Leitsatz

1. Die Gewährung des Vorsteuerabzugs unter dem Gesichtspunkt einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung setzt auch im Wege einer Billigkeitsmaßnahme voraus, dass die zu berichtigende Rechnung falsche oder unvollständige Angaben enthält, die einer Berichtigung zugänglich wären.

2. Die für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, dass die Vorsteuer erst in dem Besteuerungszeitraum abgezogen werden kann, in dem ihm auch die Rechnung vorliegt, beruht auf einer bewussten Anordnung des Gesetzgebers, die nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme unterlaufen werden darf.

 

Normenkette

§ 163 Satz 1, § 233a AO, , § 14, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2, § 16 Abs. 1 Sätze 2 und 3, § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a, Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Verlagsgesellschaft, schloss im Jahr 1999 mit der X-AG eine Vereinbarung, die ihr das ausschließliche Recht einräumte, regelmäßig erscheinende kostenlose Printprodukte in von der X-AG im Linienverkehr eingesetzten Straßenbahnen und Bussen sowie an Stationen und Haltestellen zu vertreiben. Sie hatte hierfür u.a. bestimmte publizistische Gegenleistungen zu erbringen. Die Vertragsparteien sahen die gegenseitigen Leistungen als gleichwertig an, sodass sie darüber keine Rechnungen ausstellten.

Im Juni 2007 – so das FG – "stellten die Vertragsparteien die Steuerbarkeit und Steuerpflicht des Leistungsaustausches ... übereinstimmend fest", erteilten sich daraufhin über die in den Jahren 1999 bis 2005 erbrachten gegenseitigen Leistungen Rechnungen, verrechneten den jeweils offenen Betrag mit dem jeweiligen Gegenanspruch und wiesen dabei Umsatzsteuer offen aus.

Die Klägerin gab daraufhin für die Jahre 1999 bis 2005 berichtigte Umsatzsteuererklärungen ab und brachte die ihr von der X-AG in den Rechnungen vom 4. Juni 2007 in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Juli 2007 als Vorsteuer in Abzug.

Das FA folgte den von der Klägerin berichtigten Umsatzsteuererklärungen, setzte aber außerdem Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1999 bis 2005 (bestandskräftig) fest.

Den Antrag der Klägerin, den Vorsteuerabzug aus den 2007 erteilten Rechnungen aus sachlichen Billigkeitsgründen rückwirkend in den Jahren des Leistungsbezugs, d.h. für 1999 bis 2005, zuzulassen – mit der Folge, dass die Grundlage für die Festsetzung der Nachzahlungszinsen entfällt –, lehnte das FA ab. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.10.2010, 5 K 425/08, Haufe-Index 2692546).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Er führte u.a. aus, die geltend gemachte Vorsteuer sei – auch im Wege einer Billigkeitsmaßnahme – nicht (bereits) in den Streitjahren 1999 bis 2005 abziehbar, weil die Klägerin seinerzeit noch nicht über entsprechende Rechnungen verfügt habe.

Ein Vorsteuerabzug unter dem Gesichtspunkt einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung scheide bereits deshalb aus, weil in den Streitjahren 1999 bis 2005 keine Rechnungen mit falschen oder unvollständigen Angaben erteilt worden seien, die einer Berichtigung zugänglich wären. Der Sachverhalt unterscheide sich insoweit von dem in dem EuGH-Urteil Pannon Gép (Slg. 2010, I‐7467, UR 2010, 693).

 

Hinweis

Vorsteuerbeträge sind erst in dem Besteuerungszeitraum abziehbar, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG insgesamt vorliegen, d.h. in dem der Steuerpflichtige auch über eine entsprechende Rechnung verfügt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.6.2013 – XI R 41/10

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