Leitsatz

1. Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG.

2. Ein ausländischer "Spin-Off", der aus nationaler Sicht eine Ausgliederung i.S. des § 123 Abs. 3 UmwG mit anschließender Sachausschüttung der Aktien am übernehmenden Rechtsträger darstellt, kann einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG dann vergleichbar sein, wenn die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen "zeitlichen und sachlichen Zusammenhang" mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt (Anschluss an BFH-Urteile vom 01.07.2021 – VIII R 9/19, und ­VIII R 15/20).

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 4a Sätze 1 und 7 EStG, § 123 Abs. 2 und 3 UmwG, Art. 63 AEUV

 

Sachverhalt

Die zusammen veranlagten Kläger hielten im Streitjahr 2012 Aktien der Kraft Foods Inc. (KFI), einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft. Am 2.10.2012 übertrug die KFI ihre Lebensmittelsparte für Nordamerika auf die neu gegründete Kraft Foods Group Inc. (KFG), ebenfalls eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft. Sie erhielt dafür Aktien an der KFG. Gleichzeitig wurde die KFI in Mondelez International Inc. (M) umbenannt. Sodann teilte die M ihren Aktionären die erhaltenen KFG-Aktien im Verhältnis 3 : 1 zu, ohne dass das Kapital der M herabgesetzt wurde. Auf dem Depot der Kläger wurden dementsprechend im Streitjahr Aktien der KFG eingebucht. Die Depotbank der Kläger ging insofern – unter Berücksichtigung des maßgeblichen Börsenkurses der KFG-Aktien – von einer steuerpflichtigen Sachausschüttung aus und behielt Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag ein. Sie wies dies in der Jahressteuerbescheinigung aus.

Die Kläger, nach deren Auffassung die Zuteilung der KFG-Aktien als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu behandeln ist, beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 EStG sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Das FA folgte dem nicht, sondern legte den strittigen Kapitalertrag mit dem für Kapitaleinkünfte geltenden Steuertarif (§ 32d Abs. 1 EStG) der Besteuerung zugrunde und rechnete die einbehaltene und abgeführte KapESt lediglich auf die festgesetzte ESt an. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2018, 13 K 3111/18, Haufe-Index 12852026, EFG 2019, 425).

 

Entscheidung

Die Revision war begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.

 

Hinweis

1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Zuteilung der KFG-Aktien als Sachausschüttung zu einem nach Art. 10 Abs. 1 DBA–USA 1989/2008 im Inland zu versteuerndem Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führt.

2. Diese Sachausschüttung ist nicht als Einlagenrückgewähr nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen. Denn im Streitjahr wurde die Ausschüttung nicht durch die Rückgewähr von Einlagen i.S.d. § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG finanziert, sondern gemäß der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG durch den Bilanzposten "retained earnings". Hierbei handelt es sich um die in den früheren Jahren angesammelten Jahresüberschüsse und somit um den ausschüttbaren Gewinn i.S.d. § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG. Dabei ist es unerheblich, ob die Ausschüttung nach US-Recht auch tatsächlich aus diesem Bilanzposten vorgenommen worden ist. Entscheidend ist bei der rechtsvergleichenden Betrachtung allein die Verwendungsfiktion des deutschen Rechts.

3. Jedoch handelt es sich im vorliegenden Fall um eine nicht steuerbare Abspaltung. Diese wurde zeitlich zwar vor der Einführung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG durchgeführt. Nach § 52a Abs. 10 Satz 12 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG ist § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG erstmals auf Abspaltungen anzuwenden, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das öffentliche Register, das für die Wirksamkeit des jeweiligen Vorgangs maßgebend ist, nach dem 31.12.2012 erfolgt. Nach Auffassung des BFH kommt es für die zeitliche Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei Auslandssachverhalten auf die gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit der entsprechenden Maßnahme nach ausländischem Recht an. Da der streitige "Spin-Off" nach den Feststellungen des FG bereits im Oktober 2012 vollzogen wurde, war die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG im Streitfall noch nicht anwendbar. Nichts anderes ergibt sich, wenn mit § 20 Abs. 4a Satz 6 EStG auf den Zeitpunkt der Einbuchung in das Depot der Kläger abgestellt wird, die am 5.10.2012 erfolgte.

4. Nach Auffassung des BFH fällt eine Drittstaatenabspaltung vor der Einführung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG jedoch in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG. Der BFH folgt insoweit nicht der h.M., sondern geht davon aus, dass auf Ebene des Gesellschafters ein tauschähnlicher Vorg...

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