Leitsatz

1. Die auf § 174 Abs. 3 AO gestützte Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids knüpft hinsichtlich der Erkennbarkeit der fehlerhaften Nichtberücksichtigung eines Sachverhalts an die Person des Feststellungsbeteiligten an.

2. Der erstmalige Erlass eines GewSt-Messbescheids kann nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht auf § 35b Abs. 1 GewStG gestützt werden.

 

Normenkette

§ 174 Abs. 3-5 AO, § 35b GewStG

 

Sachverhalt

Drei Gesellschafter waren an einer Besitz-GbR, einer Produktions-GmbH & Co. KG und einer Vertriebs-GmbH beteiligt. Die GbR überließ KG und GmbH jeweils betrieblich genutzten Grundbesitz. Die Dividenden der GmbH wurden als verzinsliche Darlehen stehen gelassen. Die KG behandelte die ihr vermieteten Grundstücke als Sonderbetriebsvermögen. Nach einer Außenprüfung war das FA der Auffassung, auch die GmbH-Anteile sowie die Darlehen seien Sonderbetriebsvermögen der KG. Gegen die betreffenden Gewinnfeststellungsbescheide erhob die KG erfolgreich Klage. Das FG entschied rechtskräftig, der Grundbesitz sei infolge einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung Betriebsvermögen der GbR; die Darlehen seien Sonderbetriebsvermögen der GbR.

Das FA erließ noch vor Rechtskraft des Urteils geänderte Gewinnfeststellungsbescheide sowie erstmalige GewSt-Messbescheide für die GbR und erfasste die Mieteinnahmen sowie die Darlehenszinsen als gewerbliche Einkünfte. Dagegen erhob die GbR Klage, die insoweit Erfolg hatte, als das FG hinsichtlich der GewSt-Messbescheide von Festsetzungsverjährung ausging und die Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide nur wegen der Mieteinnahmen für zulässig hielt (FG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2006, 11 K 3205/05 G,F, Haufe-Index 1748387, EFG 2007, 318). Gegen das Urteil legten GbR und FA Revision ein.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision des FA hinsichtlich der Gewinnfeststellungsbescheide statt und wies die Revision der GbR zurück. Die Bescheide hätten auf § 174 Abs. 3 bzw. Abs. 4 AO gestützt werden können. Sowohl Mieten als auch Darlehenszinsen seien in den Bescheiden zu erfassen. Hinsichtlich der GewSt habe das FG aber zu Recht Festsetzungsverjährung angenommen.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung beschäftigt sich nicht nur mit den verfahrensrechtlichen Fragen, die sich aus den Leitsätzen erkennen lassen, sondern auch mit § 174 Abs. 4 AO und mit materiellen Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer doppelten Betriebsaufspaltung.

2. Nach § 174 Abs. 3 AO kann ein Sachverhalt, der erkennbar zunächst nicht berücksichtigt wurde, weil er Gegenstand eines anderen Steuerbescheids war, später nach Aufdeckung des Fehlers noch in dem richtigen Steuerbescheid berücksichtigt werden. Bei Personengesellschaften stellt sich die Frage, auf wen für die Erkennbarkeit abzustellen ist. Mit dem Besprechungsurteil stellt der BFH klar, dass es bei einem für die Gewinnfeststellung bedeutsamen Sachverhalt auf eine Erkennbarkeit für die Gesellschafter ankommt. Denn die Personengesellschaft ist zwar Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte. Subjekt der Einkünfteerzielung ist aber der Gesellschafter, dem die festgestellten Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen sind.

3. Bei Anwendung des § 174 Abs. 4 AO stellt sich eine ähnliche Frage. Ein Sachverhalt kann danach noch in dem richtigen Steuerbescheid berücksichtigt werden, wenn seine Berücksichtigung in einem falschen Steuerbescheid erfolgreich vom Steuerpflichtigen angegriffen wurde. Der richtige Bescheid kann sich dabei auch gegen einen Dritten richten, wenn dieser am Verfahren gegen den falschen Steuerbescheid beteiligt war (§ 174 Abs. 5 AO).

In Bezug auf einen Gewinnfeststellungsbescheid sind die Gesellschafter selbst Steuerpflichtige, sodass denselben Personen als Gesellschafter einer anderen Personengesellschaft gegenüber auch ein geänderter richtiger Gewinnfeststellungsbescheid ergehen kann. Anders ist es allerdings bei der Festsetzung des GewSt-Messbetrags, denn Subjekt der GewSt ist die Personengesellschaft selbst. War die zweite Personengesellschaft nicht am Verfahren der ersten Personengesellschaft beteiligt, kann gegenüber der zweiten Gesellschaft ein Änderungsbescheid nach § 174 Abs. 4 AO nicht und ein erstmaliger Bescheid nur innerhalb der regulären Festsetzungsfrist ergehen.

4. § 35b GewStG kann in einem solchen Fall nur herangezogen werden, wenn der Gewinnfeststellungsbescheid geändert werden kann und auch ein GewSt-Messbescheid bereits ergangen war. Der erstmalige Erlass eines GewSt-Messbescheids wird nicht von § 35b GewStG erfasst. Dementsprechend kommt in einem solchen Fall auch nicht die von § 35b GewStG unter Hinweis auf § 171 Abs. 10 AO geregelte Ablaufhemmung für die Festsetzungsverjährung zur Geltung.

5. In materieller Hinsicht hält der BFH eine doppelte Betriebsaufspaltung für möglich, wenn mehreren Gewerbebetrieben wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen werden. Hier lagen gleichzeitig eine klassische Betriebsaufspaltung mit einer GmbH und eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung mit einer KG vor.

Da KG und GmbH Pro...

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