1.1 Unentgeltlicher Erwerb

Unentgeltlicher Erwerb liegt vor, wenn die Übereignung ohne Gegenleistung erfolgt. Gleiches gilt, wenn eine Schenkung mit einer Auflage verknüpft wird (z. B. Grundstücksschenkung unter der Auflage, dem Übereigner ein Nutzungsrecht einzuräumen). Eine unentgeltliche Übertragung liegt auch vor, soweit Versorgungsleistungen (Versorgungsrenten und dauernde Lasten) bei der Übertragung von Vermögen vom Übernehmer dem Übergeber oder Dritten (z. B. Ehegatten des Übergebers oder Geschwister des Übernehmers) zugesagt werden. Sie sind von den als Anschaffungskosten zu beurteilenden Veräußerungsleistungen und von steuerlich nicht abziehbaren Unterhaltsleistungen abzugrenzen.

In den Fällen der Vermögensübertragung auf Angehörige spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die wiederkehrenden Leistungen unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bemessen worden sind. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn die Beteiligten Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen haben und subjektiv von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgehen durften, auch wenn Leistung und Gegenleistung objektiv ungleichwertig sind. In diesem Fall ist der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht eröffnet.[1]

Bei der vorweggenommenen Erbfolge liegt je nach Art der anlässlich der Vermögensübertragung vereinbarten Leistungen eine voll unentgeltliche oder eine teilentgeltliche Übertragung vor.

Soweit der Übernehmer das Wirtschaftsgut unentgeltlich erworben hat, führt er die AfA des Übergebers fort. Er kann die AfA nur bis zu dem Betrag abziehen, der anteilig von der Bemessungsgrundlage des Übergebers nach Abzug der AfA, der erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen verbleibt.[2]

 
Praxis-Beispiel

Voll unentgeltliche Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge

A schenkt seinem Sohn B ein im Privatvermögen befindliches Mietwohngrundstück. Er hat das Gebäude 1990 für 400.000 EUR angeschafft und schreibt es mit 2 % linear ab.

B erzielt nach der Schenkung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er übernimmt die AfA-Bemessungsgrundlage von 400.000 EUR und die AfA-Reihe des Rechtsvorgängers, sodass bei ihm jährlich 8.000 EUR AfA (2 % von 400.000 EUR) zu berücksichtigen sind. Im Jahr des Übergangs erfolgt eine zeitanteilige Aufteilung.

1.2 Teilentgeltlicher Erwerb

Grundsätzlich ist ein Gebäude auf eine einheitliche Nutzungsdauer abzuschreiben. Wird ein Gebäude teilentgeltlich übertragen, ist der Vorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Dabei berechnen sich der entgeltlich und der unentgeltlich erworbene Teil des Wirtschaftsguts nach dem Verhältnis des Entgelts (ohne Anschaffungsnebenkosten) zu dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts. Werden mehrere Wirtschaftsgüter teilentgeltlich übertragen, ist eine von den Vertragsparteien vorgenommene Zuordnung der Anschaffungskosten auf die einzelnen Wirtschaftsgüter maßgeblich für die Besteuerung. Voraussetzung ist, dass die Zuordnung nach außen hin erkennbar ist und die Aufteilung nicht zu einer nach § 42 AO unangemessenen wertmäßigen Berücksichtigung der einzelnen Wirtschaftsgüter führt. Ansonsten sind die Anschaffungskosten vorweg nach dem Verhältnis der Verkehrswerte den einzelnen Wirtschaftsgütern anteilig zuzurechnen.

Bei einem teilentgeltlichen Erwerb eines Grundstücks tritt der Rechtsnachfolger bezüglich des unentgeltlichen Teils in die Rechtsstellung des Vorgängers ein. Bezüglich des entgeltlich erworbenen Teils hat er eigene Anschaffungskosten. Der Übernehmer hat für den unentgeltlich erworbenen Teil die vom Rechtsvorgänger begonnene AfA anteilig fortzuführen; für den entgeltlich erworbenen Teil kann er die lineare AfA nach § 7 Abs. 4 EStG in Anspruch nehmen. Bei Gebäuden hat dies zur Folge, dass für den unentgeltlich und den entgeltlich erworbenen Teil des Gebäudes unterschiedliche Abschreibungszeiträume laufen.

 
Praxis-Beispiel

Teilentgeltlicher Erwerb im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge

A überträgt seinem Sohn B das Eigentum an einem bebauten Mietwohngrundstück (Verkehrswert 600.000 EUR, Gebäudeanteil 400.000 EUR) für 300.000 EUR. A hat das Gebäude 1995 für 200.000 EUR (= Gebäudeanteil) hergestellt und schreibt es mit 2 % linear ab.

B hat das bebaute Grundstück je zur Hälfte unentgeltlich bzw. entgeltlich erworben. Hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Anteils übernimmt er die anteilige AfA-Bemessungsgrundlage (50 % von 200.000 EUR = 100.000 EUR) und führt die vom Rechtsvorgänger begonnene AfA-Reihe fort (= AfA 2 % von 100.000 EUR = 2.000 EUR). Für den entgeltlich erworbenen Anteil beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage 200.000 EUR (= Gebäudeanteil des Entgelts: 300.000 EUR x 400.000 / 600.000 EUR). Der entgeltlich erworbene Teil ist selbstständig abzuschreiben (ggf. eigenständige abweichende Abschreibungszei...

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