Tz. 21

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Begründet durch die Tatsache, dass mit der Inventur das Istobjekt zur Kontrolle der innerjährigen buchhalterischen Erfassung ermittelt wird, kann der Kreis der aufzunehmenden VG (und Schulden) nicht aus den in der Buchführung erfassten VG (und Schulden) abgeleitet werden; vielmehr hat eine Aufnahme aller VG (und Schulden) zu erfolgen, grds. unabhängig davon, ob sie in der Buchhaltung Berücksichtigung finden oder nicht. Die tatsächlich buchhalterisch erfassten VG (und Schulden) können demnach nicht zur Abgrenzung der durch die Inventur aufzunehmenden VG (und Schulden) herangezogen werden.

Da jedoch mit der Inventur die bilanzielle Erfassung verifiziert werden soll, darf bei der Inventur nicht mehr, aber auch nicht weniger aufgenommen werden als grds. in der Bilanz erscheinen dürfte. Es sind demnach alle VG (und Schulden) zu erfassen, die in der Bilanz dem Grunde nach angesetzt werden können. I.R.d. Inventur ist aber nicht eine Entscheidung dahingehend zu treffen, ob der einzelne VG bzw. die Schuld letztlich in der Bilanz angesetzt wird oder nicht.

 

Tz. 22

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Aus vorstehenden Ausführungen folgt auch, dass bei der Inventur all diejenigen VG (und Schulden) zu erfassen sind, die dem bilanzierenden UN als wirtschaftlichem Eigentümer zuzuordnen sind (vgl. Schoor, BuW 2002, S. 793 (796)). Dieses der bilanzrechtlich anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise entstammende Abgrenzungskriterium führt insbesondere bei einigen problematischen Fällen, zu folgenden Zuordnungen (vgl. auch HdR-E, HGB § 246, Rn. 8):

(1) Unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Waren sind beim Abnehmer und nicht beim Lieferanten aufzunehmen (vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2).
(2) Zur Sicherung übereignete VG sind beim Übereignenden und nicht beim Sicherungsgutempfänger aufzunehmen. Bei verpfändeten VG ist der Pfandgeber zur Aufnahme verpflichtet (vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2).
(3) Treuhänderisch übereignete VG sind durch den Treugeber aufzunehmen (vgl. HdR-E (1995), Kap. I, Rn. 573).
(4) Bei VG, die i. R.e. Leasingvertrags einem anderen überlassen worden sind, erfolgt die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums in Abhängigkeit von der Vertragsgestaltung nach den Leasingerlassen der Finanzverwaltung (vgl. bspw. Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 657ff.).
(5) Kommissionsware ist stets vom Kommittenten aufzunehmen, da dieser sowohl bei der Verkaufs- als auch bei der Einkaufskommission als wirtschaftlicher Eigentümer gilt.
(6) Bauten auf fremdem Grund und Boden sind grds. nicht dem juristischen Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen (vgl. § 266 Abs. 2 A. II. 1.; HdR-E, HGB § 266, Rn. 27f.).
(7) VG, die der Hersteller i. R.e. Werkvertrags vom Besteller übernommen hat, sind vom Besteller aufzunehmen.
(8) Zur Sicherung abgetretene Forderungen sind beim Abtretenden zu erfassen, unabhängig davon, ob es sich um eine Global- oder Mantelzession handelt.
(9) Verpfändete und verkaufte Forderungen sind beim Pfandnehmer bzw. Käufer zu erfassen (anders ist der Sachverhalt bei einer stillen Zession).
 

Tz. 23

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob i. R.d. Inventur eine Erfassung von Bilanzierungshilfen (vgl. §§ 269, 274 Abs. 2 (a. F.)) bzw. der RAP (vgl. § 250) zu erfolgen hat. Bei diesen Tatbeständen handelt es sich nicht um VG oder Schulden i. S. d. JA, wie er nach statischer Bilanzauffassung verstanden wird. Eine formale Betrachtung des § 240 führt unzweifelhaft zu einer Verneinung der Frage nach der Erfassung dieser Posten, da weder – gegenwärtig nicht mehr zulässige – Bilanzierungshilfen noch die RAP als zu erfassende Tatbestände aufgeführt sind. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass diese Tatbestände in keiner Form physisch in Erscheinung treten. Es sind rein rechnerische Größen, die lediglich buchmäßig erfasst und fortgeschrieben werden. Bei diesen Posten ist demnach allenfalls eine buchmäßige Aufnahme möglich. Inwiefern dies durchzuführen ist, scheint eine rein akademische Frage zu sein. Dass diese Posten bilanziell in Erscheinung treten dürfen, ist unzweifelhaft (vgl. Schneider, BB 1983, S. 2089 (2090f.)). Beide Vorgehensweisen, die Erfassung dieser Posten in der Inventur und die Nichterfassung, sollten demnach als zulässige Verfahren angesehen werden (vgl. ebenso ADS (1998), § 240, Rn. 8; a. A. Beck Bil-Komm. (2022), § 240 HGB, Rn. 22, wonach RAP, aktive und passive latente Steuern ebenso wie aktivierte Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG – unbeschadet der für sie erforderlichen Aufzeichnungen – nicht in das Inventar aufgenommen werden müssen).

Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Posten des EK. Bei PersG ist aber zu bedenken, dass vielfach sowohl gesellschaftsvertraglich als auch sachlich nicht eindeutig zwischen EK-Konten und Konten für Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern (sog. Gesellschafterkonten) unterschieden wird; in diesen Fällen ist eine Aufnahme der einzelnen mit dem jeweiligen Gesellschafter bestehenden Posten einschließlich solcher des EK (abe...

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