 678 BGB verjähren nach den allg. Vorschriften. Für Ansprüche, die sich aus dem Wettbewerbsverbot des § 88 Abs. 1 AktG ergeben, gilt die Verjährungsregelung des § 88 Abs. 3 AktG. Eine Erstreckung von § 88 Abs. 3 AktG auf daneben in Betracht kommende Ansprüche aus § 93 AktG wird erwogen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.01.2008, 18 U 1/07, NZG 2009, S. 306 (308); AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 581ff.). Ausgleichsansprüche mehrerer als Gesamtschuldner haftender Vorstandsmitglieder nach § 426 Abs. 1 BGB verjähren nach § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Mit der Zahlung an die Gesellschaft gehen deren Ansprüche gegenüber den weiteren als Gesamtschuldner haftenden Vorstandsmitgliedern auf das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied gemäß § 426 Abs. 2 BGB über; diese Ansprüche nach § 426 Abs. 2 BGB verjähren daher innerhalb der Verjährungsfrist des § 93 Abs. 6 AktG (vgl. Pfeiffer, NJW 2010, S. 23; Hartmann/Lieschke, WM 2011, S. 205). Die Verjährungsregelung des § 93 Abs. 6 AktG ist grds. zwingend. Sie kann weder durch Vertrag noch durch Satzung verkürzt werden. Allerdings spricht mit der mittlerweile h. M. nichts gegen eine einvernehmliche Fristverlängerung, jedenfalls nach Entstehung des Anspruchs. Da die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung indes höchstrichterlich nicht geklärt ist, ist als Alternative v.a. der Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu erwägen (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 182; Wahlers/Wolff, AG 2011, S. 605 (607ff.); Fleischer, AG 2014, S. 457 (462f.)).

 

Tz. 83

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Die Verjährung beginnt gemäß § 200 BGB mit der Entstehung des Anspruchs als rein objektivem Umstand (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2018, II ZR 152/17, NZG 2018, S. 1301 (1302); MünchKomm. AktG (2019), § 93, Rn. 325; Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 177; ferner OLG Stuttgart, Urteil vom 25.11.2009, 20 U 5/09, WM 2010, S. 120 (126)). Entstanden ist der Anspruch, wenn seine Voraussetzungen soweit vorliegen, dass er erstmals im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden kann. Dies verlangt neben dem Vorliegen der Pflichtverletzung insbesondere auch einen Schaden. Ausreichend ist dabei, dass der Schaden dem Grunde nach entstanden ist, seine Höhe aber noch nicht beziffert werden kann. Es genügt auch, wenn eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist und noch nicht feststeht, ob der Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird. Die aus einer Pflichtverletzung entstandenen Schäden bilden eine Einheit, für die die Verjährungsfrist einheitlich läuft. Von dem Beginn der Verjährung werden daher alle voraussehbaren Schäden erfasst. Für nicht voraussehbare Schäden beginnt mit ihrem Eintritt hingegen eine neue Verjährungsfrist zu laufen (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.1987, II ZR 190/86, BGHZ 100, S. 228 (231f.)). Bei Unterlassung...

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