2.1 Öffentliche Zuwendungen im Jahresabschluss des Zuwendungsnehmers

2.1.1 Vorbemerkung

 

Rz. 13

Die bilanzielle Behandlung von Zuwendungen wird seit langem aufgrund des Fehlens expliziter handelsrechtlicher Normen kontrovers diskutiert.[1] Bevor im Einzelnen auf die Bilanzierungsproblematik öffentlicher Zuwendungen eingegangen wird, gibt das nächste Kapitel zunächst einen Einblick in die Stellungnahme des Hauptfachausschusses (HFA) des IDW zu Bilanzierungsfragen bei öffentlichen Zuwendungen. Im Anschluss daran wird anhand einschlägiger handelsrechtlicher Normen (mitsamt GoB) ein Konzept zur bilanziellen Erfassung solcher Zuwendungen formuliert.

[1] Vgl. hinsichtlich eines Überblicks über die verschiedenen Auffassungen zur Bilanzierung öffentlicher Zuwendungen Schubert/Gadek, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 255 HGB, Rz. 116 f.

2.1.2 Darstellung der IDW-Stellungnahme HFA 1/1984

 

Rz. 14

Mit seiner im Oktober 1984 erlassenen und 1990 überarbeiteten Stellungnahme zur Bilanzierung öffentlicher Zuwendungen lehnt sich das IDW inhaltlich an den unten näher erläuterten IAS 20 an. Gegenstand der Stellungnahme ist die Bilanzierung von verlorenen und bedingt rückzahlbaren Zuwendungen der öffentlichen Hand beim Zuwendungsempfänger. Im Überblick trifft der HFA des IDW folgende Feststellungen:[1]

 

Rz. 15

Verlorene Zuwendungen können zum einen mangels Rückzahlungspflicht nicht als Fremdkapital erfasst werden. Zum anderen steht einer unmittelbar erfolgsneutralen Erfassung im Eigenkapital entgegen, dass sie von Dritten gewährt werden. Folglich müssen sie sich als Erfolgsbeiträge in der Gewinn- und Verlustrechnung des Zuwendungsempfängers niederschlagen. Zur Gewährleistung eines zutreffenden Erfolgsausweises muss die Erfolgswirksamkeit der Zuwendungen an die Erfüllung der im Gesetz oder in den Förderbestimmungen festgelegten Voraussetzungen sowie an die Verrechnung der damit verbundenen Aufwendungen anknüpfen. Diesem Grundsatz wird nach Ansicht des HFA Rechnung getragen, sofern

  • "Investitionszuschüsse und -zulagen nach sachgerechten Verfahren verteilt über die Nutzungsdauer des Vermögensgegenstands, für den sie gewährt werden,
  • Aufwandszuschüsse nach Maßgabe der Verrechnung des Aufwands, zu dessen Deckung der Zuschuss dient, erfolgswirksam werden."[2]
 

Rz. 16

Dem Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung entsprechend erfolgt die Ertragswirksamkeit der Zuwendungen in den Perioden, welche die Aufwendungen tragen. Ergo knüpft die Stellungnahme an die Verrechnung der Aufwendungen und nicht an irgendeine Gegenleistung an. Der HFA begründet diese Vorgehensweise damit, dass die Zuwendungen eben einen Ausgleich für die mit einer Investition verbundenen zukünftigen Aufwendungen darstellen. Es erfolgt also eine zeitgleiche Verrechnung von Erträgen und Aufwendungen (matching principle).[3]

 

Rz. 17

Diesem Prinzip der zeitlichen Abgrenzung der Investitionszuwendungen kann entweder durch Kürzung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder durch die Bildung eines über die Nutzungsdauer des betreffenden Vermögensgegenstands aufzulösenden Passivpostens (etwa: "Sonderposten für Investitionszuschüsse zum Anlagevermögen") Rechnung getragen werden.

[1] Vgl. zum Folgenden ausführlich IDW, HFA 1/1984, WPg 1984, S. 612 (613 ff.).
[2] IDW, HFA 1/1984, WPg 1984, S. 613.
[3] Vgl. Tjaden, WPg 1985, S. 33 (35 f.).

2.1.3 Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung

 

Rz. 18

Sofern beim Empfänger ein Anspruch auf die Zuwendung besteht, ist dieser als Forderung unter dem Sammelposten "Sonstige Vermögensgegenstände" gem. § 266 Abs. 2 B. II. 4. HGB auszuweisen.[1] Zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf eine Zuwendung entsteht und dieser als Forderung zu erfassen ist, hängt davon ab, ob der Empfänger einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Zuwendung besitzt. Besteht ein solcher nicht, erfolgt die Erfassung der Forderung dann, wenn am Bilanzstichtag die sachlichen Voraussetzungen für die Zuwendungsgewährung erfüllt sind und bei Aufstellung des Jahresabschlusses die Bewilligung der Zuwendung vorliegt. Existiert am Abschlussstichtag ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Zuwendung (z. B. bei Investitionszulagen nach dem InvZulG), kommt eine Bilanzierung bereits in Betracht, wenn bei Bilanzaufstellung der für die Zuwendungsgewährung notwendige Antrag gestellt ist oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gestellt wird.[2]

Sofern verlorene Zuwendungen ausgezahlt werden, bevor der Empfänger die an die Gewährung geknüpften sachlichen Bedingungen erfüllt hat, muss der erhaltene Betrag bis zu seiner bestimmungsgemäßen Verwendung in Übereinstimmung mit § 266 Abs. 3 C. 8. HGB als bilanzielle Schuld unter dem Posten "Sonstige Verbindlichkeiten" ausgewiesen werden.[3]

[1] Vgl. Uhlig, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Zuschüsse, 1989, S. 312.
[2] Vgl. IDW, HFA 1/1984, WPg 1984, S. 613 f.
[3] Vgl. IDW, HFA 1/1984, WPg 1984, S. 613.

2.1.4 Bilanzierung verlorener Investitionszuwendungen

2.1.4.1 Sukzessive Ertragsrealisierung einer Zuwendung durch Ansatz gekürzter Anschaffungs- oder Herstellungskosten

 

Rz. 19

Im Folgenden wird angenommen, dass die Zuwendung für einen abnutzbaren Vermögensgegenstand des Anlagevermögens gewährt wird, da es nur unter dieser Prämisse zu einer sukzessiven Realisierung der Zuwendung durch Ansatz der gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten kommen kann.[1] Demgegenüber wird ...

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