Leitsatz

Ist Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK dahin auszulegen, dass er auch die Nichterfüllung solcher Pflichten betrifft, die erst nach der Beendigung des betreffenden in Anspruch genommenen Zollverfahrens zu erfüllen sind, sodass bei im Rahmen eines aktiven Veredelungsverkehrs nach dem Nichterhebungsverfahren fristgerecht teilweise wieder ausgeführten Einfuhrwaren die Verletzung der Pflicht, der Überwachungszollstelle binnen 30 Tagen nach Ablauf der Frist für die Beendigung des Verfahrens die Abrechnung vorzulegen, zur Entstehung einer Zollschuld für die gesamte Menge der abzurechnenden Einfuhrwaren führt, sofern die Voraussetzungen des Art. 859 Nr. 9 ZKDVO (in der durch Art. 1 Nr. 30 Buchst. b VO [EG] Nr. 993/2001 geänderten Fassung) nicht vorliegen?

 

Normenkette

Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK, Art. 521 Abs. 1, Art. 859 Nr. 9 ZKDVO

 

Sachverhalt

Fruchtsaftkonzentrate waren eingeführt und im Rahmen bewilligter aktiver Veredelungsverkehre nach dem Nichterhebungsverfahren verarbeitet worden. Gem. der erteilten Bewilligung musste innerhalb von 30 Tagen nach Beendigung des Verfahrens der Überwachungszollstelle die Abrechnung vorgelegt werden (Art. 521 Abs. 1 Unterabs. 1 Anstrich 1 ZKDVO).

Als das Unternehmen trotz Mahnung die Abrechnung nicht fristgerecht vorgelegt hatte, setzte das HZA Einfuhrabgaben für die Einfuhrwaren in voller Höhe (ca. 1,4 Mio. EUR) fest. Die später vorgelegte Abrechnung wies demgegenüber wegen einer wesentlich geringeren Menge nicht fristgerecht ausgeführter Einfuhrwaren einen niedrigeren Abgabenbetrag (217 338,39 EUR) aus.

 

Entscheidung

Der BFH hat den EuGH befragt, weil er im Zweifel ist, ob nicht Art. 859 Nr. 9 ZKDVO ins Leere geht und wegen nicht fristgerechter Abrechnung eine Zollschuld von vornherein nicht entsteht.

 

Hinweis

Eine Zollschuld entsteht u.a., wenn eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlung nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt hat. Zu den bei aktiver Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren dem Bewilligungsinhaber obliegenden Pflichten gehört nach Art. 521 Abs. 1 Unterabs. 1 Anstrich 1 ZKDVO die Vorlage der Abrechnung des Verfahrens spätestens binnen 30 Tagen nach Ablauf der Frist für die Beendigung des Verfahrens.

Welche Pflichtverletzungen sich i.S.d. Art. 204 Abs. 1 letzter Halbs. ZK auf das in Anspruch genommene Zollverfahren nicht wirklich ausgewirkt haben, wird durch Art. 859 ZKDVO abschließend geregelt (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.1999, C-48/98 – Söhl & Söhlke –, Slg. 1999, I-7877). Nach der die aktive Veredelung betreffenden Vorschrift des Art. 859 Nr. 9 ZKDVO hat sich das Überschreiten der zulässigen Frist für die Vorlage der Abrechnung nicht wirklich auf das Zollverfahren ausgewirkt, sofern die Frist bei rechtzeitiger Antragstellung entsprechend verlängert worden wäre. Die Vorschrift geht also davon aus, dass die nicht fristgerechte Vorlage der Abrechnung des aktiven Veredelungsverkehrs eine Pflichtverletzung i.S.d. Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK ist, welche die Zollschuld entstehen lässt.

Im (deutschen) Schrifttum werden allerdings gegen die Vorstellung, allein eine Fristüberschreitung lasse eine Zollschuld entstehen, u.a. deshalb Einwände erhoben, weil dadurch die Zollschuld gleichsam als Sanktion für eine Pflichtverletzung vorgesehen wird. Außerdem fehle es für die – im Ergebnis allemal gebotene – Praxis der Verwaltung, bereits aufgrund Abmeldung der Einfuhrwaren aus dem Veredelungsverfahren entstande Zollbeträge anzurechnen an einer Rechtsgrundlage.

Da unter anderem mit diesen Argumenten gewichtige Schrifttumsstimmen die Zollschuldentstehung in Fällen wie dem vorliegenden infrage stellen, hat der BFH die Rechtslage als nicht klar und eindeutig angesehen mit der Folge, dass er nicht abschließend entscheiden konnte (Art. 267 VAEU).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Vorlagebeschluss vom 30.03.2010 – VII R 16/09

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