Leitsatz

Die selbstständige Beratungstätigkeit eines Diplom-Wirtschaftsingenieurs auf zumindest einem Hauptgebiet der Betriebswirtschaftslehre ist der des beratenden Betriebswirts i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zumindest ähnlich. Ein Autodidakt verfügt über entsprechend ausreichende Kenntnisse, wenn es eine Hochschule, Fachhochschule oder Berufsakademie gibt, mit deren Prüfungsanforderungen sich sein technisches und betriebswirtschaftliches Wissen vergleichen lässt.

 

Normenkette

§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte sich nach einer Ausbildung als Maschinenbautechniker und anschließender Tätigkeit in diesem Beruf zum REFA-Techniker fortgebildet. In der Folge war er als freier Mitarbeiter bei einer Unternehmensberatung tätig und besuchte laufend weitere Fortbildungslehrgänge. In den Streitjahren erstellte der Kläger u.a. Ablaufuntersuchungen für ein Rechenzentrum im Bankbereich und für die Finanzverwaltung. Außerdem beriet er verschiedene Unternehmen in Fragen der Arbeitsplanung, Fertigungsorganisation und Kostenrechnung.

Das FA behandelte die Einkünfte des Klägers als solche aus Gewerbebetrieb. Demgegenüber vertrat das FG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Auffassung, die Tätigkeit des Klägers entspreche der eines Dipl.-Wirtschaftsingenieurs und sei als freiberuflich zu qualifizieren.

 

Entscheidung

Der BFH verwies das Verfahren an das FG zurück. Zwar könne ein Wirtschaftsingenieur als Freiberufler angesehen werden. Es sei aber noch nicht ausreichend festgestellt, ob der Kläger die entsprechenden Kenntnisse erworben habe. Angesichts der nicht den gesamten Bereich der Betriebswirtschaft abdeckenden Kenntnisse sei noch zu prüfen, ob der Kläger gleichwohl im Hinblick auf seine technischen Kenntnisse dem Absolventen eines Ausbildungsgangs zum Dipl.-Wirtschaftsingenieur gleichzustellen sei.

 

Hinweis

1. Wer keine Ausbildung zu einem der sog. Katalogberufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG absolviert hat, kann gleichwohl freiberuflich tätig sein, wenn er einen Beruf ausübt, der einem der Katalogberufe ähnlich ist. Das setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus:

  • Ausbildung, die in der Breite und Tiefe derjenigen entspricht, die beim Erwerb des Katalogberufs absolviert wird,
  • Tätigkeit auf einem Hauptgebiet des Katalogberufs,
  • wenn der Katalogberuf eine Berufszulassung und -überwachung erfordert, eine vergleichbare Zulassung und Überwachung.

Nicht möglich ist es nach Meinung des BFH, die Ähnlichkeit des Berufs im Verhältnis zu einer Gruppe von Katalogberufen zu bestimmen. Neue Querschnittsberufe können dann nur unter der Voraussetzung als freie Berufe i.S.d. § 18 EStG anerkannt werden, dass sie eine besondere Nähe zu einem bestimmten Katalogberuf aufweisen. Anderenfalls wird die Tätigkeit als gewerblich behandelt, wie jüngst im Fall eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten (Urteil vom 5.6.2003, IV R 34/01, BFH-PR 2003, 407).

2. Ein solcher Querschnittsberuf ist auch der Wirtschaftsingenieur, dessen Tätigkeit sowohl den Bereich des beratenden Betriebswirts als auch den des Ingenieurs betrifft. Der BFH sieht in diesem Fall eine besondere Nähe der Tätigkeit zu der eines beratenden Betriebswirts.

Wenn der Wirtschaftsingenieur zuvor eine betriebswirtschaftliche Ausbildung abgeschlossen hat, steht seiner Behandlung als Freiberufler nichts im Weg. Anderenfalls werden häufig nicht Kenntnisse in allen Bereichen der Betriebswirtschaft bestehen, was nach traditioneller Sichtweise die Einstufung als Freiberufler verhindern würde. Hier schafft der BFH mit dem Besprechungsurteil nun eine Erleichterung. Denn er lässt es ausreichen, wenn die Kenntnisse vorliegen, die während der Ausbildung zum Dipl.-Wirtschaftsingenieur an einer Hochschule, Fachhochschule oder Berufsakademie erworben werden. Diese Ausbildungsgänge beinhalten zwar nicht den vollen Fächerkanon der Betriebswirtschaft, dafür aber erhebliche Kenntnisse in den Ingenieurwissenschaften.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.8.2003, IV R 21/02

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