I. Unabhängigkeitsanforderungen aus der AP-VO (EU) Nr. 537/2014

1. Überblick

 

Rn. 16

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die AP-VO stellt für alle EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht dar, d. h., es bedarf keiner Umsetzung in nationales (deutsches) Recht. Der persönliche Anwendungsbereich betrifft sowohl die AP von PIE als auch PIE selbst. Mit Blick auf die an eine AP zu stellenden Anforderungen enthält sie weitere – über den bisherigen § 319a (a. F.) hinausgehende – Unabhängigkeitsanforderungen, die bei AP von PIE zu beachten sind (vgl. hierzu auch Schüppen (2017), Anhang zu § 319a HGB, Rn. 1ff.). Dies bedeutet, dass bei PIE-Prüfungen sowohl die relevanten Anforderungen der AP-VO als auch der §§ 319f. (künftig: AP-VO und § 319) gemeinsam erfüllt sein müssen, um den Ausschluss als AP aufgrund von Besorgnis der Befangenheit zu vermeiden. Die Kodifizierung weitreichender Unabhängigkeitsanforderungen in der AP-VO (ebenso wie in der AP-R) zeigt die große Bedeutung und den hohen Stellenwert, die diesem Aspekt auf EU-Ebene beigemessen werden. Insbesondere im Nachgang zu verschiedenen nationalen und internationalen Bilanzskandalen sowie auch zur Finanzmarktkrise der Jahre 2007ff. war und ist der besondere Schutz der Share- und Stakeholder von PIE ein wichtiges Anliegen. Nicht zuletzt geht es darum, das Vertrauen in das Agieren dieser UN am Markt auch durch eine verlässliche AP zu stärken, denn ein Vertrauensverlust kann sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung des betreffenden UN, ggf. sogar einer Branche oder eines Markt(-teils) auswirken (vgl. bspw. Bonner HGB-Komm. (2017), § 319a, Rn. 1f.).

 

Rn. 17

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Die Bedingungen für die Durchführung von AP bei PIE sind im zweiten Titel der AP-VO, dort in den Art. 4f., enthalten. Sie gliedern sich wie folgt:

 

Prüfungshonorare (Art. 4)

(Mitgliedstaaten können strengere Anfor­derungen vorgeben)
  • Verbot ergebnisabhängiger Honorare
  • Fee Cap (Begrenzung der Höhe von Prüfungshonoraren)
  • Honorarabhängigkeit

Verbot der Erbringung von Nichtprüfungsleistungen (Art. 5)

(sog. Black List)

Hinsichtlich der Steuerberatungs- sowie Bewertungsleistungen bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen (vgl. Art. 5 Abs. 3); überdies HdR-E, HGB § 319a, Rn. 21ff.
  • Bestimmte Steuerberatungsleistungen
  • Teilnahme an der Führung oder an Entscheidungen der betreffenden PIE
  • Buchhaltung, Erstellung von RL-Unterlagen und Abschlüssen
  • Lohn- und Gehaltsabrechnung
  • Mitwirkung bei der Gestaltung oder Umsetzung interner Kontroll- und Risikomanagementverfahren mit Bezug zu finanziellen Informationen
  • Bewertungsleistungen
  • Bestimmte juristische Leistungen
  • Interne Revision
  • Bestimmte Leistungen im Zusammenhang mit der Finanzierung
  • Bestimmte Leistungen im Zusammenhang mit Aktien
  • Bestimmte Personaldienstleistungen

Übersicht: Unabhängigkeitsanforderungen aus der AP-VO

Die für die Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen möglichen Ausnahmen hatte der deutsche Gesetzgeber in § 319a Abs. Satz 1 Nr. 2f. (a. F.) für nationale Zwecke im HGB kodifiziert (vgl. HdR-E, HGB § 319a, Rn. 34ff.). Mit dem Wegfall von § 319a (a. F.) durch das FISG fallen die Erleichterungen für PIE im Geltungsbereich des HGB nun weg, so dass ausschließlich die AP-VO gilt (vgl. auch HdR-E, HGB § 319a, Rn. 71ff.). Diese unmittelbar aus der AP-VO resultierenden Voraussetzungen für eine Tätigkeit als AP einer PIE werden an dieser Stelle der Vollständigkeit halber gleichwohl kurz aufgegriffen und erläutert. Aufgrund der in Art. 86 Abs. 1 EGHGB enthaltenen Übergangsvorschrift (§ 319a (a. F.) ist letztmals noch auf alle gesetzlichen AP für vor dem 01.01.2022 beginnende GJ – und damit regelmäßig noch für das GJ 2021 bzw. abweichende GJ 2021/2022 – anzuwenden; vgl. zum Übergang auch HdR-E, HGB § 319a, Rn. 71 ff.) gelten die in der Vorschrift bislang von der AP-VO gewährten Ausnahmemöglichkeiten zeitlich weiter fort. Dies trägt dazu bei, die weitere Kommentierung der konkreten Inhalte des § 319a (a. F.) in den Gesamtkontext wie auch den EU-Rahmen insgesamt einordnen zu können.

2. Prüfungshonorare (Art. 4)

a) Verbot ergebnisabhängiger Honorare

 

Rn. 18

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Gemäß Art. 4 Abs. 1 der AP-VO dürfen keine ergebnisabhängigen Honorare zwischen der zu prüfenden PIE und seinem AP vereinbart werden. Ein Prüfungshonorar gilt laut der EU-Regelung dann als ergebnisabhängig, "wenn es im Hinblick auf den Ausgang oder das Ergebnis einer Transaktion oder das Ergebnis der ausgeführten Arbeiten auf einer vorab festgelegten Basis berechnet wird." Ziel dieses Verbots ist es, ein eigenes wirtschaftliches Interesse des AP am Prüfungsergebnis auszuschließen (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 319a HGB, Rn. 55).

b) Fee Cap (Begrenzung der Höhe von Prüfungshonoraren)

 

Rn. 19

Stand: EL 35 – ET: 03/2022

Art. 4 Abs. 2 der AP-VO begrenzt die Gesamthonorare für zulässige Nichtprüfungsleistungen, die der PIE-AP für das betreffende UN ebenfalls erbringt, auf max. 70 % des Durchschnitts der in den letzten drei GJ von der PIE an den AP für die Durchführung der AP gezahlten Honorare (vgl. auch BilR-Komm. (2020), § 319a HGB, Rn. 34ff.; Widmann/Wolz, ZCG 2019, S. 264ff.). Als Ausnahme hiervon erlaubt § 319a Abs. 1a (a. F.), dass diese Relation in max. einem GJ bis...

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