Sachverhalt

Die EU-Kommission hatte Klage gegen die Niederlande erhoben, weil es den dortigen Unternehmern gestattet war, aus Kostenerstattungen gegenüber Arbeitnehmern, die ihre Privat-Pkw auf Dienstreisen einsetzen, Vorsteuerpauschalen geltend zu machen. Die Vorsteuerpauschale betrug 12 % der auf 0,6 NLG pro gefahrener km beschränkten Kostenerstattung. Die EU-Kommission sah darin einen Verstoß gegen Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art.l 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie. Der EuGH hat der Klage mit Urteil v. 8.11.2001 in vollem Umfang stattgegeben.

 

Entscheidung

Der Vorsteuerabzug ist in doppelter Hinsicht unzulässig. Der EuGH hebt strikt auf die Voraussetzungen i.S.d. Art. 17 Abs. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie ab. Danach bedarf es einer Leistung eines anderen Unternehmers für Zwecke des Unternehmens des Leistungsempfängers. Der Leistungsbezug eines Arbeitnehmers während einer Dienstreise ist kein Leistungsbezug für das Unternehmen. Der EuGH begründet dies damit, dass nach Art. 4 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie Arbeitnehmer nicht Unternehmern (und damit auch nicht dem Unternehmer, der die Kostenerstattung leistet) gleichgestellt werden können. Auch kann die Nutzung des Privatfahrzeugs für unternehmerische Zwecke nicht als Lieferung (Überlassung eines Fahrzeugs) an den Unternehmer i.S.v. Art. 5 der 6. EG-Richtlinie gewertet werden.

Ausdrücklich weist der EuGH darauf hin, dass sich ein Vorsteuerabzugsrecht auch nicht aus der Entscheidung v. 8.3.1988, 165/86 (Intiem) ergeben kann. Nach diesem Urteil berechtigt eine auf den Namen des Unternehmers ausgestellte Rechung über eine Kraftstofflieferung auch dann zum Vorsteuerabzug, wenn nicht der Unternehmer selbst, sondern sein Arbeitnehmer getankt hat. In diesem Fall ist ein Leistungsbezug auch dann für das Unternehmen gegeben, wenn der Gegenstand der Lieferung körperlich an den Arbeitnehmer abgegeben wird. Der EuGH stellt klar, dass die Leistung in jedem Fall für Rechnung des Unternehmers erbracht werden muss. Dies bestätigt die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, wonach für den Vorsteuerabzug aus Übernachtungskosten und Verpflegungskosten des Arbeitnehmers eine auf den Namen des Unternehmers ausgestellte Rechnung vorliegen muss (vgl. BMF, Schreiben v. 28.3.2001, IVB7-S 7303 a-20/01, BStBl I 2001 S. 251).

Der in den Niederlanden gewährte pauschale Vorsteuerabzug war nach den weiteren Entscheidungsgründen auch deshalb unzulässig, weil der Unternehmer hinsichtlich der Kostenerstattung keine Rechnung i.S.v. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie besitzt. Der EuGH hat klargestellt, dass das Recht, den Vorsteuerabzug durchführen zu können (nicht das Recht an sich), vom Besitz einer Rechnung abhängt, die von einem anderen Unternehmer ausgestellt sein muss. Da im vorliegenden Fall keine Leistung eines anderen Unternehmers erbracht worden war, konnte folglich auch keine entsprechende Rechnung vorgelegt werden.

Die Entscheidung legt den Schluss nahe, dass die EU-Kommission auch hinsichtlich des mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 abgeschafften pauschalen Vorsteuerabzugs (§§ 36 bis 39 UStDV) erfolgreich gegen Deutschland geklagt hätte. Ein solcher pauschaler Abzug kann also bei einer etwaigen, durch das BFH-Urteil v. 23.11.2000, V R 49/00, BStBl II 2001 S. 266 vorgezeichneten, gesetzlichen Reform des Vorsteuerabzugs im Bereich der Reisekosten nicht wieder eingeführt werden.

Es fällt auf, dass in dem Verfahren nicht zur Sprache gekommen ist, dass der Pauschalabzug auch der Vereinfachung der Steuererhebung i.S.v. Art. 27 der 6. EG-Richtlinie dienen könnte. Dies war der Fall bei den nach den §§ 36 bis 39 UStDV geltenden Vorsteuerpauschalen. Sie waren als Sondermaßnahme gem. Art. 27 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie der EU-Kommission 1977 vor dem In-Kraft-Treten der Richtlinie mitgeteilt worden (vgl. Reiß/Krauesel/Langer, UStG, Artikel 27 6. EG-RL, Rz. 10).

Die Entscheidung macht insgesamt deutlich, dass bei Leistungsbezügen streng zwischen Umsätzen an den Unternehmer (für dessen Rechnung) und an die Arbeitnehmer zu trennen ist. Obwohl Dienst- und Geschäftsreisen unzweifelhaft in den Geschäftsbereich eines Unternehmers fallen, führen Umsätze an die Arbeitnehmer nicht grundsätzlich zum Vorsteuerabzug, sondern nur dann, wenn die entsprechenden Rechnungen auf den Namen des Unternehmers lauten. Soweit der Unternehmer seinen Arbeitnehmern Aufwendungen aus Anlass von Dienstreisen erstattet, sind die entsprechenden Umsätze an die Arbeitnehmer nicht der Geschäftstätigkeit des Unternehmers zuzurechnen und somit auch nicht i.S.v. Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie für das Unternehmen ausgeführt worden. Das EuGH-Urteil macht deutlich, dass ein Leistungsbezug des Unternehmers grundsätzlich nur dann angenommen werden kann, wenn der Arbeitnehmer aus Anlass einer Dienstreise Leistungen quasi für den Arbeitgeber in Anspruch nimmt und die Rechnung auf den Namen des Arbeitgebers ausgestellt wird.

Der EuGH erkennt zwar an, dass die Nichtabzugsfähigkeit der Vorsteuerpauschale mit dem G...

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