Rz. 451

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Vorräte, hier fertige oder unfertige Erzeugnisse sowie Leistungen, dürfen weder nach IFRS noch nach HGB mit einem über den AHK liegenden Fair Value bewertet werden (vgl. HdR-E, HGB § 253, Rn. 440).

Bei einem Fertigungsauftrag handelt es sich um einen Vertrag über die kundenspezifische Herstellung einzelner Vermögenswerte oder einer Anzahl von Vermögenswerten, die in einem einheitlichen Nutzen- und Funktionszusammenhang stehen oder aufeinander abgestimmt sind (vgl. Beck IFRS-HB (2016), § 9, Rn. 8ff.). Oftmals erstreckt sich die Abarbeitung eines Fertigungsauftrags über mehrere Monate, wenn nicht sogar über mehrere Jahre.

Die bilanzielle Abbildung von Fertigungsaufträgen nach IFRS unterscheidet sich grundlegend von derjenigen nach HGB.

 

Rn. 452

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Die Bilanzierung von Fertigungsaufträgen (langfristige Auftragsfertigung) nach HGB wird vom Realisationsprinzip dominiert, wonach Erträge erst dann gebucht werden dürfen, wenn diese am BilSt realisiert sind (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4), mithin wenn die Lieferung oder Leistung erbracht ist und der Gefahrenübergang stattgefunden hat (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 91ff., m. w. N.). Bei über den BilSt hinausreichenden Fertigungsaufträgen kann dies zu einer verzerrten Darstellung der Ertragslage führen, da bestimmte Aufwendungen nicht als HK aktiviert und die korrespondierenden, diese negativen Erfolgsbeiträge überkompensierenden, Erträge (noch) nicht realisiert werden dürfen. Die handelsrechtliche Praxis begegnet dieser "Bilanzierungseinschränkung" aufgrund der zwingend anzuwendenden "Completed-Contract-Methode" oftmals mit vertraglich vereinbarten Teilabrechnungen und Teilabnahmen, die wiederum bei Vorliegen restriktiver Bedingungen mit Teilgewinnrealisierungen verbunden sind (vgl. ausführlich und m. w. N. nur HdR-E, HGB § 252, Rn. 98ff.; überdies Moxter/Engel-Ciric (2019), S. 37f.). Bis zum Zeitpunkt der Teilabnahme durch den Auftraggeber, d. h. bis zum diesbezüglichen Realisationszeitpunkt, sind die angefallenen Fertigungsaufwendungen als HK unter den unfertigen Erzeugnissen zu bilanzieren. Nach Teilabnahme erfolgt eine entsprechende Ertragsrealisierung durch Buchung einer Forderung aus LuL.

 

Rn. 453

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Im Gegensatz dazu ist nach IFRS eine Teilgewinnrealisierung auch ohne Teilabnahme nicht nur zulässig, sondern vielmehr bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen sogar geboten. So ist nach IFRS 15.35 eine zeitraumbezogene Erlösrealisierung verbindlich angezeigt, wenn eine der folgenden Vorausetzungen vorliegt (vgl. weiterführend iGAAP (2019A), S. 1215ff.; PwC-MoA (2019), Rn. 11.155ff.):

(a) Kunde erhält und verbraucht den Nutzen gleichzeitig mit der Leistungserbringung;
(b) Leistung des UN schafft oder verbessert einen Vermögenswert, der durch den Kunden während der Leistungserbringung kontrolliert wird;
(c) Leistung des UN führt zu einem Vermögenswert ohne alternative Nutzung und das UN verfügt über ein durchsetzbares Recht auf Zahlung für die bis dato ausgeführte Leistung.

Bei einem zeitraumbezogenen Kontrollübergang mit Teilgewinnrealisierung ist der jeweilige Leistungsfortschritt zu bestimmen (vgl. IFRS 15.B14). Hierfür können outputorientierte (vgl. IFRS 15.B15ff.) oder inputorientierte (vgl. IFRS 15.B18ff.) Methoden zur Anwendung gelangen. In der Praxis erfolgt die "Percentage-of-Completion-Methode" ((PoC); vgl. hierzu ausführlich Beck IFRS-HB (2016) § 9, Rn. 56ff., 145ff., m. w. N.) meist auf Basis der (inputorientierten) sog. "cost to cost method". Dabei wird der Leistungsfortschritt nach Maßgabe des Verhältnisses von bereits angefallenen Kosten zu den insgesamt erwarteten Kosten bestimmt.

Bei Anwendung der PoC-Methode werden die betreffenden Erzeugnisse und Leistungen zu über den HK liegenden Werten bilanziert. Allerdings erfolgt der Ausweis der um die anteilige Gewinnmarge (gemäß Leistungsfortschritt) erhöhten HK nicht unter den Vorräten. Vielmehr sind Forderungen zu bilanzieren, wenn ein unbedingter Anspruch auf Erhalt einer Gegenleistung besteht (vgl. IFRS 15.108). Hat das UN seine Leistung erbracht und besteht kein unbedingter Anspruch auf Erhalt einer Gegenleistung, da bspw. noch eine (Teil-)Abnahme aussteht, ist ein Vertragsvermögenswert (Bilanzposition mit Forderungscharakter) zu bilanzieren (vgl. IFRS 15.105ff.). Folgerichtig sind ggf. erforderliche Wertminderungen nach IFRS 9 zu bestimmen (vgl. IFRS 15.107; HdR-E, HGB § 253, Rn. 464ff.; für ein Beispiel Lorson/Poller/Haustein (2019), S. 47ff.).

 

Rn. 454

Stand: EL 30 – ET: 5/2020

Ergeben sich aufgrund der nach IFRS anzuwendenden Vorgehensweise temporäre Unterschiede zu den Wertansätzen in der StB, sind latente Steuern nach IAS 12 abzugrenzen. Dies ist der Fall, wenn die PoC-Methode zur Anwendung gelangt, da diese Bewertungstechnik in der StB unzulässig ist.

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