Leitsatz

1. Art. 859 Nr. 6 ZKDVO, wonach das Nichtentstehen einer Zollschuld im Fall einer Pflichtverletzung im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren (Nichtwiedergestellung der Ware bei der Bestimmungsstelle) u.a. von dem Nachweis abhängt, dass den Beteiligten bzw. seinen Erfüllungsgehilfen (Warenführer) keine grobe Fahrlässigkeit trifft, ist gültig. Die Vorschrift verletzt nicht höherrangiges Gemeinschaftsrecht.

2. Diese Zollvorschrift ist auch im Fall der Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden.

 

Normenkette

Art. 96 ZK , Art. 203 ZK , Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK , Abs. 3 ZK , Art. 378 Abs. 1 a.F. ZKDVO , Art. 379 Abs. 2 a.F. ZKDVO , Art. 380 a.F. ZKDVO , Art. 859 Nr. 6 ZKDVO , Art. 860 ZKDVO

 

Sachverhalt

Eine Spedition ließ vier Pkws mit je einem Versandschein T1 zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren abfertigen. Bestimmungsstelle sollte jeweils das Zollamt Frankfurt/Oder sein. Als Empfänger der Pkws waren Personen in der Ukraine angegeben. Da die Rückscheine zu den Versandverfahren nicht eingingen, leitete das HZA das Suchverfahren ein. Die Bestimmungszollstelle teilte daraufhin mit, dass die Sendungen dort weder gestellt noch die betreffenden Versandscheine vorgelegt worden seien. Über den Verbleib der Sendungen habe nichts in Erfahrung gebracht werden können. Bereits zuvor war der Spedition mitgeteilt worden, dass die Sendungen der Bestimmungsstelle nicht gestellt worden seien. Sie wurde aufgefordert, innerhalb von drei Monaten die ordnungsgemäße Erledigung der Versandverfahren oder den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Als dies nicht geschah, forderte das HZA Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer).

Im Klageverfahren legte die Spedition Bescheinigungen der Stadt Kiew und der Stadt Odessa vor, nach denen die Pkws in die Ukraine eingeführt und die Zollgebühr gezahlt worden sei. Später legte sie darüber noch eine Bescheinigung des staatlichen Zollkomitees der Ukraine vor. Die Klage blieb gleichwohl erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH hat das klageabweisende Urteil bestätigt. Die Zollschuld sei nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK wegen der Verletzung von Pflichten entstanden, die sich daraus ergeben, dass die Pkws auf Antrag der Spedition zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren mit Versandschein T1 abgefertigt worden sind. Die Spedition sei Hauptverpflichtete in diesem Verfahren; die ihr obliegenden Pflichten ergäben sich aus Art. 96 Abs. 1 ZK. Es gehöre insbesondere zu den Pflichten des Hauptverpflichteten, die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist unverändert der Bestimmungsstelle zu gestellen.

Das sei nicht geschehen. Damit sei die Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden, es sei denn, dass sich die vorgenannte Verfehlung auf die ordnungsgemäße Abwicklung des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens nicht wirklich ausgewirkt habe. Dieser Nachweis sei indes nicht geführt. Denn die Voraussetzungen, unter denen die Abgabenschuld nach Art. 204 Abs. 1 ZK ausnahmsweise nicht entsteht, seien abschließend durch Art. 859 ZKDVO geregelt. In Betracht komme nur Nr. 6: es dürfe sich nicht um den Versuch handeln, die Ware der zollamtlichen Überwachung zu entziehen, es dürfe keine grobe Fahrlässigkeit vorliegen und es müsse im Fall einer Wiederausfuhr der Ware ohne Erfüllung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten die tatsächliche Ausfuhr der Ware nachgewiesen werden.

Jedenfalls habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass keine grobe Fahrlässigkeit vorliege. Denn dafür reiche es nicht aus, dass die Klägerin sich zuverlässiger Erfüllungsgehilfen bedient habe. Unabhängig davon, welche Sorgfalt der Hauptverpflichtete bei der Auswahl seiner Erfüllungsgehilfen habe walten lassen, müsse die Spedition vielmehr für die Sorgfalt Dritter, insbesondere ihres Warenführers einstehen. Die Klägerin indes habe die Warenführer nicht einmal benannt und nicht geschildert, wie die Beförderung abgewickelt wurde und aus welchen Gründen die Warenführer die vier Pkws keiner Bestimmungsstelle wiedergestellt haben.

Diese strengen Vorschriften seien angemessen, weil es weitgehend von der Sorgfalt des Beteiligten und der von ihm zur Erfüllung seiner Verpflichtungen herangezogenen Personen abhängt, ob er sich durch Nichtbeachtung von Verfahrensvorschriften dem Entstehen einer Zollschuld aussetzt.

 

Hinweis

1. Sinn und Zweck der modernen Zollerhebung ist der Schutz der heimischen Wirtschaft. Zoll ist folglich nur zu erheben, wenn die betreffende Ware in den Wirtschaftskreislauf eingeht. Für eine Ware, die nur vorübergehend im Zollgebiet verbleibt und anschließend wieder ausgeführt wird, ist dementsprechend grundsätzlich kein Zoll zu erheben.

2. Eine völlig andere Frage ist jedoch, welche Prozeduren für den Nachweis vorgeschrieben werden, dass die Voraussetzungen für die Nichterhebung des Zolls erfüllt sind. Da es sich beim zollrechtlich relevanten Warenverkehr um Massenverfahren handelt, sind seit jeher bestimmte Verfahren vorgeschrieben, die der zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs dienen.

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