Leitsatz

Ein Antrag auf getrennte Veranlagung ist rechtsmissbräuchlich, wenn lediglich die hälftige Anrechnung der zuvor gezahlten Steuern beabsichtigt ist und die Erhebung der Steuer bei dem (mittlerweile verstorbenen) Ehepartner aufgrund einer Haftungsbeschränkung vermieden werden soll.

 

Sachverhalt

Die Eheleute wurden für die Jahre 1988-1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In diesen Jahren erzielte der Ehemann einen Großteil der Einkünfte. Nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 1996 wurde über sein Vermögen das Nachlasskonkursverfahren eröffnet.

Im Jahr 2001 änderte das Finanzamt die Steuerbescheide für die Jahre 1988-1991 (wegen der steuerlichen Berücksichtigung eines Kinds). Die verwitwete Ehefrau legte gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein und beantragte erstmalig die getrennte Veranlagung. Das Finanzamt lehnte die Durchführung einer getrennten Veranlagung ab und war der Ansicht, dass der Antrag rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 42 AO ist.

 

Entscheidung

Auch das FG sieht in dem Antrag einen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO. Zum Verständnis dieser Entscheidung hilft ein Blick auf die Konsequenzen einer nachträglichen getrennten Veranlagung: In einem solchen Fall werden die bereits geleisteten Einkommensteuerzahlungen (Vorauszahlungen, Abschlusszahlungen) jeweils hälftig bei den Eheleuten angerechnet. Die Rechtsprechung nimmt bei zusammenlebenden Eheleuten an, dass sämtliche Zahlungen auf Rechnung beider Ehegatten (als Gesamtschuldner) bewirkt worden sind. Dass die Zahlungen - wie im Urteilsfall - größtenteils auf die Einkünfte eines Ehegatten entfielen, ist unbeachtlich.

Bei der Ehefrau hätte sich aufgrund der hälftigen Anrechnungsbeträge und ihrer geringen eigenen Einkünfte eine Steuererstattung von 113.072 EUR ergeben. Die getrennte Veranlagung des verstorbenen Ehemanns hätte zu einer entsprechend hohen Abschlusszahlung geführt, die wegen des Nachlasskonkursverfahrens und der Haftungsbeschränkung der Erben auf den Nachlass nicht hätten realisiert werden können.

Nach Ansicht des FG war das einzige Ziel des Antrags, die hälftige Anrechnung der Steuerzahlungen zu erreichen und die Erhebung der auf den Ehemann entfallenden Steuer bei den Erben zu vermeiden. Wirtschaftliche oder andere nicht steuerliche Gründe erkannte das FG nicht.

 

Hinweis

Eine getrennte Veranlagung kann sinnvoll sein, wenn ein Ehegatte Progressionseinkünfte erzielt und die (steuersatzerhöhende) Progressionswirkung auf seine Veranlagung begrenzen will. In diesem Fall liegt ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an einer getrennten Veranlagung vor.

Die Revision ist unter dem Az. III R 40/10 anhängig. Aufgrund der eindeutigen Motive der Ehefrau ist zu erwarten, dass auch der BFH einen Rechtsmissbrauch annehmen wird.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.05.2010, 3 K 839/09

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