Leitsatz

1. Vorab entstandene Werbungskosten im Zusammenhang mit einer beabsichtigten nichtselbstständigen Tätigkeit im Ausland sind nicht in die Bemessungsgrundlage der ESt einzubeziehen, wenn die Einkünfte aus der beabsichtigten Tätigkeit nicht der deutschen Besteuerung unterliegen. Sie sind jedoch in einem solchen Fall bei der Bemessung des anzuwendenden Steuersatzes zu berücksichtigen (Progressionsvorbehalt), wenn dies nicht durch ein DBA ausgeschlossen wird (Bestätigung der Senatsurteile vom 6.10.1993, I R 32/93, BStBl II 1994, 113; vom 19.12.2001, I R 63/00, BFH-PR 2002, 179; vom 15.5.2002, I R 40/01, BFH-PR 2002, 408).

2. Die Höhe der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte ist nach deutschem Recht zu ermitteln. Dabei sind die dort vorgesehenen Abzugsbeschränkungen zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur für Beschränkungen, die sich daraus ergeben, dass die betreffenden Einkünfte nicht der deutschen ESt unterliegen bzw. abkommensrechtlich steuerbefreit sind.

3. Ein Zusammenhang mit nach deutschem Recht steuerfreien Einnahmen hindert den Werbungskostenabzug auch dann, wenn die betreffenden Aufwendungen mit erst in Zukunft zu erwartenden Einnahmen zusammenhängen.

 

Normenkette

§ 3c, § 11 Abs. 2, § 32b Abs. 1 Nrn. 2 und 3, § 32b Abs. 2 EStG 1997, Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 22 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Australien

 

Sachverhalt

Die Beteiligten stritten darüber, ob und ggf. in welchem Umfang Aufwendungen für einen Umzug der Kläger nach Australien als Werbungskosten bei dessen inländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

Die Kläger waren Eheleute und wohnten im Streitjahr zunächst im Inland. Im November 1999 verzogen sie nach Australien, wo der Kläger anschließend für einen australischen Arbeitgeber tätig war. Dieser hat ihm im Folgejahr Umzugskosten steuerfrei erstattet.

In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den inländischen Einkünften des Klägers u.a. Aufwendungen für den Umzug nach Australien als WK geltend. Das FA rechnete die Aufwendungen dagegen (teilweise) den nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigenden ausländischen Einkünften des Klägers zu. Zudem erhöhte er diese Einkünfte um die vom diesem vereinnahmte Umzugskostenerstattung.

Die anschließende Klage hat das FG abgewiesen (EFG 2005, 1925).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück. Er sah weiteren Aufklärungsbedarf hinsichtlich einzelner Aufwandspositionen.

Im Grundsatz gab er dem FA aber darin Recht, dass der (vorweg entstandene) Aufwand infolge der abkommensrechtlichen Freistellung nach dem DBA Australien im Inland nicht abziehbar sei und nur im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden könne.

 

Hinweis

Das Urteil enthält eine ganze Reihe grundlegender Äußerungen zum Verhältnis von Abkommens- und nationalem Recht:

1. Konkret geht es im Urteilsfall um einen Steuerpflichtigen,

  • der seinen Wohnsitz im Inland beibehält,
  • jedoch im Ausland einen weiteren Wohnsitz begründet und dort eine Tätigkeit aufnimmt,
  • wobei das Besteuerungsrecht für die gezahlte Vergütung nach DBA dem Tätigkeitsstaat zusteht.

Dieser Steuerpflichtige begehrte im Rahmen seiner unbeschränkten Steuerpflicht den Abzug (u.a.) von Umzugskosten als (vorweggenommenen) Aufwand auf die Einkünfte, die er nachfolgend im Ausland erzielte.

Es geht also, anders gewendet, um das systematische Verhältnis von tatsächlichem Abfluss des betreffenden Aufwands und seiner Veranlassung durch die Tätigkeit im Ausland, mithin um das Verhältnis von § 11 Abs. 2 EStG einerseits und § 11 Abs. 2 EStG andererseits.

2. Der BFH stellt dazu klar:

a) Beide Prinzipien, das Abfluss- wie das Veranlassungsprinzip, stehen prinzipiell unverbunden nebeneinander. Ist eine Aufwendung durch eine nachfolgende Einkunftsquelle veranlasst, dann ist sie dieser Quelle zuzuordnen. Das gilt auch dann, wenn sie vorab geleistet wird.

b) Bei einem Wechsel von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht kann das allerdings bedeuten, dass der Aufwand im Ergebnis weder im Rahmen der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht abziehbar ist. Im Rahmen der Überschussrechnung wirkt sich das Abflussprinzip dann "zulasten" des Veranlassungsprinzips aus. – Über solch einen Sachverhalt hatte der BFH in seinem Urteil vom 17.4.1996, I R 78/95, BStBl II 1996, 571 zu befinden.

c) Umgekehrt verhindert aber das Veranlassungsprinzip den Abzug des vorweggenommenen Aufwands, wenn dieser Aufwand solchen Einnahmen zuzuordnen ist, die im Inland nach Abkommensrecht freigestellt sind. Die Freistellung erstreckt sich dann auch auf die betreffenden Aufwandspositionen. Der BFH bestätigt insoweit einmal mehr die sog. Symmetriethese (vgl. dazu zuletzt Beschlüsse vom 28.6.2006, I R 84/04, BFH-PR 2006, 509, sowie vom 22.8.2006, I R 116/04, BFH-PR 2006, 510). Ob und unter welchen Umständen das ausländische Recht einen Aufwandsabzug ermöglicht, ist unbeachtlich. – Über diesen Sachverhalt war im Urteilsfall zu befinden.

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