Leitsatz

In Fällen, in denen ein Kraftfahrzeug Teil der Insolvenzmasse (§ 35 Insolvenzordnung[1]) ist, setzt die Finanzverwaltung die Kraftfahrzeugsteuer zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzverwalter (§ 56 InsO) fest; auf diesen ist nach § 80 InsO das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das Vermögen des Insolvenzschuldners übergegangen. Die Vorschrift des § 7 Nr. 1 KraftStG, nach der die Person die Kraftfahrzeugsteuer schuldet, auf die das Fahrzeug zugelassen ist (§ 3 Fahrzeug-Zulassungsverordnung[2] - Fahrzeughalter), wird hier vom Insolvenzrecht überlagert.

 

Sachverhalt

Das in Rede stehende Fahrzeug wird von einer GmbH gehalten und wurde mit deren Insolvenz Teil der Insolvenzmasse i. S. d. § 35 InsO. Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fahrzeughalterin hatte das Finanzamt als für die Ausübung der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer zuständige Behörde die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit bis zur Insolvenzeröffnung am 1.7.2010 festgesetzt und zum 30.6.2010 einen Endebescheid nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG erlassen. Aus dieser Festsetzung hatte sich ein Erstattungsanspruch ergeben, da die nach § 6 KraftStG mit Beginn der Steuerpflicht für das Fahrzeug fällige Kraftfahrzeugsteuer unbefristet festgesetzt worden war und die GmbH - entsprechen der Vorschrift des § 6, 2. Hs. KraftStG i. V. m. § 11 KraftStG - die Kraftfahrzeugsteuer für den Entrichtungszeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 im Voraus gezahlt hatte. Den sich aus dem Endebescheid zu Gunsten der Insolvenzmasse ergebenden Erstattungsanspruch der GmbH für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens (1.7.2010) bis zum Ende des Entrichtungszeitraums hatte die Finanzverwaltung mit Steuerrückständen der GmbH aus einer anderen Steuerart verrechnet.

Mit einem weiteren Bescheid hatte das Finanzamt zum 1.7.2010 wiederum unbefristet Kraftfahrzeugsteuer gegenüber dem Insolvenzverwalter als Verwalter der Insolvenzmasse und damit den Steuerschuldner i. S. d. § 33 Abs. 1 AO unbefristet (§ 12 Abs. 1 KraftStG) neu festgesetzt.

 

Entscheidung

Bei der Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer stehen die Vorschriften des Kraftfahrzeugsteuergesetzes und die für die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung relevanten verkehrsrechtlichen Vorschriften in Konkurrenz zu den im Insolvenzverfahren zu beachtenden Vorschriften und werden von diesen z. T. überlagert. Nach § 7 Nr. 1 KraftStG schuldet bei einem inländischen Fahrzeug die Person die Kraftfahrzeugsteuer, auf die das Fahrzeug zugelassen ist. Es handelt sich hierbei um den verkehrsrechtlichen Halter i. S. d. § 3 KraftStG. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten die dafür einschlägigen Vorschriften, insbesondere die Vorschriften der Insolvenzordnung, jedoch in den Vordergrund. Sie überlagern und modifizieren die kraftfahrzeugsteuer- und verkehrsrechtlichen Vorschriften, die bis dahin alleinige Grundlage für die Steuerschuldnerschaft waren. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BFH v. 13.4.2011, II R 49/09, BStBl. II 2011, 944 u. a.) ist im Insolvenzverfahren für die Kraftfahrzeugsteuerschuldnerschaft maßgebend, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist. Für ein Fahrzeug, das wie im entschiedenen Falle, Teil der Insolvenzmasse ist, wird der Insolvenzverwalter mit Eröffnung Steuerschuldner und hat die Kraftfahrzeugsteuer aus der Insolvenzmasse zu entrichten. Abzugrenzen hiervon sind Fälle, in denen, z. B. bei Privatinsolvenz, ein Fahrzeug zum insolvenzfreien Vermögen gehört; dann ist und bleibt der Insolvenzschuldner sowohl Halter, als auch Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer.

Eine weitere Problematik im entschiedenen Falle stellen die Besonderheiten zur Fälligkeit und Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer dar. Die Kraftfahrzeugsteuer wird nach § 12 KraftStG in Fällen, in denen das Ende der Steuerpflicht nicht feststeht, unbefristet festgesetzt. Nach § 6 KraftStG entsteht die Kraftfahrzeugsteuer bei fortlaufenden Entrichtungszeiträumen mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums. Dieser Entrichtungszeitraum beträgt im Regelfall ein Jahr. Für das in Rede stehende Fahrzeug hatte die später insolvente GmbH zu Beginn des Entrichtungszeitraums 1.1.2010 Kraftfahrzeugsteuer gezahlt, so dass zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 1.7.2010 Kraftfahrzeugsteuer bis zum Ende des Entrichtungszeitraums (31.12.2010) entrichtet war. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens war nicht länger die GmbH, sondern vielmehr der Insolvenzverwalter Schuldner der Kraftfahrzeugsteuer, so dass die für die Zeit ab dem 1.7.2010 entrichtete Kraftfahrzeugsteuer zu erstatten und gegen den Insolvenzverwalter Kraftfahrzeugsteuer neu festzusetzen war.

 

Hinweis

In der Praxis kommt in erster Linie bestimmten Normen des Verkehrsrechts für das Kraftfahrzeugsteuerrecht besondere Bedeutung zu; der verkehrsrechtliche Fahrzeughalter ist regelmäßig auch Steuerpflichtiger der Kraftfahrzeugsteuer. Im Insolvenzfalle ist zur Bestimmung der Steuerpflicht maßgebend, ob ein Fahrzeug "Teil der Insolvenzmasse" ist. Nach § 35 Abs. 1 InsO ...

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