Rn. 113

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Kontrastierend zum (komplementären) Kriterium der einheitlichen Leitung, das vorbehaltlich einer späteren Koordinierung lediglich als ein zeitlich befristetes Mitgliedstaatenwahlrecht in Art. 1 Abs. 2 lit. b) der 7. EG-R aufgenommen und als solches in nationales Recht transformiert wurde, war das dem angelsächsischen Raum entstammende – nach h. M. formaljuristisch geprägte – Beherrschungskonzept verpflichtend in nationales Recht umzusetzen (vgl. auch Art. 22 der Bilanz-R). Stellte dieses nach tradiertem (handelsrechtlichen) Verständnis noch das "Kernelement für die Aufstellungspflicht" (Baetge/Kirsch/Thiele (2004), S. 90) dar, hat der Gesetzgeber mit dem das "Kernstück des aktienrechtlichen Konzernbegriffs" (Coenenberg (1988), S. 399) substituierenden Konzept des beherrschenden Einflusses eine Art übergeordnete "Generalnorm" (Küting/Seel, DStR 2009, Beilage Nr. 3 zu Heft 26, S. 37 (40)) geschaffen, die die (nach wie vor) in § 290 Abs. 2 verankerten (unwiderlegbaren) Vermutungstatbestände entbehrlich erscheinen lässt.

 

Rn. 114

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Nach § 290 Abs. 1 ist eine inländische KapG oder eine ihr gleichgestellte haftungsbeschränkte PersG (i. S. d. § 264a Abs. 1) als MU grds. dann zur Konzern-RL verpflichtet, sofern sie auf mindestens ein anderes UN (= TU) – gleich welcher Rechtsform sowie unabhängig von dessen Sitz (vgl. § 294 Abs. 1) – unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auszuüben vermag (vgl. auch § 11 Abs. 1 PublG). Ist sowohl die rechtsform- als auch länderspezifische Bedingung als erfüllt anzusehen, müsste dem Grunde nach ein KA erstellt werden. Ob und inwieweit auf quasi zweiter Stufe etwaige, handelsrechtlich gewährte Befreiungstatbestände in Anspruch genommen werden können, sei es durch

(1) die Erfüllung größenspezifischer Merkmale (vgl. § 293),
(2) die Aufstellung eines (befreienden) KA auf höherer Konzernebene gemäß der §§ 291f., oder
(3) das qua § 290 Abs. 5 legitimierte Unterbleiben einer ansonsten gebotenen Vollkonsolidierung bestimmter TU,

ist für Zwecke der (neuen) Verbunddefinition fortan irrelevant.

 

Rn. 115

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Zwar wird der Terminus "Beherrschung" weder in Art. 2 Nr. 9f. der Bilanz-R (zuvor: Art. 1 Abs. 2 lit. a) der 7. EG-R) noch in § 290 Abs. 1 legal definiert; ausweislich der auf die damals international einschlägige Norm des IAS 27.4 (a. F.) Bezug nehmenden – hier konkretisierend wirkenden – RegB sei jedoch bereits dann von einem beherrschenden Einfluss (i. S. d. § 17 Abs. 1 AktG) auszugehen, wenn sich dieser in der bloßen Möglichkeit manifestiert, die Finanz- und Geschäftspolitik eines anderen UN dauerhaft zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit einen Nutzen zu ziehen (vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 89; speziell in dieser Formulierung zeigt sich indes ein Abweichen von internationalen Grundsätzen insofern, als die Dauerhaftigkeit der Beherrschungsmöglichkeit weder nach IAS 27.4 (a. F.) gefordert wurde noch i. S. d. nunmehr maßgebenden IFRS 10 ein konstituierendes Tatbestandsmerkmal darstellt). Nicht vonnöten ist es demnach, dass das MU von seiner Beherrschungsmöglichkeit durch institutionalisierte bzw. tatsächlich ausgeübte Entscheidungskompetenzen Gebrauch macht; vielmehr ist es ausreichend, dass die latente Möglichkeit besteht, die Interessen bei allen wesentlichen strategischen, operativen und finanziellen Entscheidungen bei betreffendem TU – auch gegen deren Einzelinteressen – durchzusetzen. M.a.W.: Es muss dem MU möglich sein, diejenigen (zentralen) UN-Bereiche, die zum Erhalt und für den Erfolg eines UN erforderlich sind, zielgerichtet zu gestalten und zu steuern (vgl. DRS 19.11; überdies BilMoG-HB (2009), Kap. XV, S. 377 (387f.); Beck Bil-Komm. (2022), § 290 HGB, Rn. 25f., jeweils diesbezüglich mit entsprechender Nennung folgender UN-Bereiche: Finanzwesen, Beschaffung, Produktion, Investition, FuE, Distribution und Personal).

 

Rn. 116

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Vergleichbar mit dem der Norm des IFRS 10 bzw. IAS 27 (a. F.)) zugrunde liegenden Verständnis stellt somit auch diese Konzeption nicht auf das Bestehen bestimmter, abschließend aufgezählter Tatbestände ab, sondern allg. auf die Beherrschungsmöglichkeit als solche, unabhängig davon, ob diese nun formalrechtlich abgesichert ist oder nicht. Insoweit ist letztlich weniger die rein formelle Rechtsposition, die allein auf die kap.-anteilsbedingte (nominelle) Majorität von mehr als 50 % der Stimmrechte abstellt, als vielmehr die tatsächlich vorhandene, jenen quantitativen Aspekt ausblendende materielle (rechtliche) Beherrschungs- oder Ausübungsmöglichkeit ausschlaggebend.

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