1.1 Regelungen der Richtlinie 2008/9/EG

1.1.1 Erstattungsgrundlage

Zum 1.1.2010 wurde das vorher in der sog. 8. EG-Richtlinie[1] geregelte Verfahren der Erstattung von Mehrwertsteuern (Vorsteuervergütung) an EU-Unternehmer auf eine neue Grundlage gestellt. Die 8. EG-Richtlinie wurde aufgehoben. Die RL 2008/9/EG gilt für Erstattungsanträge, die nach dem 31.12.2009 gestellt werden. Die Grundvoraussetzungen des Erstattungsverfahrens (Erstattungsberechtigte, Nichtansässigkeit des antragstellenden Unternehmers, keine oder nur bestimmte Umsätze im Erstattungsstaat u. Ä.) sind immer noch unverändert.

Einzelne verfahrensrechtliche Aspekte wurden näher bestimmt und vereinfacht und die Rechte der Antragsteller wurden, z. B. durch verkürzte Bearbeitungsfristen und eine Verzinsung der Erstattungsansprüche, gestärkt. Wie im Recht bis zum 31.12.2009 scheidet ein Erstattungsverfahren aus für in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen, die nach Art. 138 MwStSystRL (innergemeinschaftliche Lieferungen) oder nach Art. 146 Abs. 1b MwStSystRL (Ausfuhrlieferungen, Beförderung oder Versendung durch Abnehmer) steuerfrei sind oder befreit werden können.[2]

Gleiches gilt für nach den Rechtsvorschriften des Erstattungsstaates fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge.[3] Damit scheidet ein Vorsteuerabzug (hier Erstattung) aus für Steuern, die nur aufgrund eines unrichtigen/unberechtigten Steuerausweises, nicht aber aufgrund des Umsatzes geschuldet werden.

[1] 8. Richtlinie 79/1072/EWG des Rates v. 6.12.1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der MwSt an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige, ABl. EG 1979 Nr. L 331 S. 11.

1.1.2 Ermittlung des Erstattungsbetrags

Art. 6 der RL 2008/9/EG regelt die Ermittlung des Erstattungsbetrags. Grundvoraussetzung für eine Erstattung im Erstattungsstaat ist, dass der Antragsteller Umsätze bewirkt, die in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, ein Recht auf Vorsteuerabzug begründen.[1] Bewirkt der Antragsteller in seinem Ansässigkeitsstaat sowohl Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die das Vorsteuerabzugsrecht im Ansässigkeitsstaat nicht besteht, kann der Erstattungsstaat aus dem nach Art. 5 RL 2008/9/EG erstattungsfähigen Betrag nur den Teil erstatten, der entsprechend der Anwendung von Art. 173 MwStSystRL (Pro-Rata-Satz des Vorsteuerabzugs) im Ansässigkeitsstaat auf die den Vorsteuerabzug eröffnenden Umsätze entfällt.

1.1.3 Einreichung der Erstattungsanträge

Die Erstattungsanträge können nur elektronisch, nicht auf Papier, eingereicht werden. Art. 7 der RL2008/9/EG regelt die Verpflichtung des den Antrag stellenden Unternehmers, einen elektronischen Erstattungsantrag an den Erstattungsstaat zu richten und den Antrag im Ansässigkeitsstaat über das von diesem Staat eingerichtete elektronische Portal einzureichen.

Nach Art. 10 der RL 2008/9/EG kann der Erstattungsstaat verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls sich die Steuerbemessungsgrundlage auf einer Rechnung oder einem Einfuhrdokument auf mindestens 1.000 EUR oder den Gegenwert in der jeweiligen Landeswährung beläuft. Betrifft die Rechnung Kraftstoff, beträgt dieser Schwellenwert 250 EUR oder den Gegenwert in der jeweiligen Landeswährung.

Nach Art. 14 Abs. 1 RL 2008/9/EG hat der Erstattungsantrag sich auf Folgendes zu beziehen:a) den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen, der innerhalb des Erstattungszeitraums in Rechnung gestellt worden ist, sofern der Steueranspruch vor oder zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung entstanden ist, oder für den der Steueranspruch während des Erstattungszeitraums entstanden ist, sofern der Erwerb vor Eintreten des Steueranspruchs in Rechnung gestellt wurde;b) die Einfuhr von Gegenständen, die im Erstattungszeitraum getätigt worden ist.

Der EuGH hat entschieden, dass die Art. 167 bis 171 und 178 MwStSystRL sowie die RL 2008/9 dahin auszulegen sind, dass ein Steuerpflichtiger den Anspruch auf Erstattung der MwSt nicht geltend machen kann, wenn er keine Rechnung i. S. der MwStSystRL über den Erwerb der betreffenden Gegenstände besitzt. Nur wenn ein Dokument so fehlerhaft ist, dass der nationalen Steuerverwaltung die zur Begründung eines Erstattungsantrags erforderlichen Angaben fehlen, kann davon ausgegangen werden, dass ein solches Dokument keine „Rechnung“ i. S. der MwStSystRL ist. Weiter hat der EuGH entschieden, die Art. 167 bis 171 und 178 MwStSystRL sowie Art. 14 Abs. 1 Buchst. a erste Alternative RL 2008/9 dahin auszulegen sind, dass sie der Ablehnung eines Antrags auf Erstattung der MwSt für einen bestimmten Erstattungszeitraum entgegenstehen, die allein damit begründet wird, dass der Mehrwertsteueranspruch in einem früheren Erstattungszeitraum entstanden ist, die MwSt aber erst in diesem bestimmten Zeitraum in Rechnung gestellt wurde. Schließlich hat der EuGH entschieden, dass die einseitige Annul...

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