Leitsatz

Werden nach der - im Auftrag einer Gemeinde - durchgeführten Erschließung eines Gewerbegebiets die erschlossenen Grundstücke unter Verzicht auf die Steuerbefreiung an private Investoren veräußert und die erschlossenen öffentlichen Flächen und Straßen auf die Gemeinde übertragen, so sind die mit der Erschließung im Zusammenhang stehenden Eingangsumsätze wirtschaftlich den steuerpflichtigen Veräußerungen zuzurechnen. Die Erschließung der auf die Gemeinde übertragenen Flächen war dagegen lediglich Mittel zur Realisierung des eigentlichen Geschäftszwecks, nämlich der Erzielung der Umsätze aus der Veräußerung der Gewerbegrundstücke. Hierauf entfallen - wirtschaftlich gesehen - keine anteiligen Vorsteuerbeträge.

 

Sachverhalt

Ein Erschließungsunternehmen führte im Auftrag einer Gemeinde die Erschließung eines gemeindlichen Gewerbegebiets durch. Rechtliche Grundlage hierfür war ein Geschäftsbesorgungsvertrag, wonach die Gemeinde das Unternehmen mit dem Erwerb, der Veräußerung und der Belastung der Grundstücksfläche des Gewerbebetriebs, der Durchführung von Erschließungsmaßnahmen sowie aller Geschäfte, die dem Unternehmenszweck dienten, beauftragte. Das Unternehmen handelte hierbei im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Kostenträger der Erschließungsmaßnahmen war das Unternehmen. Die Gemeinde verpflichtete sich, dem Unternehmen zweckgebundene Fördermittel aus der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" in Höhe von 10.031.400 DM zur Verfügung zu stellen. Die erschlossenen Grundstücke veräußerte das Unternehmen alsdann an Investoren (ca. 75 %); die erschlossenen öffentlichen Flächen und Straßen (ca. 25 %) übertrug das Unternehmen auf die Gemeinde.

 

Entscheidung

Die Übertragung der erschlossenen Grundstücksflächen an die Gemeinde ist zwar steuerfrei; eine Optionsmöglichkeit besteht insoweit nicht. Die Erschließungsmaßnahmen sind aber nicht diesem steuerfreien Umsatz zuzurechnen, sondern den - durch Option - steuerpflichtigen Umsätzen an private Investoren. Das Finanzgericht folgte insoweit dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von Eingangsumsätzen. Im Streitfall seien die Erschließungsleistungen vom Unternehmen zu dem Zweck und mit dem Ziel bezogen worden, die erschlossenen Grundstücke an Gewerbetreibende zu veräußern. Der unternehmerische Erfolg des Unternehmens bestand in dem Verkauf der Baugrundstücke und nicht in der Übertragung erschlossener öffentlicher Grundstücke auf die Gemeinde. Erschließung und Übertragung auf die Gemeinde waren lediglich Mittel zur Realisierung des eigentlichen Geschäftszwecks, dem Umsatz durch die Veräußerung der Gewerbegrundstücke. Danach war der Vorsteuerabzug vollumfänglich zulässig, weil die Zurechnung der Eingangsumsätze ausschließlich zu den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen erfolgte.

 

Hinweis

Dieses Urteil steht im Widerspruch zur Verwaltungsauffassung. In den BMF-Schreiben vom 13.7.2000 (IV D 1 - S 7300 - 49/00, BStBl I 2000 S. 1188) und vom 4.12.2000 (IV B 7 - S 7100 - 55/00, BStBl I 2000 S. 1581) sieht die Finanzverwaltung eine gegenständliche oder unmittelbare Zurechnung zu den Ausgangsumsätzen vor. Danach würden die Vorsteuern auf die steuerfreien und die steuerpflichtigen Grundstücksveräußerungen aufgeteilt werden müssen. Gegen das Urteil hat deshalb die Verwaltung Revision eingelegt (Az beim BFH: V R 14/04). Erschließungsunternehmen kann angeraten werden, sich auf das vorstehende Urteil zu berufen und evtl. Rechtsbehelfsverfahren im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren ruhen zu lassen.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 10.12.2003, 1 K 1422/02

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