Leitsatz

* 1. Der Widerruf einer Prozessvollmacht ist wirksam, wenn das FG von dem Widerruf durch ein Faxschreiben Kenntnis erlangt.

2. Die Prozessvollmacht erlischt auch bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht gem. § 117 InsO kraft Gesetzes.

3. Das Klageverfahren vor dem FG wird durch die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung nur dann gem. § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen, wenn das Insolvenzgericht dem Gemeinschuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt – nicht aber, wenn es ihm nur einen Zustimmungsvorbehalt auferlegt.

* Leitsätze nicht amtlich

 

Normenkette

§ 87 ZPO , § 240 Satz 2 ZPO , § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO , § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO , § 117 InsO

 

Sachverhalt

Durch Beschluss vom 4.6.1999 wurde die Klägerin, eine GmbH, aufgelöst. Die Auflösung wurde im Handelsregister eingetragen. Der seinerzeitige Geschäftsführer wurde abberufen; Liquidator wurde der Prozessbevollmächtigte, ein WP und StB. Über die Geschäftsführerabberufung und die Neubestellung des Liquidators besteht zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dessen Ehefrau, eine StBin, die zwischenzeitlich ihrerseits Prozessbevollmächtigte der Klägerin geworden war, Streit.

Das FA lehnte den von der Klägerin begehrten Abzug von Verlusten wegen fehlender wirtschaftlicher Identität gem. § 8 Abs. 4 KStG ab und erließ entsprechende Steuerbescheide. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos; die Revision wurde vom FG nicht zugelassen.

Mit Schreiben vom 3.12.2002 hatte der Prozessbevollmächtigte die Prozessvollmacht seiner Ehefrau gegenüber dem FG widerrufen und sich selbst zum Bevollmächtigten bestellt. Das Widerrufsschreiben ging beim FG nur als Fax und ohne Unterschrift ein. Das FG hat den Widerruf im Ergebnis ignoriert, weil das angefochtene Urteil bereits am 21.11.2002 ergangen und verkündet worden war. Das Urteil wurde der bisherigen Prozessbevollmächtigten am 11.1.2003 zugestellt. Mit ihrer NZB rügt die Klägerin im Wesentlichen die nicht ordnungsmäßige Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie die nicht ordnungsmäßige Vertretung in der mündlichen Verhandlung und damit Verletzung der § 53 i.V.m. § 91 Abs. 1 und § 90 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde ging beim BFH erst am 18.2.2003 und damit nach Ablauf der Monatsfrist gem. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ein. Letztere Frist berechnet vom Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an die bisherige Prozessbevollmächtigte am 11.2.2003. Die Klägerin beruft sich insoweit auf die nicht ordnungsmäßige Zustellung des FG-Urteils. Dieses sei der früheren Prozessbevollmächtigten zugestellt worden, obwohl deren Vollmacht infolge der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung über ihr Vermögen gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO kraft Gesetzes gem. § 117 InsO erloschen sei. Nach dem Beschluss des AG waren Verfügungen der Schuldnerin gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam.

Durch diese Anordnung des AG sei das Prozessverfahren gem. § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen worden; eine Fortführung des Verfahrens gem. § 246 ZPO komme auch im Anwaltsprozess nicht in Betracht. Infolge dieser Rechtslage sei die Prozessbevollmächtigte als vollmachtlose Vertreterin aufgetreten. Eine ordnungsmäßige Ladung zur mündlichen Verhandlung sei nicht gegeben.

 

Entscheidung

Der BFH hielt die NZB für zulässig, jedoch für unbegründet. Zwar sei die Zustellung des FG-Urteils an die frühere Prozessbevollmächtigte unwirksam, weil das FG zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von dem Widerruf der Vollmacht erlangt habe. Das Faxschreiben reiche dazu aus. Damit sei das Urteil dem Prozessbevollmächtigten erst (formlos) nach dem 22.1.2003 bekannt gegeben worden, so dass er die NZB fristgerecht erhoben habe.

Die Ladung zur mündlichen Verhandlung sei jedoch beanstandungsfrei. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die Vollmacht der früheren Bevollmächtigten noch wirksam gewesen. § 177 InsO ändere daran nichts, weil die erteilte Vollmacht danach im Insolvenzeröffnungsverfahren noch nicht erlischt. Das Klageverfahren sei auch nicht gem. § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen, weil die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Klägerin nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen sei.

 

Hinweis

Der Beschlussfall stellt einen Einzelfall dar, dem als solchen sicherlich keine sonderliche Verallgemeinerungsfähigkeit zukommt. Dennoch verdient er in seinen Kernaussagen für die Praxis des forensisch tätigen Beraters Beachtung.

1. Die Erteilung einer Prozessvollmacht kann formlos und damit auch per Fax erfolgen. Einer Unterschrift bedarf es also nicht. Gleiches gilt, wie der BFH klar herausstellt, für den Widerruf der Vollmacht. Die Anforderungen sind hier wie da dieselben. Abweichend verhält es sich, wie anzumerken bleibt, aber für den Vollmachtsnachweis: Dafür bedarf es der Schriftform, vgl. § 62 Abs. 3 FGO!

2. Die Anordnung des Insolvenzverfahrens führt nach § 117 InsO automatisch kraft Gesetzes zum Erlöschen einer zuvor vom Insolvenzschuldner erteilten Vollmacht. Im Insolv...

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