Rn. 338

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Die Erweiterung eines vorhandenen VG kann sowohl formal als auch materiell interpretiert werden. Als Erweiterung im formalen Sinn soll die Schaffung neuer Substanz im Zusammenhang mit einem vorhandenen VG angesehen werden. Eine Substanzmehrung im Zusammenhang mit dem Ersatz bestehender Teile eines VG führt jedoch nicht zur Schaffung neuer Substanz; vielmehr müssen Aufwendungen vorliegen, die dazu dienen, etwas "Neues, bisher nicht Vorhandenes, zu schaffen" (BFH, Urteil vom 09.11.1976, VIII R 28/76, BStBl. II 1977, S. 279 (280); vgl. auch Klein, in: FS Moxter (1994), S. 277 (284ff.), m. w. N.). So ist die erhebliche Erhöhung des Rauminhalts einer Fabrikhalle nicht als formale Substanzmehrung anzusehen, wenn diese durch den Ersatz eines baufälligen Dachs erfolgt (vgl. BFH, Urteil vom 13.12.1984, VIII R 273/81, BStBl. II 1985, S. 394f.); der erstmalige Einbau eines Öltanks, eines Ölbrenners und verschiedener Zusatzgeräte ist dann nicht als Substanzmehrung zu interpretieren, wenn die Heizungsanlage eines Gebäudes auf eine andere Energiequelle umgestellt wird (vgl. Pougin, DB 1983, S. 241 (243)). Die Tatsache, dass die ersetzten Teile noch funktionsfähig waren, ist hierfür ohne Belang (vgl. BFH, Urteil vom 07.12.1976, VIII R 42/75, BStBl. II 1977, S. 281; Vodrazka, in: HWuR (1986), S. 447 (458)). "Es kommt stets darauf an, ob etwas Neues geschaffen wird oder nur etwas Bestehendes erhalten wird" (Pougin, DB 1983, S. 241 (243)). Auch geringfügige Erweiterungen führen zu HK (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 255 HGB, Rn. 324; Pezzer, DB 1996, S. 849 (850f.); BFH, Urteil vom 09.05.1995, IX R 88/90, BStBl. II 1996, S. 628; BFH, Urteil vom 09.05.1995, IX R 69/92, BStBl. II 1996, S. 630; BFH, Urteil vom 09.05.1995, IX R 2/94, BStBl. II 1996, S. 637). "Im Gegensatz dazu liegt etwa eine Erweiterung eines Gebäudes nicht vor, sofern selbständig verwertbare Anlagen errichtet werden, wie bspw. Aufdach-Photovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerke, die so dimensioniert sind, dass sie auch weitere Gebäude mit Wärme versorgen und Energie erzeugen. Sie sind unabhängig vom betreffenden Gebäude als eigenständige Vermögensgegenstände zu behandeln" (IDW RS IFA 1 (2013), Rn. 6).

 

Rn. 339

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Durch diese zusätzliche Substanz wird der vorher vorhandene VG in seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich verändert. In aller Regel dürfte mit dieser nach außen offen in Erscheinung tretenden Substanzmehrung eine funktionelle Änderung hinsichtlich des Einsatzgebiets des VG einhergehen. Für die Entscheidung, ob nachträgliche HK gegeben sind, ist jedoch nicht entscheidend, ob eine funktionelle Änderung beabsichtigt ist oder nicht. Für die Bestimmung der ursprünglichen AHK ist die Rationalität hinsichtlich der getätigten Ausgaben nicht entscheidend. Entsprechendes muss für die Festlegung der nachträglichen HK auch gelten.

 

Rn. 340

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Die formale Substanzmehrung als Kriterium für nachträgliche HK betrifft weniger die Abgrenzungsproblematik zu laufenden Reparaturaufwendungen als vielmehr zu selbständigen neuen Investitionen. Diese neuen Investitionen können sich dadurch auszeichnen, dass entweder neben dem vorhandenen VG ein weiterer VG geschaffen wird oder der vorhandene VG in einen neuen VG eingeht.

Dieser Tatbestand ist auf das Problem der Abgrenzung einzelner VG zurückzuführen. Wird bspw. eine vorhandene maschinelle Anlage um ein Transportband ergänzt, so ergibt sich die Frage, ob diese formale Substanzmehrung einen eigenständigen VG "Transportband" darstellt oder diese Transporteinrichtung Bestandteil der vorhandenen maschinellen Anlage wird. Nachträgliche HK wären lediglich in dem zuletzt genannten Fall gegeben.

 

Rn. 341

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Die Entscheidung ist von Bedeutung im Hinblick auf die künftige Bewertung. Wird die Substanzmehrung als eigenständiger VG interpretiert, ist sie auch selbständig zu bewerten; wird sie demgegenüber als Bestandteil des vorhandenen VG angesehen, erfolgt die Bewertung in Abhängigkeit von diesem VG.

Der zweite denkbare Investitionstatbestand ist durch das Untergehen des vorhandenen VG gekennzeichnet. Notwendigerweise muss demnach durch diese formale Substanzmehrung der bisher vorhandene VG seinen eigenständigen Charakter aufgeben und die Substanzmehrung zu einem selbständigen neuen VG führen. Werden bspw. Ausbauten und Erweiterungen an bestehenden Gebäuden vorgenommen, so entsteht nach der Auffassung des BFH (vgl. Urteil vom 20.02.1975, IV R 79/74, BStBl. II 1975, S. 510 (511)) dann ein neues WG, "wenn das vorhandene Gebäude so tiefgreifend umgestaltet wird, daß ein neues Wirtschaftsgut unter Einbeziehung des bisher vorhanden gewesenen Wirtschaftsguts geschaffen wird." Der vorhandene Bilanzwert des VG geht als Materialkosten in die HK des neu geschaffenen VG ein. Konsequenzen ergeben sich auch hier hinsichtlich der zukünftigen Bewertung. Verliert der bislang vorhandene VG seine Eigenständigkeit, so ist der neu geschaffene VG entsprechend ...

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