Leitsatz

Das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung "innerhalb der letzten fünf Jahre" i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist nicht für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der jeweils geltenden Beteiligungsgrenze i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu bestimmen, sondern richtet sich nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze. Diese Regelung ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1 und 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 , Art. 10 Abs. 3 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war mit 10 % an einer GmbH beteiligt. Am 29.12.1998 übertrug sie einen Teilgeschäftsanteil von 600 DM zu einem unter seinem Verkehrswert liegenden Preis auf ihren Ehemann, so dass sie am 1.1.1999 noch mit 9,92 % am Stammkapital der GmbH beteiligt war. Diesen Anteil übertrug sie am 28.6.1999 auf einen Dritten.

Das FA vertrat die Auffassung, der dabei erzielte Veräußerungsgewinn sei nach § 17 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 steuerpflichtig. Das FG gab der Klage statt (EFG 2002, 701).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Die Absenkung der Beteiligung auf 9,92 % sei zwar trotz des verbilligten Verkaufs des Teilgeschäftsanteils an den Ehegatten kein Gestaltungsmissbrauch. Der Beteiligungsbegriff des § 17 EStG sei aber nicht auf das jeweilige Beteiligungsjahr bezogen, sondern ab dem 1.1.1999 auf die 10%-Grenze und den Fünfjahreszeitraum des § 17 EStG. Die Rückanknüpfung an die letzten fünf Jahre vor dem 1.1.1999 sei weder über eine teleologische Reduktion noch über eine verfassungskonforme Auslegung zu korrigieren.

 

Hinweis

Der BFH hat mit Urteil vom 1.3.2005, VIII R 92/03 (BFH-PR 2005, 256) entschieden, dass die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG von 25 % auf 10 % durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 auch ohne Übergangsregelung verfassungsgemäß sei; die Veräußerung einer Beteiligung von mindestens 10 % ist deshalb ab dem 1.1.1999 steuerpflichtig. Im vorliegenden Urteil musste sich der BFH mit der sich daran anschließenden Frage befassen, ob die Wesentlichkeitsgrenze von 10 % auch für die fünf zurückliegenden Jahre gilt. Bejaht man diese Frage, wird der Inhaber einer Beteiligung auch dann steuerpflichtig, wenn er weder vor noch – wegen der zwischenzeitlichen Veräußerung eines Teilanteils – nach dem 1.1.1999 die Wesentlichkeitsgrenze überschritten hat.

Es ist vielfach – und auch im Streitfall – versucht worden, durch Absenkung der bisherigen nicht wesentlichen Beteiligung auf eine Beteiligung unter 10 % die Steuerverstrickung der Beteiligung zu vermeiden, z.B. durch Übertragung eines Teilanteils auf den Ehegatten. Das ist an sich noch nicht zu missbilligen (keine Steuerumgehung i.S.v. § 42 AO), aber ein untauglicher Versuch, wenn nicht nur die 10%-Grenze, sondern auch der Fünfjahreszeitraum des § 17 EStG ab dem 1.1.1999 gilt. Es genügt dann, wenn der Steuerpflichtige zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb von fünf Jahren vor der Veräußerung der Beteiligung mit 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Eine Auslegung des Gesetzes i.d.S. ist überwiegend als verfassungswidrig abgelehnt worden; der Begriff der "wesentlichen Beteiligung, die innerhalb der letzten fünf Jahre bestanden haben muss", sei für jeden vorangegangenen Veranlagungszeitraum nach der damals gegebenen Rechtslage zu bestimmen (sog. veranlagungsbezogener Beteiligungsbegriff). Nur so sei zu vermeiden, dass jemand, der niemals wesentlich Beteiligter war und dies auch nie sein wollte, in die Steuerpflicht hineinwachse. Diesen Begriff hat der BFH abgelehnt.

Nach dem Steuersenkungsgesetz vom 23.10. 2000 gilt ab dem 1.1.2002 die auf 1 % abgesenkte Wesentlichkeitsgrenze. Auch hier stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Fünfjahreszeitraums für den Beteiligungsbegriff. Allerdings spricht nach der Neufassung des Gesetzes bereits der Wortlaut ("in den letzten fünf Jahren am Kapital der Gesellschaft mit mindestens 1 % beteiligt") für die Lösung des BFH. Eine Revision in dieser Sache wird deshalb wenig Aussicht auf Erfolg haben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.3.2005, VIII R 25/02

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge