Leitsatz

1. Über das Merkmal des Beginns der sachlichen Gewerbesteuerpflicht ist selbständig im Verlustfeststellungsverfahren gemäß § 10a GewStG zu entscheiden.

2. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht eines gewerblichen Grundstückshändlers beginnt frühestens mit dem Abschluss eines (wirksamen) Kaufvertrags über eine erste Immobilie, denn erst hierdurch wird er in die Lage versetzt, seine Leistung am Markt anzubieten.

 

Normenkette

§ 35b, § 10a, § 2 Abs. 1 GewStG

 

Sachverhalt

Gesellschaftszweck der Klägerin, einer KG, ist die Verwaltung und Veräußerung von Grundstücken. Das Geschäftsjahr der Klägerin beginnt am 1.6. eines Jahres und endet am 31.5. des Folgejahres. Im Juni 2012 hatte die Klägerin bebaute Grundstücke erworben. Den Erwerb hatte sie im Wirtschaftsjahr 2011/2012 vorbereitet (u.a. Beauftragung eines Maklerbüros, Besichtigung der Grundstücke). 2014 veräußerte sie diese Grundstücke sowie weitere neun zuvor sanierte Eigentumswohnungen. Für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 erklärte sie einen Verlust. In diesem Wirtschaftsjahr hatte sich ihre Geschäftstätigkeit auf die Emission von Genussrechten zur Finanzierung ihres Gesellschaftszwecks beschränkt. Hieraus resultierten u.a. erhebliche Druck- und Prospektkosten, Verkaufsprovisionen und Vertriebskosten. Dem standen nur geringe Erträge gegenüber, bei denen es sich im Wesentlichen um Zinserträge handelte. Den Antrag auf Feststellung des vortragsfähigen Fehlbetrags gemäß § 10a GewStG auf den 31.12.2012 lehnte das FA ab, da es sich bei den Akquisitionstätigkeiten der Klägerin um bloße Vorbereitungshandlungen handele, die die GewSt-Pflicht noch nicht begründeten. Das FG (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.5.2019, 1 K 462/15, Haufe-Index 14292250, EFG 2021, 290) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei zwar die Würdigung des FG, dass die Klägerin mit der verzinslichen Anlage des bereits eingezahlten Genussrechtskapitals lediglich die Ausübung ihrer originär gewerblichen Tätigkeit als Grundstückshändlerin vorbereitet und nicht vorab eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt und hierdurch eine sachliche Gewerbesteuerpflicht begründet habe. Rechtsfehlerhaft habe das FG jedoch angenommen, die Klägerin habe ihre werbende Tätigkeit bereits vor dem 1.6.2012 dadurch aufgenommen, dass sie Kontakt zu Immobilienmaklern gesucht, an Wohnungsbesichtigungen teilgenommen und Kaufvertragsverhandlungen geführt habe. Denn die sachliche GewSt-Pflicht der Klägerin als Grundstückshändlerin habe frühestens im Juni 2012 mit Abschluss des Kaufvertrags über ihre erste Immobilie begonnen.

 

Hinweis

1. Die Verlustfeststellung gemäß § 10a GewStG erfolgt auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr zum 31.12. eines Jahres, denn nach § 10 Abs. 2 GewStG gilt bei Unternehmen mit vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr der Gewerbeertrag als in dem Erhebungszeitraum bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet.

2. Ob eine sachliche GewSt-Pflicht besteht, ist im Verlustfeststellungsverfahren nach § 10a GewStG ohne Bindung an den GewSt-Messbescheid des Erhebungszeitraums, auf dessen Ende der vortragsfähige Gewerbeverlust nach § 10a GewStG gesondert festzustellen ist, selbstständig zu prüfen. Dieser GewSt-Messbescheid ist für den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes dieses Erhebungszeitraums insoweit kein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO. Dies gilt auch nach der Änderung des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG durch das JStG 2010. Dieser Regelung kann keine Bindungswirkung des GewSt-Messbescheides für den Verlustfeststellungsbescheid entnommen werden, weil das Merkmal des Beginns oder des Endes der sachlichen GewSt-Pflicht keine Frage der Besteuerungsgrundlage i.S.d. § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ist.

3. Maßgebend für den Beginn des Gewerbebetriebs i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG ist der Beginn der werbenden Tätigkeit. Davon abzugrenzen sind die bloßen, gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlichen Vorbereitungshandlungen. Für den Beginn der werbenden Tätigkeit ist entscheidend, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, sodass sich das Unternehmen daran mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann.

4. Bei einem auf Handel ausgerichteten Unternehmen liegt eine werbende Tätigkeit vor, wenn der Unternehmer seine Leistungen am Markt anbietet. Auch bei Handelsunternehmen, die die später zu veräußernde Ware selbst herstellen oder einkaufen, gehört danach nicht bereits der gesamte Herstellungs- bzw. Einkaufsprozess zum Gegenstand des Gewerbebetriebs: Ein solcher Gewerbebetrieb beginnt vielmehr frühestens mit dem Ende des Erwerbsvorgangs. Dementsprechend nimmt ein gewerblicher Grundstückshändler seine werbende Tätigkeit frühestens mit der Anschaffung der ersten Immobilie, d.h. mit dem (wirksamen) Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags auf, denn erst hierdurch wird er in d...

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