Latente Steuern: Keine Erleichterungen in Sicht
Latente Steuern sind mit dem Steuersatz zu berechnen, der bei Auflösung der Differenzen gilt. Dies war bislang unkritisch, da zumeist ein Steuersatz ausreichte, ggf. als begründeter Durchschnittssteuersatz bei abweichenden Gewerbesteuerhebesätzen. Im Fall einer Steuersatzänderung, die zumeist kurz vor dem Abschlussstichtag erfolgte, war dann lediglich mit dem neuen Satz zu rechnen für alle Differenzen. Eine genauere Betrachtung der Auflösungszeiträume war nur nötig für die latenten Steuern aus Verlustvorträgen, da diese nach § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB nur dann ansatzfähig sind, wenn diese innerhalb von 5 Jahren realisiert werden können.
Stufenweise Verringerung des Körperschaftsteuersatzes macht detaillierte Steuerplanung erforderlich
Die nun mit dem Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland beschlossene stufenweise Reduktion des Körperschaftsteuersatzes lässt die Anwendung dieser eindeutigen Regeln aber nun zu einer enormen Mehrbelastung werden, da im Ergebnis zumindest bis zum Jahr 2032 eine detaillierte Steuerplanung notwendig ist, um die latenten Steuern zu berechnen und zu bewerten.
Sowohl der Fachausschuss Finanzberichterstattung des DRSC (FA FB) in seiner Sitzung vom 16.9.2025 als auch der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) des IDW in seiner Sitzung vom 25.9.2025 haben sich mit der Thematik befasst und keine Erleichterungslösung finden können außer dem grundsätzlichen Verweis auf die Wesentlichkeit.
Auswirkungen der schrittweisen Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes auf die Bilanzierung der Unternehmen
Somit hat die KStG-Änderung Auswirkungen auf die Bilanzierung latenter Körperschaftsteuern nach §§ 274, 306 HGB in Jahres- und Konzernabschlüssen bei Unternehmen, die kraft Rechtsform oder kraft Optierung (§ 1a KStG) der Körperschaftsbesteuerung unterliegen, wenn diese Abschlüsse Stichtage aufweisen, die nach dem 10.7.2025 liegen. Nach § 274 Abs. 2 Satz 1 HGB (ggf. i. V. m. § 306 Satz 5 HGB) sind die Beträge der sich aus passiven temporären Differenzen (§ 274 Abs. 1 Satz 1 HGB) ergebenden Steuerbelastung und der sich aus aktiven temporären Differenzen (§ 274 Abs. 1 Satz 2 HGB) oder steuerlichen Verlust- (und Zins-)Vorträgen (§ 274 Abs. 1 Satz 4 HGB) ergebenden Steuerentlastung mit den unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen (bzw. im Zeitpunkt der Nutzung eines steuerlichen Verlust-/Zinsvortrags) zu bewerten.
Aufgrund der Änderung des KStG steht aktuell bereits fest, dass die Höhe der künftigen Körperschaftsteuerbe- oder -entlastung davon abhängt, in welchem Veranlagungszeitraum sich eine temporäre Differenz (voraussichtlich) abbauen wird bzw. in welchem Veranlagungszeitraum ein körperschaftsteuerlicher Verlust-/Zinsvortrag (voraussichtlich) genutzt wird. Deshalb muss für die Bewertung latenter Körperschaftsteuern in den o. g. HGB-Abschlüssen von den betroffenen Unternehmen prognostiziert werden, wann (d. h. in welchem Veranlagungszeitraum oder welchen Veranlagungszeiträumen) und in welchem Umfang sich die temporären Differenzen bzw. der Verlustvortrag voraussichtlich „realisieren“ werden (DRS 18.36 und .41). Die temporären Differenzen bzw. der Verlust-/Zinsvortrag ist mit demjenigen Körperschaftsteuersatz zu bewerten, der für den Veranlagungszeitraum gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet, innerhalb dessen sich eine temporäre Differenz voraussichtlich abbauen bzw. für das ein steuerlicher Verlust-/Zinsvortrag voraussichtlich genutzt wird.
Eine aus der Neubewertung resultierende Veränderung der (bilanzierten) latenten Steuern, d. h. der Veränderung(en) der letzten Buchwerte der angesetzten aktiven und/oder passiven latenten Steuern, ist erfolgswirksam zu erfassen (vgl. § 274 Abs. 2 Satz 3 HGB ggf. i. V. m. § 306 Satz 5 HGB, DRS 18.54). Das geänderte Körperschaftsteuerrecht ist bei der Formulierung der (Konzern-)Anhangangaben nach § 285 Nr. 29 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 21 HGB zu berücksichtigen. Zudem ist die durch das Wachstumsboostergesetz ausgelöste Veränderung der (bilanzierten) latenten Steuern in die (Konzern-)Anhangangaben nach § 285 Nr. 30 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 22 HGB einzubeziehen. Falls der entsprechende Ertrag bzw. Aufwand von außergewöhnlicher Größenordnung und/oder außergewöhnlicher Bedeutung ist, sind gemäß § 285 Nr. 31 bzw. § 314 Abs. 1 Nr. 23 HGB sein Betrag und seine Art im (Konzern-)Anhang anzugeben, soweit der Betrag nicht von untergeordneter Bedeutung ist.
Für IFRS-Anwender gilt dies im Ergebnis ebenso, wobei durch den Entfall des Aktivierungswahlrechts dort der Aufwand noch größer sein dürfte.
Latente Steuern: Fazit zu den Auswirkungen der stufenweisen Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes
Diese Einschätzungen stellen zwar die treffende Auslegung der geltenden Regelungen dar, doch könnte zumindest angemerkt werden, dass der Standardsetter und auch der Gesetzgeber bezüglich des Abzinsungsverbots für latente Steuern genau gegenteilig argumentiert haben. Dort wurde argumentiert, dass eine detaillierte Aufstellung des zeitlichen Verlaufs der Auflösung jeder temporären Differenz nicht durchführbar oder aufgrund ihrer Komplexität nicht vertretbar sei (so z. B. IAS 12.54). Fraglich ist, warum nun eine sehr detaillierte Steuerplanung bis weit in die Zukunft von den Unternehmen gefordert wird, was für die Abzinsung nicht verlangt wird. Hier wäre mehr Mut in der Auslegung oder Unterstützung bei Wesentlichkeitsüberlegungen vom DRSC und IDW wünschenswert gewesen, wo diese doch ansonsten häufig für einen Bürokratieabbau eintreten. Hier hätten sie die Chance, selber durch Empfehlungen einer GoB unnötigen Mehraufwand zu verringern.
Weitere Informationen zur Befassung durch den FA FB am 16.9.2025 sind seit dem 25.9.2025 abrufbar auf der Seite des DRSC.
Der Bericht über die 281. Sitzung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB) am 25.9.2025 findet sich bislang nur im Mitgliederbereich des IDW.
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